TEigenheim in Buxtehude kaum mehr bezahlbar – Paare erleben Odyssee

Ein Prost aufs Eigenheim: Die eigene Immobilie ist für viele Menschen ein Lebenstraum, häufig aber unerschwinglich. Foto: Frank Rumpenhorst/dpa-tmn
Sie sind jung und haben das Geld. Aber ihr Traum wird sich nur schwer erfüllen lassen. Zwei Paare erzählen von ihrer wachsenden Enttäuschung.
Stade. Eines stellen die vier im TAGEBLATT-Gespräch vorweg klar: Sie wissen, dass sie auf hohem Niveau jammern. Obwohl Jammern nicht der richtige Begriff ist. Vielmehr wird ihnen zurzeit das schwer gemacht, was für die Generationen ihrer Eltern und Großeltern noch selbstverständlich war: der Bau oder Kauf eines Eigenheims.
Zahlen, die schwindelig machen: 800.000 Euro fürs Eigenheim
Die beiden Paare möchten anonym bleiben, nennen nur ihre Vornamen. Angesichts der Zahlen, mit denen sie hantieren, ist das nicht verwunderlich. Um sich ihren Traum zu erfüllen, wären sie bereit, 800.000 Euro zu investieren, ein Großteil davon über Darlehen finanziert. Eine Wette auf die Zukunft und eine hohe Zahlungsverpflichtung.
800.000 Euro, das klingt viel, scheint aber nach Schilderungen der beiden Paare eine realistische Größe zu sein. Annika (30) und Philipp (32) wohnen noch zur Miete in Harburg. Sie hatten vor kurzem ein Grundstück über 750 Quadratmeter im Buxtehuder Stadtgebiet an der Hand - für 400.000 Euro. Dazu kämen dann noch der Neubau mit knapp 150 Quadratmetern Wohnfläche, schlüsselfertig für 450.000 Euro, inklusive Grunderwerbssteuer, Carport und der Garten. Nicht leistbar, obwohl die beiden jeweils als Ingenieure gutes Geld verdienen.
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Livia (28) und Julian (32) wohnen in Hamburg-Hohenfelde zur Miete. Eigentum in Hamburg ist kaum mehr realisierbar, obwohl er als Unternehmensberater liquide und ihr Gehalt als Finanzbeamtin sicher ist. „Wir überlegen schon, wie viel finanziellen Druck wir standhalten würden“, sagt Livia. Der Wunsch nach dem Eigenheim ist bei beiden Paaren groß, auch vor dem Hintergrund, eine Familie gründen zu wollen.
Alte Häuser häufig teuer und nicht nach heutigem Geschmack
Die Paare denken auch daran, dass das Haus und das Leben finanzierbar bleiben müssen, wenn ein Partner wegen Krankheit oder Kinderbetreuung als Gehaltsempfänger ausfällt. Noch ist es nicht so weit. Ohne sich zu kennen, haben sie sich in den vergangenen Monaten häufig dieselben Häuser in Buxtehude angesehen, Immobilien aus den 60er, 70er und 80er Jahren, häufig schwer sanierungsbedürftig und vor diesem Hintergrund viel zu teuer. Dass häufig die Architektur und der Zimmerzuschnitt nicht dem heutigen Geschmack entspricht, macht die Suche nicht leichter.

Der Bau des eigenen Hauses - eine aufregende Phase, nicht nur wegen der anspruchsvollen Finanzierung. Foto: Hauke-Christian Dittrichdpa-tmn
„Ich kenne so viele, die suchen“, sagt Annika, „und auch wir möchten ja irgendwann ankommen.“ Buxtehude soll es unbedingt sein, weil die beiden Frauen aus der Region stammen, die potenziellen Großeltern in der Nähe wären. Und auch wegen der kurzen Wege nach Hamburg, zu den Arbeitsplätzen und um nicht zu viel Lebenszeit mit dem Pendeln zu verschwenden. Dafür sind sie bereit, tiefer in die Tasche zu greifen. Julian zum Beispiel muss häufig zum Flughafen Hamburg, das ist bereits ab Buxtehude ein langer Ritt.
Flächen für Eigenheimbau sind selten geworden
Viel Hoffnung kann ihnen derzeit kaum einer machen. Grundstücke sind in den Städten knapp, ob Buxtehude oder Stade. Neubaugebiete werden häufig für Mehrfamilienhäuser oder Reihenhäuser reserviert, um den Flächenverbrauch in der Natur und für die Landwirtschaft gering zu halten. Wer nicht aufs Land ziehen möchte, wo es deutlich günstiger wird, muss sich in Geduld üben und auch ein wenig Glück haben.
„Die Auswahl ist eingeschränkt“, sagt einer, der es wissen muss. Andre Grote ist Makler und Vorsitzender von Haus & Grund in Buxtehude, dem Zusammenschluss der Immobilienbesitzer. Er spricht von vereinzelten Angeboten. Die Nachfrage sei groß, aber Buxtehude habe keine Flächen. „In Stade kriegst du eher noch was“, sagt Grote.
Je nach Zustand und Standort müssten Käufer einer Gebrauchtimmobilie mit einem Preis zwischen 3500 und 4000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche rechnen. Das Grundstück wäre dann immerhin dabei. Die Lage sei angespannt, viele Immobilien gehen unter der Hand weg. Grotes Forderung: „Die Stadt muss mehr Bauland ausweisen.“
Run auf Buxtehude - und möglichst nah am Bahnhof
Eric Höchel, Makler bei der Sparkasse Harburg-Buxtehude, bestätigt den Run auf Buxtehuder Immobilien - und den Wunsch nach Bahnhofsnähe. Die Nachfrage nach Grundstücken sei ungebrochen. Seine Kollegen vermarkten seit August 2024 ein Neubaugebiet in Pippensen. Alle 28 Grundstücke zum Preis von 275 bis 300 Euro pro Quadratmeter sind entweder verkauft oder reserviert. Derlei Preise wurden vor einigen Jahren noch im Buxtehuder Stadtgebiet verlangt.

Hausbau nach Plan: Ist ein Grundstück vorhanden, passt der Schnitt der Zimmer, ist die Finanzierung leistbar? Interessierte müssen viele Fragen im Vorfeld klären. Foto: Erwin Wodicka - erwin.wodicka@gm
Auf dem Markt für gebrauchte Immobilien sei zwar Bewegung, aber Höchel weiß auch von teilweise überzogenen Erwartungen der Verkäufer. Eine renovierte Immobilie ohne Luxus ab einer Summe von 700.000 Euro sei ein durchaus realistischer Preis. „Das musst du erst mal stemmen können“, sagt Höchel. Annika und Philipp, Livia und Julian können davon ein Lied singen.
Aber was heißt das eigentlich, 800.000 Euro finanzieren zu müssen? Sebastian Helm von der Sparkasse Harburg-Buxtehude ist spezialisiert auf Baufinanzierungen und hat fürs TAGEBLATT ein Beispiel exemplarisch durchgerechnet.
Kreditraten von bis zu 3000 Euro im Monat - wer kann das bezahlen?
Helm rechnet 40.000 Euro Grunderwerbssteuer und 16.000 Euro Notarkosten sowie eine Maklercourtage von 28.560 Euro dazu. Sollte 150.000 Euro Eigenkapital vorhanden sein, blieben 735.000 Euro zu finanzieren. 100.000 Euro könnten über den KfW-Förderkredit gezahlt werden - mit einem Zinssatz von 3,58 Prozent über zehn Jahre. Bei einer Tilgung von 1,5 Prozent käme eine erste Rate zustande von 424,13 Euro pro Monat.

Wird in den Städten Seltenheitswert bekommen: Baugebiete für Einfamilienhäuser. Der Flächenverbrauch ist hoch. Foto: Jan Woitas/dpa
Die zweite ergibt sich aus dem großen Darlehen über 635.000 Euro über zehn Jahre mit einem Zinssatz von 3,73 Prozent. Bei einprozentiger Tilgung macht das 2502,96 Euro im Monat. Summasumarum zahlten die Käufer im Monat 2927,09 Euro für die Darlehen während der ersten zehn Jahre und wüssten heute nicht, wie sich der Zinssatz entwickelt und was sie ab dem elften Jahr zahlen müssten. Die Gesamtlaufzeiten der Kredite betrügen 35 und 42 Jahre. Wer heute 30 Jahre alt ist, hat also erst mit 72 abbezahlt, wenn er keine Sondertilgungen leistet.
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Als Variante berechnet Helm den KfW-Förderkredit wie gehabt und beim Sparkassendarlehen eine zweiprozentige Tilgung, dann wäre das Darlehen nach 32 Jahren abbezahlt. Die gesamte monatliche Rate beliefe sich dann auf 3456,26 Euro. Wer kann das bezahlen?
Müsste nur die Hälfte investiert werden, zum Beispiel für eine Doppelhaushälfte für 400.000 Euro, kämen Raten von 1100 und 1355 Euro pro Monat zusammen. Dafür müssten die Suchenden erst mal fündig geworden sein. Woran liegt es, dass die Situation so schwierig ist?
Angebot ist knapp, Nachfrage groß, Preise sind hoch
Die Bevölkerung im Landkreis Stade wird die kommenden 20 Jahre wachsen. Aktuell sind es circa 211.000 Menschen, die hier leben. Das liegt an der Nähe zu Hamburg und die eigene wirtschaftliche Stärke. Unter Berücksichtigung der Zuzüge könnten laut Prognose im Jahr 2030 ungefähr 217.000 Einwohner im Kreis Stade leben.
Von 1970 bis 2024 hat die Einwohnerzahl im Landkreis Stade um über 40 Prozent zugenommen. Menschen, für die Hamburg zum Kaufen oder Bauen zu teuer ist, suchen ihr Glück im Umland und damit auch hier. Immer mehr Menschen suchen im Landkreis Stade nach Wohnraum, viele möglichst nah an der Großstadt. Das Angebot ist klein, die Nachfrage groß. Das treibt die Preise hoch.
Neu gebautes Reihenhaus schlägt mit 479.000 Euro zu Buche
Ein gebrauchtes Eigenheim in Stade kostete 2024 durchschnittlich 365.000 Euro, ein altes Reihenhaus gab es für 265.000 Euro. Das teilt die Landesbausparkasse (LBS) mit. Die Preise für gebrauchte Immobilien hätten sich im Verlauf des Jahres stabilisiert. Aber: Ein neu gebautes Reihenhaus schlug mit 479.000 Euro zu Buche.
Fazit: Wer in den Hansestädten bauen und kaufen will, braucht in der Regel viel Geld. Wer zur Mittelschicht gehört, wird sich in den Städten kaum Eigentum leisten können, schrieb das TAGEBLATT schon während seiner Themen-Woche „Bauen und Sanieren“ im Oktober 2024. Und so wird es wohl bleiben.