TÄrztemangel im Stader Nachbarkreis: So dramatisch ist die Lage

Was tun? Im Landkreis Cuxhaven fehlen Hausärzte, um die fast 57.000 Einwohner in Loxstedt, Schiffdorf, Hagen und Beverstedt zu versorgen. Foto: Patrick Seeger
Landärzte sind rar. Besonders im Kreis Cuxhaven. In der Not denkt die Kassenärztliche Vereinigung jetzt darüber nach, eine eigene Arztpraxis zu eröffnen. Es wäre die erste in Niedersachsen, wenn man von den Inseln absieht. Doch nicht alle finden das gut.
Landkreis Cuxhaven. Recherchen der „Nordsee-Zeitung“ (NZ) brachten es an den Tag. Tatsächlich steht es um die Versorgung mit Hausärzten im Südkreis, also in Loxstedt, Schiffdorf, Beverstedt und Hagen, noch schlechter als man lange geglaubt hat. Nachdem Oliver Becker seine Praxis in Hagen Mitte Juli überraschend aufgegeben hat, liegt die Versorgungsquote im Südkreis faktisch nur noch bei 68,3 Prozent. Das heißt, jeder dritte Landarzt-Sitz ist dort nicht besetzt.
Jeder dritte Arzt-Sitz im Süden des Kreises Cuxhaven ist nicht besetzt
Zuständig für die Besetzung der Arzt-Sitze ist die Kassenärztliche Vereinigung (KV). Deren Aufgabe ist es, mit den Krankenkassen über Honorare und Arzneimittelbudgets zu verhandeln, vor allem aber die Versorgung mit Ärzten im Land sicherzustellen. Im Süden des Kreises Cuxhaven, wo es genau 38,25 Hausärzte braucht, um die fast 57.000 Einwohner vernünftig zu versorgen, schafft sie das schon lange nicht mehr. Der Ärztemangel ist hier dramatisch. Und das dürfte noch schlimmer werden. Die Hälfte der Hausärzte dort ist inzwischen älter als 60 Jahre, viele suchen händeringend nach einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin, finden aber oft niemanden, der die Praxis übernehmen möchte.
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Dabei legt sich die Kassenärztliche Vereinigung in Regionen wie dem Südkreis mächtig ins Zeug. Überall dort, wo die Ärzteversorgung auf unter 75 Prozent absackt, winken ordentliche Zuschüsse für Landärzte, die sich dort niederlassen wollen. Sie erhalten 60.000 Euro, wenn sie dort eine Praxis eröffnen wollen. Unter bestimmten Bedingungen gibt es sogar 75.000 Euro sowie eine Umsatzgarantie für zwei Jahre obendrauf. Aber offenbar reicht das Lockmittel Geld nicht aus. Jetzt überlegt die KV, zum letzten Mittel zu greifen: „Wir denken darüber nach, eine eigene Praxis im Süden des Kreises Cuxhaven zu eröffnen“, bestätigt Sören Rievers, Geschäftsführer der KV im Bezirk Stade, auf NZ-Nachfrage.
Die KV-Praxis wäre die erste in Niedersachsen abseits der Inseln
Das wäre eine Premiere auf dem niedersächsischen Festland. Der Vorteil eines solchen Modells: Eine solche Praxis wird von einem Geschäftsführer geleitet, die Ärzte könnten angestellt arbeiten. Das würde den Wünschen des Nachwuchses entgegenkommen. Denn die jungen Ärztinnen - es sind heute hauptsächlich Frauen, die Medizin studieren - schrecken oft vor der Selbstständigkeit und damit verbundenen langen Arbeitszeiten des Landarzt-Daseins zurück.
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Doch ausgerechnet bei den Kollegen in der Region, die mit dem Patientenandrang zu kämpfen haben, kommt die Idee der KV-Praxis nicht so gut an. Sie fürchten die Konkurrenz im Gerangel um die raren Fachkräfte. „Eine KV-Praxis hat doch das gleiche Problem wie wir. Viele Kollegen würden Ärzte einstellen, wenn sie welche finden würden“, sagt eine Medizinerin kopfschüttelnd. Das Geld, das die Kassenärztliche Vereinigung für eine eigene Praxis ausgeben müsse, sollte sie lieber in die Anwerbung von Ärzten stecken. Oder den bestehenden Praxen zukommen lassen, beispielsweise als Gehaltszuschuss für eine Anstellung.
Hausarzt: Die KV sollte lieber die bestehenden Praxen stärken
Philipp Kliem, Hausarzt in Loxstedt, dessen Praxispartner sich im vergangenen Winter in den Ruhestand verabschiedet hat, sieht das ähnlich: „Das macht keinen Sinn. Die KV sollte lieber die bestehenden Praxen stärken.“ Für Kliem gibt es eine Reihe von Hürden, die aus dem Weg geräumt werden sollten, um den Beruf wieder attraktiver zu machen. So hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) angekündigt, dass das Budget, also die Obergrenzen für Vergütungen, fallen soll. Auch das Regressrisiko, also dass die Ärzte bei Verschreibungen, die nicht wirtschaftlich seien, persönlich haften, soll durch die Einführung von Bagatellgrenzen verringert werden. „Das sind alles sehr gute Vorschläge. Aber es ist eben bislang nichts passiert“, sagt Kliem. Das sei überfällig. Ebenso wie es nötig sei, die Bürokratie einzudämmen.
„Eigentlich ist das Hausarzt-Dasein einer der schönsten Jobs der Welt“
Eigentlich, so der Hausarzt, sei sein Job einer der schönsten der Welt. Nur die Rahmenbedingungen müssten sich bessern, dann fänden auch mehr Mediziner, die in die Praxen hineinschnupperten, Gefallen daran, ist er überzeugt. Die Arbeit sei sehr abwechslungsreich, zudem habe man einen engen Kontakt zu den Patienten, und das eben über längere Zeit. Anders als im OP-Saal eines Krankenhauses.
Sören Rievers, Geschäftsführer der Kassenärztlichen Vereinigung in Stade, kann die Furcht der niedergelassenen Ärzte vor der KV-Praxis nicht verstehen. „Ich sehe das nicht als Konkurrenz, sondern als Unterstützung.“ Sicher seien Ärzte auf der Suche nach Angestellten, aber es sei doch die Frage, wie intensiv man suche. „Wir wollen nicht in den Wettbewerb treten. Wenn wir Ärzte finden, die im Südkreis arbeiten möchten, würden wir sie immer zuerst an die niedergelassenen Ärzte vermitteln“, verspricht Rievers.