TSpitzenkoch Danny Riewoldt setzt im Alten Land auf Essig

Gäressig-Herstellung im Alten Land: Blick in die Zeit-Genusswerkstatt von Danny Riewoldt in Jork-Hinterbrack. Foto: Vasel
In der Borsteler Mühle komponierte Danny Riewoldt ausgefeilte Menüs. In seiner Genusswerkstatt in einer alten Apfelscheune in Hinterbrack gibt sich der Spitzenkoch jetzt einer weiteren Leidenschaft hin, dem Essigbrauen - und das ist aufwendig.
Jork. Ihr Restaurant Die Mühle in Jork-Borstel zählte zu den Spitzenrestaurants in Norddeutschland - im Oktober vergangenen Jahres war Schluss. Aus gesundheitlichen Gründen hatten Kerstin und Danny Riewoldt dieses Kapitel schweren Herzens nach 13 Jahren beendet.
Der renommierte Restaurantführer Gault Millau sprach vom ausgefeilten Degustationsmenü, Kritiker lobten die „geschmacklich hervorragende, kreative Küche“ in der 1856 erbauten Galerieholländermühle. Die Riewoldts blieben dem Alten Land aber treu.
Spitzenkoch stellt jetzt Gourmetessig her
Mit seiner Zeit-Genusswerkstatt in einer alten Apfelscheune in Hinterbrack hatte sich Danny Riewoldt bereits ein zweites Standbein aufgebaut. In dem Erdgeschoss des umgebauten Wirtschaftsgebäudes liegt die Essig-Manufaktur. Im Obergeschoss serviert der Meisterkoch viermal im Monat ein mehrgängiges Menü.

Kerstin und Danny Riewoldt im Gespräch vor der alten ausgebauten Apfelscheune. In dieser stellt der Spitzenkoch unter anderem seinen Essig her. Foto: Vasel
Während er in der Mühle am Herd stand, blieb ihm wenig Zeit. Er experimentierte vor allem nachts. Mittlerweile stellt Riewoldt seinen Essig in drei Herstellungsverfahren her: Submerse-, Fessel- und Orleans-Verfahren. „Unser Essig ist ein reines Naturprodukt“, sagt der Genusshandwerker. Seine Rohstoffe, vom Obst bis zum Gemüse, bezieht er aus der Region. Er arbeitet unter anderem mit der Mosterei Holst in Hollern-Twielenfleth und dem Spargelhof Werner in Deinste zusammen.
Aus Saft wird Essig
Doch wie funktioniert es? Der frisch gepresste Saft wird in der alkoholischen Gärung, die Fachleute sprechen von der geistigen Gärung, zu Wein vergoren. Dieser hat einen Alkoholgehalt von etwa sechs Prozent. In der zweiten Gärung, der sogenannten sauren, wird dieser zu Essig gebraut. Dabei wird alter Essig hinzugegeben. Der Essig reift in alten Whisky-, in Port- oder in Rotweinfässern.

Alte Fässer. Foto: Vasel
Allerdings verzichtet der Jorker bei einigen Essigen auf die Holznote, hier kommen Stahltanks zum Einsatz. Der Alkoholgehalt der fertigen Produkte liegt unter 0,4 Prozent. Obstessigsorten verfügen in der Regel über fünf Prozent Säure.
Essigherstellung ist zeitaufwendig
Wer Qualitätsessig produzieren will, muss viel Zeit mitbringen. Zwei Jahre ziehen mindestens ins Land, bevor der Essig in die Flasche kommt und vermarktet werden kann. In Fässern aus Kiri- und aus Maulbeerholz lagert Essig, der nach acht Jahren in den Verkauf soll.

Eine Auswahl der Produkte der Zeit-Essigwerkstatt. Foto: Vasel
Die Prozesse sind komplex, nicht nur die Essigmuttter - eine Fäden ziehende, gallertartige Masse aus Essigsäurebakterien - muss er im Blick haben. Strenge Kontrollen und Hygiene seien das A und O.
Riewoldt arbeitet ohne Zusatzstoffe, ohne Zucker
„Gäressig ist ein Naturprodukt. Es gibt wenige, die den Essig so aufwendig herstellen wie wir“, sagt Riewoldt. Seine Maxime laute: keine Zusatzstoffe und Fruchtsaftkonzentrate. Seine Essige schmecken deshalb „spitzer als andere“. Er will „von dem Zug Zucker, Zucker, Zucker runter“. Wer wolle, könne beim Kochen oder bei Salaten oder Desserts auch Ahornsirup oder Honig verwenden.
Seine Apfel-Holunderblüten-, Sauerkirschen- und Pflaumen- oder Spargelessige seien nach dem Öffnen - im Kühlschrank gelagert - ewig haltbar. Deshalb steht auch kein Mindesthaltbarkeitsdatum auf dem Flaschenetikett. Ein naturbelassener Essig bestehe aus lebenden Essigsäurebakterien. Wenn sich eine Essigmutter bilde, könne diese abgeschöpft werden.
Spitzenkoch liebt das Experimentieren
Riewoldt liebt das Experimentieren. In naher Zukunft sollen Gurken-, Tomaten- und Rote-Beete-Essige auf den Markt kommen. Er vermarktet seine Produkte über seinen Online-Shop www.zeit-genusswerkstatt.de und im Lebensmitteleinzelhandel. Hofläden und einige Rewe- und Edeka-Märkte in der Region haben ihn bereits gelistet.
„Es ist klar: Die Genusswerkstatt profitiert vom guten Ruf der Mühle“, sagt Kerstin Riewoldt. Es handele sich um „ein ehrliches Produkt“. Bei der Herstellung soll möglichst wenig Wasser und Strom verbraucht werden. Auch Senf und Negroni-Wermut werden in der alten Apfelscheune hergestellt.

Blick auf die Apfelscheune - im Erdgeschoss wird der Essig hergestellt, im Obergeschoss serviert der Koch sein Essen. Foto: Vasel
Riewoldt kocht jetzt in seiner Küche für die Gäste
Doch Danny Riewoldt macht nach der Schließung der Mühle nicht nur in Essig. Er kocht weiter leidenschaftlich. Seine Menüs gleichen einer Komposition. Feinschmecker aus der Zeit in der Mühle halten ihm die Treue. Viermal im Monat sitzen bis zu 14 Gäste in seiner Küche - an der großen Tafel oder auf den Logenplätzen an der Theke mit unmittelbarem Blick in den Kochtopf.

Blick in die Küche der Genusswerkstatt, links die Tafel. Foto: Andrea Heinsohn Photography
Das online buchbare Dinner in der Genusswerkstatt kostet 150 Euro. Der Preis relativiert sich. Bereits zwei Wochen vorher beginne die Vorbereitung für die Sechs- bis Acht-Gänge-Menüs, der Fond werde Tage vorher angesetzt. Vor der Tür hat er einen Gemüse- und Kräutergarten angelegt.

Blick auf den Gemüsegarten des Kochs und in die Obstplantagen südlich von Hinterbrack. Foto: Vasel
Fisch und Fleisch müssten hochwertig sein. Riewoldt: „Ich will keinen Abfall produzieren, Gemüse - vom Blumenkohl bis zum Kohlrabi - wird komplett verarbeitet.“ Er fermentiert Gemüse, auch Fischsauce stellt der Koch selbst her. Auch die beliebten Pralinen von Kerstin Riewoldt gibt es weiterhin. Die Dinner enden meist in der Küche „mit tollen Gesprächen zwischen wildfremden Menschen“. Aktuell feilt er an einer Sojasauce: „Ich will nicht stehen bleiben.“

Kerstin und Danny Riewoldt sitzen auf Fässern vor ihrer Genusswerkstatt. Foto: Vasel