TSo sicher sind die Deiche im Landkreis Stade - Kritik an Umweltschützern

Auch im Alten Land waren die Behörden und Verbände im Zuge der Herbstdeichschauen im Landkreis Stade unterwegs. Foto: Vasel
Zumindest für die Deiche war das bislang regenreiche Jahr ein Segen. Doch es gibt auch schlechte Nachrichten: Die Elbdeich-Erhöhung stockt weiter, klagt Landrat Seefried. Und es kommt noch dicker: Naturschützer bremsen das Mammutprojekt.
Jork. „Alle Deiche sind in einem guten bis sehr guten Zustand und damit wehrhaft für die anstehende Sturmflutsaison“, sagte Kreisbaurätin Madeleine Pönitz nach den 13 Herbstdeichschauen dem TAGEBLATT. Ihre Kollegen haben mit Vertretern der Deichverbände, Kommunen, des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) sowie Hilfs- und Katastrophenschutzorganisationen die Deiche in Augenschein genommen.
223 Deichkilometer begutachteten die Deichschaukommissionen entlang der Elbe und ihren Nebenflüssen Oste, Schwinge, Lühe/Aue und Este. Stephanie Wischkony von der Unteren Deichbehörde beim Kreis Stade bescheinigte den Verbänden und Schäfern sehr gute Arbeit.
Trotz starker Niederschläge wurde kein hoher Wühlmaus- und Maulwurfsbefall festgestellt. Der viele Regen bringe sogar eine gute Entwicklung mit sich: So seien im Gegensatz zu den vorherigen Jahren in diesem Sommer keine Trocknungsrisse entstanden.
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Deicherhöhung ist ein Mammutprojekt
Die Arbeiten am Burgbeckschöpfwerk an der Oste laufen. Die Sanierung des Siels in Jork-Hinterbrack an der K39 in Jork haben begonnen, im kommenden Jahr soll es fertig sein. Die eigentliche Deicherhöhung soll 2025 folgen. Für die Deicherhöhung auf Krautsand soll in Kürze der Antrag für das Planfeststellungsverfahren eingereicht werden.
Die größte Deich-Baustelle ist Stade, wo der Anleger für verflüssigte Gase (LNG) entsteht. Sofern er fertiggestellt ist, soll die Deicherhöhung vom Deichschart bis zum Anleger Stadersand folgen - voraussichtlich im Frühjahr 2024. Zeitgleich sollen die Hauptdeiche auf Kleimächtigkeit und -qualität untersucht werden, um den Materialbedarf für die Erhöhung zu ermitteln.

Im Jahr 2012 liefen große Deichbauarbeiten an der Oste. Foto: Christian C. Schmidt
Auch Wolfsrisse waren ein Thema. Pönitz mahnt: „Die Schäfer mit ihren Schafen sind extrem wichtig für die Deichunterhaltung. Wenn die Schäfer aufgrund der zunehmenden Gefahr durch Wolfsrisse aufgeben, haben wir keine Deichunterhalter mehr.“
Fest stehe, dass eine maschinelle Unterhaltung nicht zu den qualitativ guten Deichen führe, wie sie aktuell bestehen. Die feste Grasnarbe schützt die kleiummantelten Sandkerne der Deiche.
Küstenschutzkonferenz im Januar in Stade
„Leider werden die Zukunftsaufgaben im Küstenschutz von Land und Bund immer noch viel zu langsam angegangen“, sagt Landrat Kai Seefried. Er fordert mehr Personal beim NLWKN und ein größeres Budget. Der Landrat hat für Januar 2024 zur Küstenschutzkonferenz in Stade eingeladen. Umweltminister Christian Meyer (Grüne) hat zugesagt.
Auch der „Generalplan Elbe“, der gemeinsam mit den Nachbarkreisen beiderseits der Elbe und mit Hamburg zu Themen wie Sedimentmanagement, Naturraum- und Küstenschutz erstellt werden soll, steht weiter auf der Kreis-Agenda. Die Abstimmungsgespräche laufen.
Im Rahmen des größten Deichbauprojektes nach der Sturmflut 1962 müssen Deiche und Sperrwerke im Landkreis Stade um bis zu 2,10 Meter erhöht werden, um dem globalen Meeresspiegelanstieg und stärkeren Sturmfluten standzuhalten.
Der Boden-Bedarf ist enorm: Allein für die 76 Kilometer langen Elbdeiche im Kreis werden in den nächsten 35 Jahren rund 3,9 Millionen Kubikmeter Klei und 2,9 Millionen Kubikmeter Sand benötigt - unter dem Strich sind das 760.000 Lkw-Ladungen.
Mehr als 575 Millionen Euro wird die Ertüchtigung, inklusive des Neubaus von sieben Sperrwerken allein im Kreis Stade kosten, so eine Berechnung des NLWKN von 2022.
Naturschützer verzögern Küstenschutz
Sorgen bereitet den Deichverbänden im Alten Land und in Kehdingen, dass die Planfeststellung für die Deicherhöhungen in Jork stockt. Das grün geführte Ministerium trete auf die Bremse. Der Grund: Der Vorsitzende des Naturschutzbundes (Nabu) in Niedersachsen, Dr. Holger Buschmann, „droht mit dem Ausstieg aus dem Niedersächsischen Weg“, so Oberdeichrichter Wilhelm Ulferts.
Zum Hintergrund: Die SPD/CDU-Koalition hatte vor der Wahl 2022 das Niedersächsische Naturschutzgesetz geändert. Seitdem dürfen Biotope - wie mesophiles, artenreiches Grünland - auf vorhandenen Deichen für Unterhaltung und Bau „ohne Ausgleich“ wie in allen Bundesländern im Norden beeinträchtigt oder zerstört werden, solange kein neuer Naturraum in Anspruch genommen wird.
Der Nabu wolle die Änderung kassieren und zusätzlich Deiche zu Brückenbiotopen machen. Dann müssten allein für die acht Millionen Euro teure klimawandelbedingte Deicherhöhung in Hinterbrack rund 15 Hektar für Öko-Ausgleich gefunden werden.
Doch „Biotop-Gras“ könne die Deichsicherheit mindern. Ulferts: „Der Deich ist kein Biotop, sondern ein rein technisches Bauwerk zum Schutz der Menschen.“ Er mahnt die Einhaltung der Gesetze an - und eine zügige Baugenehmigung.