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Ratssitzung

T„Quatsch“ und „Frechheit“: Bürgermeister kritisiert Viebrockhaus heftig

Steht weiter zum Verkauf: Blick auf das Dorfgemeinschaftshaus „Zur Schönen Fernsicht“ in Grünendeich.

Steht weiter zum Verkauf: Blick auf das Dorfgemeinschaftshaus „Zur Schönen Fernsicht“ in Grünendeich. Foto: Vasel

Grünendeichs Bürgermeister Nikolai Müller nahm zum Aus der Öko-Siedlung Stellung. Und er berichtete von fehlendem Respekt einiger Bürger.

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Von Björn Vasel
Donnerstag, 31.10.2024, 11:50 Uhr

Grünendeich. Der ehrenamtliche Bürgermeister Nikolai Müller (CDU) gab in der Ratssitzung eine Erklärung zur SmartCity-Planung ab. Der Kommunalpolitiker kritisierte die „bedenkliche Aggressivität“ in der Auseinandersetzung um die zwischenzeitlich gescheiterte Realisierung der 2,3 Hektar großen Öko-Siedlung von Viebrockhaus in Grünendeich.

Bürgermeister Nikolai Müller (CDU) kritisiert die Diffamierung von Kommunalpolitikern.

Bürgermeister Nikolai Müller (CDU) kritisiert die Diffamierung von Kommunalpolitikern. Foto: Vasel

Anfang September musste sich der Bürgermeister beim Oktoberfest von einem Gegner der Öko-Siedlung anhören, dass er früher so jemanden beide Arme gebrochen hätte. Der Politiker vermutet, dass die Drohung vor allem auf den Eigentümer zielte. Müller beklagte, dass Beleidigungen und Bedrohungen zunehmen. Die Schamgrenze falle täglich - nicht nur gegenüber Kommunalpolitikern.

So habe ein Bürger in den sozialen Medien die Lüge in die Welt gesetzt, dass dort Asylanten und Hartz-IV-Empfänger untergebracht werden sollen und ein zweites Altländer Viertel wie in Stade geplant sei. Diese „krasse Fehlbehauptung“ sei „hochgradig widerwärtig“ gewesen, so Müller.

Blick in den Saal: Ratssitzung im Dorfgemeinschaftshaus.

Blick in den Saal: Ratssitzung im Dorfgemeinschaftshaus. Foto: Vasel

„Wir müssen aufpassen, dass wir unsere Menschlichkeit und den Respekt zueinander nicht verlieren. Wir sind alle Nachbarn. Respekt heißt auch, die Meinung des anderen zu respektieren“, sagte Müller unter Beifall des Rates und mahnte: „Die Gefahr, dass aus Worten Taten werden, ist immer groß.“

Bürgermeister von Viebrockhaus enttäuscht

Doch der Bürgermeister machte in der Sitzung auch deutlich, dass er von den Investoren aus Harsefeld enttäuscht sei. Viebrockhaus war Ende September aus dem Projekt ausgestiegen. „Wir bauen nicht, wenn wir in einer Gemeinde nicht willkommen sind“, hatte Viebrockhaus-Vorstandschef Dirk Viebrock verlautbart.

Das sei „Quatsch“, unterstrich Müller und betonte, dass eine Mehrheit im Rat immer hinter dem Projekt gestanden habe. Ihnen gegenüber habe das Unternehmen immer wieder betont, dass Kritik aus der Nachbarschaft das Unternehmen nicht abhalten werde und Klagen normal seien.

Er kritisierte auch, dass Viebrock die Beratung der Initiative beim Thema Bürgerbegehren als Grund angeführt habe, das Projekt zu beerdigen. Laut Paragraf 33 (3) des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetz müssten Bürger, die ein Bürgerbegehren einreichen wollen, auf Verlangen in rechtlichen Fragen des Bürgerbegehrens durch die neutrale Verwaltung beraten werden. Deshalb habe der Rückzug für ihn einen Beigeschmack.

Die Vertreter von CDU, SPD, Grünen und FWG vermuten wie Müller, dass Viebrockhaus seine wahren Gründe - mit Blick auf weitere Bauvorhaben - offenbar nicht genannt habe. Müller sprach von einer fahlen Ausrede: „Ich finde es eine Frechheit, die Schuld auf uns abzuwälzen.“ Das sei unfair. Es habe eine Mehrheit für die Öko-Siedlung gegeben: „Viebrockhaus war und ist in der Gemeinde willkommen.“

Politik und Bürgerinitiative wollen jetzt noch einmal das Gespräch suchen. DIe BI machte deutlich, dass Hass und Hetze in ihren Reihen nicht geduldet werde.

Gerd Dehmel (CDU) kritisiert Samtgemeindebürgermeister Timo Gerke für seine Kommentare nach dem Scheitern, der habe bei Baugebieten überhaupt keine Kompetenz. B-Pläne seien allein Sache der Mitgliedsgemeinden.

Grünendeich hofft auf Verkauf der Fernsicht

Es ist nicht das einzige Thema, das für Verdruss sorgt, denn viel bewegen können die Grünendeicher aktuell nicht. Auf der Kommune lastet ein Schuldenberg von 669.000 Euro. Die Fernsicht hängt den Politikern wie ein Klotz am Bein. 55.000 Euro kostet der Unterhalt der Traditionsgaststätte im Jahr.

Blick vom Kaffeegarten auf die Fernsicht in Grünendeich.

Blick vom Kaffeegarten auf die Fernsicht in Grünendeich. Foto: Vasel

Der Großteil der Einnahmen wird über Umlagen an Samtgemeinde und Landkreis weitergereicht. Diese kassieren insgesamt 1,94 Millionen Euro. 2025 wird mit einem Minus von 35.000 Euro gerechnet. Immerhin: Damit am Lühe-Anleger die Parkgebühren auch mit EC-Karte bezahlt werden können, sollen zwei Automaten, binnen- und außendeichs, für 7.500 Euro umgerüstet werden.

Die Kommune hofft deshalb weiterhin auf einen Verkauf der Fernsicht. Maklerin Debbie Klijn (Evernest) hat ein Youtube-Video ins Netz gestellt, Bürgermeister & Co. preisen die Immobilie an.

639.000 Euro wollen die Kommunalpolitiker durch den Verkauf einnehmen. Seit 2019 soll das im Jahr 1890 erbaute, denkmalgeschützte Traditionslokal veräußert werden. Pläne gab es einige. Erlebnisbrennerei, Kunstmuseum, Pflegeheim und Wellness-Resort mit Swimmingpool und Tiny-Houses waren im Gespräch.

Altländer planen Wasserspielplatz am Elbdeich

Doch die Altländer hoffen weiter auf einen Befreiungsschlag. Sollte die Fernsicht im nächsten Jahr einen neuen Eigentümer finden, sollen 50.000 Euro in einen Wasserspielplatz in Mojenhörn fließen. „Wir hätten dann wieder liquide Mittel“, unterstreicht Gemeindedirektorin Henrike Lühders.

So sah der Entwurf für den Wasserspielplatz am Alten Hafen in Grünendeich an der Lühe aus.

So sah der Entwurf für den Wasserspielplatz am Alten Hafen in Grünendeich an der Lühe aus. Foto: Vasel

Das Wasserbautechnikfreigelände für Kinder und Familien gehört zum Welterbeprojekt. Es sollte ursprünglich am Alten Hafen in Grünendeich entstehen. Das Büro Erlebniskontor hatte 2019 ein Konzept vorgelegt. Im Grunde soll(te) eine Art Miniatur-Marsch geschaffen werden, auf der Wasserbau seit der Hollerkolonisation des 12. Jahrhunderts, wie Kleigraben für Deichbau, an Mitmachstationen erlebbar wird.

Das Schilling‘sche Brack ist eine Station des Hollerwegs in Grünendeich.

Das Schilling‘sche Brack ist eine Station des Hollerwegs in Grünendeich. Foto: Vasel

Dieser war und ist ein Baustein des Hollerwegs mit seinen 20 Zeitfenstern, einer App und der Wasserbaulichen Ausstellung im Museum Altes Land in Jork. Die Altländer hoffen, dass über Leader-Region und Dorfentwicklung ab 2025/2026 Fördermittel akquiriert werden könnten.

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