TL140: Kritiker rüsten sich mit Vereinsgründung für Klage gegen Ausbau

Anwohner gehen auf die Barrikaden: Symbolisch spannen sie in Steinkirchen in der Bürgerei einen Banner „14,20 Meter - Wer kann das wollen?“ über die Straße, laut Bürgermeisterin Sonja Zinke (CDU) wird die Straße inklusive Fußweg an dieser Stelle 13,80 Meter breit. Foto: Vasel
Bürger in Steinkirchen und Grünendeich wollen den Ausbau der L140 notfalls mit einer Klage abwenden. Warum sie dafür einen Verein gegründet haben.
Steinkirchen. Die Arbeitsgemeinschaft Bürgerei Steinkirchen (ABS) stellt sich auf eine langjährige juristische Auseinandersetzung ein. Das haben ihre Sprecher Heino Eckerich und Saskia Tiedemann in einem Gespräch gegenüber dem TAGEBLATT unterstrichen.
Die Steinkirchener und Grünendeicher haben deshalb beschlossen, einen gemeinnützigen Verein zu gründen. Die Kritiker der bislang bekannten Pläne für die Grundsanierung von Fahrbahn und Fußweg im Verlauf der 2300 Meter langen Ortsdurchfahrt in Steinkirchen und Grünendeich wollen Spenden sammeln können, um Fachanwälte, Gutachter und notfalls eine Klage bezahlen zu können.
Bürgerbeteiligung
T Gegen L140-Ausbau: Steinkirchener übergeben fast 2000 Unterschriften
Es sei offen, ob die Anwohner bereits in der ersten Instanz vor dem Verwaltungsgericht Stade die Sanierungspläne zu Fall bringen können. „Wir benötigen rechtlichen Beistand“, sagt Eckerich. Das gelte bereits heute.
Bislang gehen Politik und Verwaltung in Steinkirchen davon aus, dass das Land Niedersachsen in den Jahren 2027 und 2029 die L140 grunderneuern könnte. Im Jahr 2024 war von Gesamtkosten in Höhe von bis zu sechs Millionen Euro die Rede.

Schmucke, teils denkmalgeschützte Altländer Fachwerkhäuser prägen die L140. Foto: Vasel
Die ABS-Sprecher rechnen aktuell nicht damit, dass das Land Niedersachsen und der Rat der Gemeinde Steinkirchen sich auf ihre Seite schlagen werden und unter anderem auf den 1,50 Meter breiten Schutzstreifen für Fahrradfahrer auf der Landesstraße 140 verzichten. Bislang werde der „Bürgerwille ignoriert“, so die Altländer Bürgerinitiative.
Vereinsziel: Umwelt und Ortsbild schützen
Klar sei: Der neue Verein werde sich nicht nur bei der Planung der Ortsdurchfahrt und bei der zukünftigen Fahrradwegeführung einbringen, sondern grundsätzlich für den Erhalt des Ortsbildes und den Umweltschutz einsetzen. Bereits bei der Bürgerbeteiligung gelte es, die Rechte der Anwohner zu wahren. Enteignungen für die neue L140-Trasse sollen verhindert werden - notfalls auch juristisch.
Es gelte, so Saskia Tiedemann, bei der Erneuerung der L140 auch den Klimaschutz stärker in den Fokus zu nehmen. Schon heute heize sich der Bereich stark auf, früher standen mehr Bäume an der Straße. Die Anwohner machen sich für mehr Grün stark. „Einwohnerfeindliche Ortsdurchfahrtspisten“ seien eigentlich längst aus der Zeit gefallen.
In vielen Kommunen habe der Prozess des Umdenkens längst begonnen, Ortsdurchfahrten wurden wieder zurückgebaut. Fahrbahnen aus Asphalt heizten sich stark auf. Tiedemann verwies auf das Beispiel Mannheim. Dort werden neue Grünachsen angelegt, um die Bewohner mit kühlenden Bäumen und Schatten vor der Hitze zu schützen. Hitzestress und Verkehrslärm seien bekanntlich ein hohes Gesundheitsrisiko.

Schmucke, teils denkmalgeschützte Altländer Fachwerkhäuser prägen die L140. Foto: Vasel
Der einst große Baumbestand sei durch die Schaffung von für den Einzelhandel notwendigen Parkstreifen beziehungsweise Parkbuchten in den 1970er Jahren im Vergleich zur Jahrhundertwende schon zurückgegangen. Für die ABS sei es allerdings auch wichtig, das Kulturerbe zu sichern. Die Straße dürfe nicht näher an die Denkmäler - insbesondere die Fachwerkhäuser aus dem 18./19. Jahrhundert - aber auch Pfarrhaus (1880) und Apotheke (1869) sowie St. Martini et Nicolai heranrücken.
Schutzstreifen stößt auf Ablehnung
Beim Thema Fahrradfahren gebe es für die ABS keinen Kompromiss; der vom Land Niedersachsen und Bürgermeisterin Sonja Zinke (CDU) favorisierte Schutzstreifen gefährde die Radler, insbesondere an den Einengungen.
Dass der Kommune möglicherweise Mehrkosten drohen, wenn das Land Niedersachsen die Erneuerung der nicht mehr kombinierten Fahrrad- und Fußwege nicht übernimmt und lediglich die Fahrbahn saniert, befürchtet die ABS nicht.
Der Abwasserzweckverband Altes Land und Geestrand werde seine maroden Leitungen ohnehin erneuern und die Zuleitungen und Rohre für Niederschlags- und Abwasser teils unter den Fußweg legen müssen. In diesem Fall müsse der AZV den Weg wiederherstellen. Damit wären auch hier die Schäden beseitigt.
Die Bürgerinitiative sei „weiterhin gesprächsbereit“, unterstrich Eckerich. Die ABS wolle sich weiter in der Arbeitsgruppe mit Land und Politik einbringen, um den Bürgerwillen durchzusetzen.
Anwohner spannen Protestbanner über die L140
Mehr als 150 Anwohner spannten jüngst ein Protestbanner über die Straße. Sie lehnen den „maßlosen Ausbau der L140“ weiter ab. Die Politik müsse endlich auf den Protest reagieren. 1980 Unterschriften zeigten, dass es in der Bevölkerung keine Mehrheit für den großen Ausbau gebe. Unter den Unterzeichnern waren 1071 Einwohner der Gemeinden Steinkirchen und Grünendeich.
Die ABS nimmt am Dienstag, 2. September, 15 Uhr bis 19 Uhr, im Dorfgemeinschaftshaus Steinkirchen beim Infomarkt der Gemeinde Steinkirchen und der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr zur Grundsanierung der L140 und zum barrierefreien Ausbau der Fußwege und zum Radverkehr durch den Ort teil. Dort wird das Land erstmals Visualisierungen zeigen. Die Politik um Bürgermeisterin Sonja Zinke (CDU) hofft, die Kritiker mit den noch nicht abschließend überarbeiteten Plänen zurück ins Boot zu holen.

Kaputt: Die Ortsdurchfahrt in Steinkirchen muss grundsaniert werden. Foto: Vasel
Copyright © 2025 TAGEBLATT | Weiterverwendung und -verbreitung nur mit Genehmigung.