TWie Handwerker die Kirchen in der Samtgemeinde Lühe wieder hübsch machen

Maler Stefan Koppelmann-Hilck vom Malereibetrieb Adami tauscht sich mit Kirchenvorstand Wilfried Heinsohn über den Stand der Sanierungsarbeiten am Fachwerk von St. Marien in Grünendeich aus. Foto: Vasel
Der Reichtum an Kirchen ist Fluch und Segen zugleich. Jetzt haben die Altländer ein Sanierungsprojekt gestartet. Das stellt die Kirchengemeinde Lühekirchen vor große Herausforderungen.
Grünendeich. Um sechs Uhr haben die Maler Stefan Koppelmann-Hilck und Najib Hassani am Dienstag mit der Arbeit begonnen, um der Nachmittagshitze zu entgehen. Aktuell streichen die Gesellen des Malereibetriebs Adami aus Drochtersen die Südseite der 1608 erbauten St.-Marien-Kirche in Grünendeich.
Feuchtigkeit und Holzwurm hatten dem Fachwerk des einschiffigen Gotteshauses an der viel befahrenen L140 zugesetzt. Die Zimmerer von Oellrich Holzbau aus Hollern-Twielenfleth haben vor Beginn der Malerarbeiten bereits „einige Balken ausgetauscht“, berichtet Kirchenvorstand Wilfried Heinsohn.

Die Handwerker arbeiten mit Hubsteiger und Gerüst. Foto: Vasel
Der Malergeselle Stefan Koppelmann-Hilck hat bereits auf vielen Baustellen gearbeitet - vom Wohnhaus bis zur Schule. „Doch eine Kirche ist immer etwas ganz Besonderes“, sagt der Handwerker. Mit der Arbeitsbühne kann der Maler fast jeden Winkel der in verriegeltem Fachwerk mit Ausfachungen aus Backstein errichteten Kirche erreichen.
Zu Beginn hatten die Handwerker aus Barnkrug die alte Farbe abgeschliffen und die Balken aus Eiche neu grundiert. Jetzt kommt Altweiß auf das Holz, der Farbton der Wetterschutzfarbe liegt irgendwo zwischen einem Rein- und einem Cremeweiß. „Holz arbeitet“, erklärt der Maler. Deshalb ist diese elastisch. Größerer Risse im Holz waren vorher von den Zimmerern mit einer Spezialpaste verfüllt worden.
Kirchen sind für die Altländer Fluch und Segen zugleich
Auch die Türen der Kirche werden neu gestrichen. In dieser Woche wollen die Handwerker in Grünendeich fertig werden, danach sind die Fachwerkfassaden der St.-Bartholomäus-Kirche in Mittelnkirchen und der Turm der St.-Johannis-Kirche in Neuenkirchen an der Reihe. Dort stand bis 1286 ein Kloster.
Der Turm der 1925/1931 nach dem Vorbild des 1615 errichteten Bauwerks bekommt einen neuen Schutzanstrich, so Heinsohn. In Neuenkirchen engagiert sich auch die Landeskirche finanziell. Aktuell steckt die Kirchengemeinde Lühekirchen rund 100.000 Euro in ihre vier Kirchen, in St. Martini et Nicolai zu Steinkirchen sind die Maler im Inneren aktiv. Der Erhalt des Kulturerbes ist nicht einfach. Pastor Olaf Prigge sagt: „Sie alle weisen gravierende Mängel auf, nicht nur im Fachwerk.“

Der spätgotische Altar hat die Jahrhunderte überstanden. Foto: Vasel
Der Reichtum der Altländer war und ist Segen und Fluch zugleich. Denn die freien Marschbauern konnten sich seit dem Mittelalter dank ihrer Einnahmen durch Getreide, Vieh und Obst prachtvoll ausgestattete Kirchen mit Orgeln leisten.
„Die Obsthöfe und die Kirchen bilden mit ihrem Fachwerk ein unverkennbares Markenzeichen der Niederelbischen Kulturgeschichte“, sagt Prigge. Jede Spende helfe, die Gemeindearbeit und die Bausubstanz zu sichern. Der Erhalt der vier Lühekirchen belastet den Haushalt. Die Altländer lieben ihre Kirchen. Seit Jahrhunderten seien sie identitätsstiftende Orte. Sie seien „als Kult(ur)orte unverzichtbar für die Gesellschaft“, betont Prigge.
Spenden sichern Erhalt der Gotteshäuser
Der Kirchenkreis und die Kirchenmitglieder über ein freiwilliges Kirchgeld finanzieren die Arbeiten. Außerdem habe eine Erbschaft den Auftrag ermöglicht. Ein Maurer wird noch die Fugen mit Muschelkalk ausbessern.
2021 hatte die Kirchengemeinde bereits den im Jahr 1625 errichteten Turm der St.-Marien-Kirche in Grünendeich saniert. Die Holzschindeln für den Pyramidenhelm des Glockenturms beschafften die Altländer im Berchtesgadener Land.

Blick auf die schmucke St.-Marien-Kirche in Grünendeich. Foto: Vasel
Der markante Turm steht frei an der Westseite. Die hölzerne Bauweise ist dem Marschboden geschuldet. Der Turm ist rot gestrichen - ähnlich wie Ziegel, einige der Holzschindeln aus Zedernholz als Kupferdachimitat in Grün. 60.000 Euro musste die Kirchengemeinde Lühekirchen seinerzeit in die Hand nehmen. 20 Prozent der Kosten trugen die Altländer selbst, unterstützt wurden sie vom Kirchenkreis Stade und von der Altländer Kirchenstiftung. Zwei der vier Glocken stammen noch aus dem 14. Jahrhundert. Die anderen wurden 1963 und 1991 gegossen und ersetzten die im Ersten Weltkrieg für Kanonen eingeschmolzenen Glocken.
Grünendeich verdankt reichen Stiftern seine Kirche
Der Eingang führt durch das Brauthaus, wo in den früheren Zeiten bei Hochzeiten die Brautpaare vor dem Pastor ihre Eheringe wechselten und die Zehn Gebote mit Erklärungen aufsagten. Maler Hassani macht es schick. Stifterin der Kirche war 1608 eine Schwedin: Margareta Peders Dotte Skuthe aus Lenköping. Sie und ihr Mann, der Geheime Rat Salvius, lebten auf dem nahen Rittergut Adlersburg.

Najib Hassani arbeitet am Brauthaus der 1608 errichteten St.-Marien-Kirche. Foto: Vasel
Der einschiffige Fachwerkbau steht auf einer Sandwurt und ist eine Seefahrerkirche. Im Inneren können Besucher einige Schätze bestaunen, wie einen spätgotischen Passionsaltar und die Gloger-Orgel von 1766. Altar, Kanzel, Taufe und Nordempore mit den Wappen stammen aus den Jahren 1616 bis 1618 - gestiftet von der Familie Oßwaldt von Zesterfleth. Die Zesterfleths waren als Besitzer des Sassenhofes steinreich. Grünendeich wurde 1449 erstmals erwähnt, Vorgängerorte waren samt Kirchen den Sturmfluten zum Opfer gefallen.
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Äußerst seltenes Instrument: Blick auf die Gloger-Orgel von 1766 in der Kirche in Grünendeich. Foto: Vasel