TNabu würdigt ihren Mut: Karen Stehr aus Neuenfelde stellt auf Bio um

Karen Stehr wirft einen Blick auf ihre schorfresistenten Natyra-Äpfel. Foto: Vasel
Karen Stehr aus Neuenfelde ist vom Nabu in Berlin mit dem Förderpreis „Gemeinsam Boden gut machen“ ausgezeichnet worden. Warum sie ein Vorbild bei der Umstellung auf Ökolandbau ist.
Neuenfelde. „Intakte Böden, sauberes Grundwasser und artenreiche Landschaften - angesichts der sich zuspitzenden Klima- und Naturkrise leisten die ausgezeichneten Landwirte, Obstbauern und Winzer einen wertvollen Beitrag für unsere Ökosysteme“, unterstrich der Vorsitzende des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu), Jörg-Andreas Krüger, bei der Preisverleihung auf dem Umweltfestival in Berlin.
Mit dem Förderpreis „Gemeinsam Boden gut machen“ unterstützt der Nabu zwölf Betriebe in der Umstellungszeit finanziell. In dieser arbeiten die Bauern bereits ökologisch, können allerdings noch keine Bio-Preise erzielen. Der Nabu hat mit Rewe und Alnatura 130 Betriebe auf einer Fläche von 21.000 Hektar seit 2015 mit insgesamt mehr als 3,5 Millionen Euro unterstützt.
Karen Stehr aus Neuenfelde in Berlin ausgezeichnet
Auch eine Altländerin ist jüngst ausgezeichnet worden: Karen Stehr aus Neuenfelde. Die 38-Jährige bewirtschaftet 18 Hektar - unterstützt von ihrer Familie - im Nebenerwerb. Im Hauptberuf arbeitet sie bei einem Großunternehmen im Controlling. Als Vorsitzende des Reit- und Fahrvereins und Kassiererin der Vereinigung zur Förderung von Sport und Freizeit in Neuenfelde erfüllte Stehr die zweite Voraussetzung für den Preis: soziales Engagement. Kita-Kinder aus der Seehof-Siedlung erhalten bei ihr einen Einblick in den Obstbau.

Preisverleihung 2025 im Rahmen des Umweltfestivals in Berlin (von links): Stella Eichhorst (Alnatura), Karen und Simon Stehr (Karen Stehr Obstbau), Steffi Lemke (ehemalige Bundesumweltministerin), Christine Tölle-Nolting (Teamleiterin Landnutzung im Nabu-Bundesverband) und Professor Dr. Hardy Vogtmann (Vorsitzender Beirat „Gemeinsam Boden gut machen“). Foto: GRÜNE LIGA Berlin / Sebastian Hennigs
Als Stehr die Hofstelle im Jahr 2022 übernahm, habe sie angesichts des Klimawandels für sich entschieden: Sie will ökologisch wirtschaften, ohne chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel oder Kunstdünger.
„Das war eine Bauchentscheidung“, so Stehr. Aspekte wie Nachhaltigkeit und Förderung der Biodiversität „sind mir sehr wichtig“, sagt die junge Mutter. Mit regionalem Obst könne sie einen eigenen kleinen Beitrag leisten. Sie verweist darauf, dass Altländer Äpfel aus ökologischer oder integrierter Produktion einen geringeren CO2-Fußabdruck als Importware haben und damit klimafreundlich sind.
Altländerin setzt auf schorfresistente Sorten
Stehr bewirtschaftet zwei Hofstellen. Sie pachtete Land hinzu und investierte kräftig: Auf einer Pferdeweide pflanzte sie die schorfresistente Natyra. Die späte Bio-Apfelsorte ist saftig, knackig und süß im Geschmack - mit leichten Aromen von Birne und einem Hauch von Zitrus.
Mit Bio-Sorten will sie den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf Schwefel- und Kupferbasis reduzieren. Diese sind wichtige Fungizide, die im Öko-Obstbau gegen den Apfelschorfpilz eingesetzt werden. Bio-Sorten wie Topaz und Natyra sollen nach und nach das alte Sortenspektrum der Integrierten Produktion (IP) aus Gala, Elstar, Red Prince und Braeburn ersetzen.
Die Jahre der Umstellung seien mit Blick auf hohe Investitionen und Mehrkosten nicht leicht. Der Arbeitsaufwand ist höher. Drei Mitarbeiter unterstützen sie. Aktuell muss sie ihre Äpfel als Umstellungsware vermarkten. Für diese gibt es weniger Geld als für Bio. Dabei erfüllt sie schon jetzt alle Öko-Vorgaben bei der Produktion. Erst in der Saison 2026/2027 kann das Naturland-Mitglied die Äpfel über die Rolker-Gruppe unter dem Öko-Siegel vermarkten.
Ihr Preisgeld in Höhe von 10.000 Euro soll in eine Solarstrom-Anlage auf dem Apfellangzeitlager fließen, die CA/Ulo- und Kühlräume werden modernisiert.
Umstellung auf Öko kostet viel Arbeit und Geld
Die EU-Kommission hat bis 2030 einen Öko-Anteil von 25 Prozent als Ziel ausgegeben. Die Obstbauern an der Niederelbe kommen bereits auf einen Flächenanteil von 20 Prozent. 60 Betriebe wirtschaften ökologisch und sind Mitglied bei Bioland, Naturland oder Demeter, so Peter Heyne vom Öko-Obstbau Norddeutschland Versuchs- und Beratungsring (ÖON) mit Sitz im Obstbauzentrum Esteburg. Stehr ist auch Mitglied im ÖON. Jeder zweite deutsche Bio-Apfel wird an der Niederelbe produziert. Das sind 50.000 Tonnen. Zur Einordnung: Etwa 300.000 Tonnen werden auf den knapp 500 Betrieben in der Region insgesamt geerntet.

Preisträger der Nabu-Aktion „Gemeinsam Boden gut machen“ vor dem Brandenburger Tor in Berlin. Foto: GRÜNE LIGA Berlin / Sebastian Hennigs
Rund 25 Tonnen ernten die Öko-Erzeuger im Schnitt auf einem Hektar, 30 bis 40 Prozent weniger als ihre integriert produzierenden Kollegen. Geringere Tonnage und Mehrarbeit werden durch höhere Erzeugerpreise von 0,90 bis 1,10 Euro/Kilo kompensiert. Die Durststrecke dauert drei bis vier Ernten.
Eine Natyra-Anlage kostet inklusive Frostschutz rund 50.000 Euro pro Hektar. Mit zehn bis elf Euro sind biozertifizierte Bäume etwa 20 bis 30 Prozent teurer als konventionelle. Die Öko-Bauern, aber auch die IP-Erzeuger, setzen verstärkt auf schorf- und mehltauresistente Sorten. Sie alle wollen aus Umwelt- und Kostengründen so wenig wie möglich Pflanzenschutzmittel einsetzen.
Der Staat fordert die Umstellung in den ersten zwei Jahren mit 1546 Euro pro Jahr und Hektar, im dritten bis fünften mit 987 Euro. Produziert werden überwiegend Tafeläpfel. Diese sollen mit 70 bis 85 Millimetern so groß und so makellos wie IP-Obst sein. Das fordern Verbraucher und Handel. Im Schnitt stellt ein Betrieb im Jahr um, das Bio-Segment wächst. ÖON-Berater Heyne: „Die Umstellung lohnt sich.“
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