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Obstbau

TSo früh wie nie: Ernte der Süßkirschen im Alten Land startet

Obstbauer Henning Ramdohr (links) erntet mit seinem Mitarbeiter Kenan Cicek die ersten Kirschen, es handelt sich um die Sorte Naprumi.

Obstbauer Henning Ramdohr (links) erntet mit seinem Mitarbeiter Kenan Cicek die ersten Kirschen, es handelt sich um die Sorte Naprumi. Foto: Vasel

Im Alten Land hat die Zeit der Süßkirschen begonnen. Obstbauer Henning Ramdohr aus Hollern erntet aktuell Sorten wie Naprumi. Der frühe Start ist außergewöhnlich.

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Von Björn Vasel
Sonntag, 02.06.2024, 07:00 Uhr

Hollern. Auf die frühe Blüte folgt die frühe Ernte: Im Monat Mai hat Obstbauer Henning Ramdohr aus Hollern in den vergangenen Jahren keine Süßkirschen geerntet. „Wir sind in diesem Jahr so früh wie nie“, sagt der Altländer.

Ramdohr blickt in seine Aufzeichnungen. Im vergangenen Jahr legten seine Mitarbeiter am 19. Juni los, im Jahr 2022 waren die ersten Frühsorten um den 13. Juni reif. Aktuell erntet er die aromatische, sehr saftige, süße und festfleischige Sorte Naprumi.

In vier Wochen folgen die beliebten Knupper-Sorten

Die frühe Herzkirsche mit hohem Saftgehalt eignet sich insbesondere für den Frischmarkt. Deshalb bauen viele Obstbauern wie auch Ramdohr diese für die Direktvermarktung im Hofladen oder für den Wochenmarkt an. „In etwa vier Wochen folgen die Knupper-Sorten wie Regina“, sagt der Obstbauer, der den Hof bereits in neunter Generation bewirtschaftet.

Regina bleibt die Königin unter den Kirschen

Aktuell kostet die 500-Gramm-Schale knapp 4 Euro. „Wir pflücken täglich frisch“, sagt Ramdohr. 20 Sorten baut er im Freiland und in Dachkirschenanlagen auf zwei Hektar an.

Im Fokus stehe weiter Regina. Diese ist eine echte Altländerin. Sie wurde in den 1950er Jahren von der Obstbauversuchsanstalt aus den Muttersorten Schneiders späte Knorpelkirsche und Rube gezüchtet. Regina dominiert den Anbau weltweit. Sie belegt bei Neupflanzungen mit 32 Prozent Platz 1 an der Niederelbe, gefolgt von Areko und Kordia.

Kirschanbau stagniert wegen Kostenexplosion

20.000 Bäume wurden 2022/2023 gepflanzt. Das sind allerdings deutlich weniger als in den Vorjahren. 41.884 Süßkirschenbäume seien 2013 bis 2023 im Schnitt gepflanzt worden. Die Gründe für den Einbruch kennt der Steinobstexperte des Obstbauzentrums Esteburg, Martin Kockerols. Der Mindestlohn ist von 12 Euro (2023) auf 12,41 Euro in Deutschland gestiegen, in den vergangenen sechs Jahren stiegen die Lohnkosten um fast 50 Prozent.

Kirschernte: Mehr als 15 Kilogramm pflücken Erntehelfer wie Kenan Cicek pro Stunde.

Kirschernte: Mehr als 15 Kilogramm pflücken Erntehelfer wie Kenan Cicek pro Stunde. Foto: Vasel

Diese betragen mehr als ein Drittel bei den Produktionskosten. Doch nicht nur die Arbeitskosten seien gestiegen, sondern auch die Pflanzenschutzmittel und die Energie seien teurer geworden. Die Kirsche ist lohnintensiv.

Zur Einordnung: Die Produktion von 100 Kilogramm Äpfeln schlägt mit einer Stunde zu Buche, bei den Kirschen sind es elf Stunden. Deshalb sind die Anbauflächen leicht rückläufig. Knapp 450 Hektar sind es heute. Zwei Drittel sind mittlerweile Dachkirschenanlagen. 200 von knapp 500 Obstbauern an der Niederelbe setzen heute noch auf die Kirsche, der Apfel dominiert mit 9800 Hektar.

Der Großteil der Frühsorten wird noch unter Netz angebaut, die Hauptsorten unter Dach.

Der Großteil der Frühsorten wird noch unter Netz angebaut, die Hauptsorten unter Dach. Foto: Vasel

Deutlich mehr als 120.000 Euro kostet eine Dachkirschenanlage heute. Die Zeiten, als sich diese Investition nach zehn Jahren über die höheren Preise amortisiert hatte, sind vorbei. Die Dachkirschenanlage soll wie ein Regenschirm nicht nur das Platzen der Süßkirschen bei Regen verhindern, sondern das Steinobst durch die Netze an den Seiten vor der sexsüchtigen und fortpflanzungsfreudigen Kirschessigfliege schützen. „Der Schädlingsdruck ist aufgrund des milden Winters hoch“, sagt Kockerols.

Der Selbstversorgungsgrad in Deutschland schwankt und liegt bei 30 bis 50 Prozent. Türken, Italiener, Spanier und Griechen machen den Deutschen mit Dumpingpreisen den Platz in den Regalen der Supermärkte und Discounter streitig. Die Obstbauern hoffen, dass ihre höheren Sozial- und Umweltstandards an der Kasse honoriert werden.

Tipps für die Verbraucher

Tipp: Das vitamin- und nährstoffreiche Obst sollte nach dem Kauf möglichst schnell gegessen werden, im Kühlschrank halten sich Kirschen zwei bis drei Tage. Ihre sekundären Pflanzenstoffe stärken das Immunsystem. Ganz wichtig: Den grünen Stiel erst nach dem Waschen abzupfen. Das schont das Aroma und verhindert, dass die Frucht verwässert.

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