T„Das würde viele zum Umsteigen bringen“: Was sich beim ÖPNV im Alten Land ändern muss

Klaus Müller aus Jork ist Vorsitzender des Fahrgastbeirats im Landkreis Stade. Foto: Vasel
Beim öffentlichen Personennahverkehr ist das Alte Land häufig abgehängt. Die Bahnlinien sind weit weg, eine wichtige Buslinie aus Hamburg fährt nur bis zur Landesgrenze. Der Fahrgastbeirat fordert diese Änderungen.
Jork. Damit mehr Altländer vom Auto auf Bus, Bahn und/oder Fähre umsteigen, müsste beim öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) im Alten Land an einigen Stellschrauben gedreht werden. Kaum einer im Landkreis Stade kennt den ÖPNV so gut wie Klaus Müller aus Jork, er ist ausschließlich mit Bus und Bahn unterwegs.
Als Vorsitzender des Fahrgastbeirats hat Müller klare Vorstellungen. Er wirbt für eine engere Anbindung an Hamburg: „Der 150er müsste endlich bis Jork fahren.“ Die Verlängerung der Hochbahn-Buslinie 150 (Bahnhof Altona - Finkenwerder - Cranz-Estebogen) nach Jork-Mitte wäre für den Interessenvertreter der Fahrgäste die „Initialzündung“. Allerdings müsste der Bus, um attraktiv für Autofahrer zu werden, von morgens bis abends im Halbstundentakt fahren. Der 150er sei in Jork und im Alten Land ein Symbol - einerseits für guten ÖPNV bis Cranz, andererseits für schlechten ÖPNV aufgrund der mangelhaften Anbindung des niedersächsischen Teils des Alten Landes an Hamburg.
Hochbahn-Buslinie 150 bis nach Jork verlängern
„Das würde mit Sicherheit viele zum Umsteigen bringen“, sagt Müller und verweist auf die Barriere im Kopf vieler Noch-Auto-Nutzer. Die Elbe sei für viele auch eine psychologische Barriere. Mit einer Buslinie, die einen „ohne Umsteigen“ in die Stadt bringt, wäre viel gewonnen. Und auch auf der Rückfahrt wäre ein Stau im Elbtunnel kein Problem, denn nach der Verlängerung entfiele das Umsteigen, kein Anschluss würde verpasst.
Der 2040er war zum Fahrplanwechsel im Dezember 2023 verlängert worden, die Linie verkehrt seitdem von Buxtehude über Jork und Neuenfelde bis nach Finkenwerder (Rüschhalbinsel). Dort können die Fahrgäste an der Anlegestelle Rüschpark vom Bus auf die Hadag-Fähre 64 nach Teufelsbrück umsteigen.
Mit der Verlängerung war eine Forderung der Gemeinde Jork und des Fahrgastbeirats umgesetzt worden - zumindest im Ansatz. „Ich bin der Auffassung, dass die KVG-Buslinie 2040 unbedingt bis zum Fähranleger in Finkenwerder verlängert werden sollte“, sagt Müller. Das wäre der „nächste sinnvolle und notwendige Schritt“. Dort könnten Busnutzer - von Pendlern über Ausflügler bis zu Touristen - am Anleger auf die wichtige Hafenfähre 62 umsteigen und direkt über die Elbe in die Innenstadt fahren. Von der Verlängerung profitierten bislang insbesondere Airbus-Mitarbeiter und Beschäftigte im Gewerbegebiet auf der Rüschhalbinsel östlich des Flugzeugwerks.

Öffentlicher Personennahverkehr im Alten Land: Ein KVG-Bus der Linie 2040 passiert das Rathaus in Jork. Foto: Vasel
Gleichwohl seien erste Fahrerfahrungen mit dem verlängerten 2040er „durchaus positiv“, so Müller. Gegenüber dem Umsteigen in den 150er in Cranz sei das eine Verbesserung, Müller spricht von einem kleinen Zeitgewinn „von zehn Minuten“ - zumindest in der Woche. Der Busfahrplan sei gut mit dem der Hadag-Fähre getaktet, von der Bushaltestelle sei der Anleger Rüschpark gut zu erreichen. Auf der nördlichen Seite hapert es allerdings.
An Land müssen die ÖPNV-Nutzer in den Bus der Linie X86 bis Bahnhof Altona umsteigen, doch der Schnellbus („XpressBus“) fahre nur montags bis freitags, am Wochenende halten die Alternativ-Busse wieder an jeder Haltestelle. Das neue Angebot müsse sich noch herumsprechen. Bei seinen Fahrten sei Müller in der Regel der einzige Fahrgast gewesen, der an Bord der Hadag-Fähre 64 gegangen sei. Auf dem Rückweg setze er allerdings weiter auf den 150er. Denn in Teufelsbrück müsste eine vielbefahrene Straße überquert werden, vier bis fünf Minuten von der X86-Haltestelle bis zum Anleger, das sei schon sehr sportlich. Bei einer Verspätung sei die Fähre weg. Er will jetzt den Hamburger Fahrgastbeirat einschalten, damit die 2040 in beide Richtungen für ÖPNV-Nutzer attraktiv sei.
Landkreis Stade
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Altländer fordern bessere Anbindung zu späten Zeiten
Die Teilhabe am kulturellen Leben in Hamburg sei für eine Region ohne Bahn schwierig, wenn kein Auto vorhanden ist. Abends seien die Altländer auf die Linie 257 von Neugraben angewiesen. An der S-Bahn-Station Neugraben fahre der letzte Bus um 0.21 Uhr ab. Dass dieser abends nur alle eineinhalb Stunden fahre, sei für viele unattraktiv. Das sei für Theaterbesucher abschreckend. Wenn der Vorhang um 22.30 Uhr falle, sei der vorletzte Bus weg. Eine Stunde Wartezeit sei nachts keine Freude - „auch, wenn man damit als Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel häufig leben muss“.
Wer in der Samtgemeinde Lühe wohne, müsse sich in Jork abholen lassen oder das Taxi nehmen. Der 2040er sei keine Alternative, der letzte Bus fährt um 20.50 Uhr an der Haltestelle Rüschpark ab. Notwendig wäre deshalb für die Abendzeit eine zweite Verbindung - von der S-Bahn-Haltestelle in Buxtehude. Diese müsste so getaktet sein, dass sie zwischen die 257er-Fahrten passe.

Knotenpunkt: Die Haltestelle „Marktplatz“ in Jork ist das Ziel vieler KVG-Linien. Foto: Vasel
Was fehlt, ist auch der Wochenend-Nachtverkehr. „Die 257er hat einen, doch der endet in Neuenfelde, weil der Kreis Stade sich finanziell nicht beteiligen will“, klagt Müller. Denn diese Busse fahren noch um 1.40 Uhr und 2.40 Uhr - von Neugraben nach Neuenfelde. Notwendig sei eine Fortführung bis Jork oder Steinkirchen.
Für die Samtgemeinde Lühe wäre eine Spätverbindung sinnvoll, heute fahre der letzte Bus der Linie 2050 nach Steinkirchen/Jork in Stade gegen 20 Uhr ab. Der im Nahverkehrsplan geplante Bus um 22 Uhr könne nur ein erster Schritt sein. Auch die 2017 aufgewertete, ehemalige Schulbusverbindung Horneburg-Steinkirchen (2053) sollte ausgebaut werden. Diese werde von Pendlern wochentags gut angenommen, abends und sonnabends gebe es nichts. Im Sommer hielte er eine regelmäßige Verbindung von Stade nach Hollern-Twielenfleth für sinnvoll - auch mit Blick auf den Bassenflether Strand.
Expressbuslinie durch den Hamburger Hafen
Müller wirbt für eine neue Busverbindung. Weil die Bahn nach Hamburg für viele Altländer „wegen hoher Auslastung in den Hauptverkehrszeiten und häufiger Betriebsstörungen wenig attraktiv“ sei, machen sich Gemeinde Jork und Fahrgastbeirat für eine Expressbuslinie - nach der Sanierung der K39 - von Jork über die Finkenwerder Ortsumgehung und die Köhlbrandbrücke durch den Hamburger Hafen zur U- und S-Bahn-Station Elbbrücken stark. Der Bus würde so fahren wie viele Autofahrer: „Das würden viele sehen und die 15 Minuten mehr sicher gern in Kauf nehmen.“
Müller verweist auf das Grundgesetz, das die Angleichung der Lebensverhältnisse in Stadt und Land fordere. Er wisse, dass der Kreis Stade bei der Finanzierung an seine Grenzen stoße. 12,5 Millionen Euro gebe dieser im Jahr für den ÖPNV aus. Wenn er drei Wünsche frei hätte, würde Müller sich mit Blick auf Hamburg 1. die Expresslinie durch den Hafen oder die Verlängerung des 150er, 2. einen Nachtbus-Verkehr und, mit Blick auf Stade, 3. eine bessere Anbindung abends und am Wochenende, von Steinkirchen/Jork wünschen.
Doch es geht auch um das Klima. Weil auf dem Land der ÖPNV ein Trauerspiel ist, geht es ohne Pkw nicht. Doch der ist für 66 Prozent der CO2-Emissionen von 72.000 Tonnen im Jahr im Alten Land und in Horneburg verantwortlich. 81,4 Prozent der Wege werden mit dem Pkw zurückgelegt.