TVergleich im Strommast-Streit: Lindemann steht in den Startlöchern

Der Tennet-Portalmast auf dem Obsthof soll abgebaut werden. Ein neuer klassischer Donaumast soll an der Ecke von Schöpfwerkskanal und Wettern vorne links errichtet werden. Foto: Tennet
Startschuss für den Wohnungsbau: Die alte Stromtrasse in Hollern-Twielenfleth kann nach einem Vergleich vor Gericht zurückgebaut werden. Doch der Zeitplan der Tennet sorgt für Verdruss.
Altes Land. Ein Stromkabel verhindert seit Jahren, dass in der Gemeinde Hollern-Twielenfleth hinter der Arztpraxis Erste Meile ein neues Wohngebiet entstehen kann. Der Bebauungsplan Hinterstraße Nord ist bereits seit Oktober 2021 in Kraft. Zwischen den Ortsteilen Hollern und Siebenhöfen könnten bis zu vier Mehrfamilienhäuser entstehen - in zweiter Reihe rund 550 Meter vom Penny-Markt an der L140 entfernt. Im Fokus haben die Altländer junge Familien und Senioren. Das Konzept lautet Mehrgenerationenwohnen.
Die Krux: Ohne den Rückbau einer mittlerweile überflüssigen Stromtrasse dürfen die Bauarbeiter aus Sicherheitsgründen nicht loslegen. Doch ein Obstbauer fürchtete um seine Existenz. Der Grund: Etwa 85 Prozent seiner Pflaumen-, 50 Prozent der Kirsch- und etwa ein Drittel seiner Apfelbäume westlich des Schöpfwerkskanals Holler-Steinkirchener Moor sollten für den Rückbau sowie die Errichtung eines Ersatz-Mastes für die Bahnstromleitung gerodet werden. Ein Rechtsstreit folgte. Ursprünglich wollte Tennet bereits im Herbst 2021 loslegen.
Vergleich macht den Weg frei für Wohnen und Schule
Mittlerweile konnte der Streit mit einem Vergleich vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg beendet werden, bestätigt Tennet-Projektleiter Michael Blum dem TAGEBLATT. Timo Gerke (parteilos), Bürgermeister der Samtgemeinde Lühe, und der ehrenamtliche Bürgermeister von Hollern-Twielenfleth, Dirk Thobaben (CDU), hatten die Einigung beim Neujahrsempfang in St. Marien verkündet. Damit ist der Planfeststellungsbeschluss für den Rückbau seit Ende 2024 „unanfechtbar“ und „vollziehbar“.
Abriss des Strommastes hat Folgen
Doch was ist das Problem? Eine alte, tief hängende Leitung führt westlich des Feriendorfs Altes Land zum stillgelegten, größtenteils bereits abgerissenen Stader Atomkraftwerk. Der Rückbau der neun Strommasten war bereits ein Bestandteil des Planfeststellungsverfahrens für die neue 380-kV-Leitung von Stade nach Landesbergen.
Die Krux: Ohne die alte Leitung würde der Portalmast 10N umkippen. An diesem hängt auch die Bahnstromleitung, die über die beiden 189 Meter hohen Riesenmasten über Lühesand geleitet wird. Hier wirken enorme Kräfte.
Daher muss ein neuer Mast her. Dieser soll in der Form der klassischen Donaumasten, wie sie allerorten an der A26 stehen, auf der Obstplantage errichtet werden. Die Höhe des Neubaumastes 10N soll circa 55 Meter betragen. Der alte Portalmast ist 50 Meter hoch. Kurzum: Erst muss der neue Mast stehen und die 110-kV-Freileitung der Deutschen Bahn AG auf den Neubau übernommen werden. Danach kann die sechs Kilometer lange alte Leitung abgebaut werden.
Tennet rechnet mit Rückbau im Winter 2025/2026
Doch der Rückbau ist nicht einfach, die Ausschreibung komplex, die Vorbereitung kostet Zeit. Tennet muss Baugrunduntersuchungen in Auftrag geben, das Baufeld vor und nach der Ernte gerodet werden. Hinzu kommt: Die Leitung darf nur von Unternehmen zurückgebaut werden, die von der DB AG zertifiziert wurden. Doch Fachfirmen seien aufgrund der Sanierung des Netzes ausgelastet. Tennet will keine Mondpreise zahlen.
Tennet-Projektleiter Michael Blum rechnet deshalb „frühestens in der Wintersaison 2025/2026“ mit dem Abbau der bestehenden 220-kV-Freileitung von Stade bis zum Mast 10. Gerke hofft, dass Tennet schneller loslegt. Der Rathaus-Chef verweist auf das Mehrgenerationen-Wohnen. Ein Investor sei bereits abgesprungen.
Stader Bauunternehmen steht in den Startlöchern
Das Stader Bauunternehmen Lindemann hingegen sitzt weiter im Boot. „Wir stehen in den Startlöchern“, sagt Geschäftsführer Niels Schütte von der Lindemann-Gruppe. Er hofft, dass die Bauarbeiter möglichst bald den Grundstein legen können. Die Stromleitungen hängen zu tief über dem Lindemann-Grundstück. Aus Sicherheitsgründen darf deshalb nicht gebaut werden.

Blick auf das Mehrgenerationen-Projekt von Lindemann in der Hinterstraße in Hollern-Twielenfleth. Foto: Lindemann
Vier Mehrfamilienhäuser sind geplant - mit 22 Wohneinheiten zwischen 70 und 100 Quadratmetern. Nach Rückbau und Baugenehmigung könnten die Gebäude in etwa eineinhalb bis zwei Jahren errichtet werden. Die Nachfrage nach Wohnraum sei im Alten Land groß - vor allem für dieses Konzept. Banner mit der Aufschrift „Neuer Wohnraum“ hängen bereits am Bauzaun.

Das Bauunternehmen Lindemann steht an der Hinterstraße in den Startlöchern, links ist die Arztpraxis zu sehen. Foto: Vasel
Doch Gerke hofft noch aus einem anderen Grund, dass die Tennet-Chefs mehr Tempo machen, denn 2025/2026 stehen Umbau und Erweiterung der Appelsnut Grundschool in Hollern-Twielenfleth für 12,56 Millionen Euro auf der Agenda. Auf der Freifläche zwischen Altbau und Sportplatz soll ein zweigeschossiger Anbau mit acht Klassenräumen errichtet werden. Die Stromleitung führt auch über das Schul- und Sportgelände. Gerke: „Es darf nicht sein, dass die Leitung die Aufstellung der Baukräne verhindert oder verzögert.“