Bericht: RAF-Terrorist Garweg meldet sich aus Untergrund

Ein Video soll das Aussehen von Burkhard Garweg (56) zeigen. (Archivaufnahme) Foto: LKA Niedersachsen
Ein angeblich echter Brief des Untergetauchten taucht auf. Das LKA hüllt sich in Schweigen. Was der mutmaßliche Stader Marktkauf-Räuber geschrieben haben soll.
Premium-Zugriff auf tageblatt.de für nur 0,99 €
Jetzt sichern!
Berlin/Hannover. Der vor Jahrzehnten untergetauchte frühere RAF-Terrorist Burkhard Garweg soll sich aus dem Untergrund zu Wort gemeldet haben. Die Berliner „Tageszeitung“ (taz) veröffentlichte ein Schreiben, das von dem 56-Jährigen stammen soll. Sie beruft sich auf Garwegs Anwälte, die nicht namentlich genannt werden wollten, und eigene Prüfungen zur Echtheit des Briefes. Sprecher des Landeskriminalamts Niedersachsen und der Staatsanwaltschaft Verden erklärten auf dpa-Anfrage, der Zeitungsbericht sei bekannt. Der weitere Umgang damit werde geprüft.
Nach Garweg wird seit der Festnahme seiner mutmaßlichen Komplizin Daniela Klette im Februar in Berlin mit Hochdruck gefahndet.
In dem achtseitigen Schreiben mit dem Titel „Grüße aus der Illegalität“ lässt sich Garweg unter anderem breit aus über das kapitalistische System und dessen „strukturelle und brutale Gewalt“, das es im Zuge einer „sozialrevolutionären Gegenbewegung“ zu überwinden gelte. Von der linksextremistischen Roten Armee Fraktion (RAF), die bis zu ihrer erklärten Auflösung 1998 mehr als 30 Menschen tötete, distanziert er sich nicht.
Ermittlungen wegen Mordes und Raubes
Seit Jahren wird gegen Garweg, den ebenfalls untergetauchten Ernst-Volker Staub (70) und Klette (66) unter anderem wegen versuchten Mordes sowie versuchten und vollendeten schweren Raubes ermittelt. Die drei Ex-RAF-Terroristen sollen zwischen 1999 und 2016 Geldtransporter und Supermärkte vor allem in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen überfallen haben, um ihr Leben im Untergrund zu finanzieren. Diese Taten hatten keinen terroristischen Hintergrund.
So soll Garweg auch für den Raubüberfall im Stader Marktkauf-Center am Heiligabend 2012 verantwortlich sein. Zwei Männer waren damals in das Kassenbüro eingedrungen, hatten drei Angestellte überwältigt und mit dem erbeuteten Geld - mehrere Tausend Euro - in einem silberfarbenen VW-Golf 3 die Flucht ergriffen.
RAF-Terroristin Klette
Stader Marktkauf-Überfall: Kommt jetzt alles ans Licht?
Ex-RAF-Terroristen
Stader Marktkauf-Überfall: Ermittler geben nicht auf – Neuer Aufruf
Zuvor gehörten die drei der sogenannten dritten RAF-Generation an, die bis Anfang der 1990er Jahre Anschläge verübte und Menschen tötete. Klette, die unter falscher Identität in Berlin-Kreuzberg lebte, wurde dort im Februar festgenommen. Inzwischen erhob die Staatsanwaltschaft Verden Anklage gegen sie.
Garweg lebte wohl in Bauwagen
Kurz nach Klettes Festnahme beschlagnahmten Ermittler einen Bauwagen in Berlin-Friedrichshain, in dem Garweg unter dem Decknamen Martin gelebt haben soll. Zuletzt soll sich der 56-Jährige laut Zeugen unter anderem in Hamburg aufgehalten haben.
In dem mutmaßlichen aus seiner Feder stammenden Schreiben bittet Garweg die Menschen um Verzeihung, denen er in der Illegalität seine wahre Identität verschwiegen habe. Zudem forderte er die Freilassung Klettes.
Klette bleibt wegen Raubüberfällen in Untersuchungshaft
Die bleibt weiter in Untersuchungshaft. Allerdings sehen die Richter anders als die Staatsanwaltschaft keinen dringenden Tatverdacht wegen versuchten Mordes. Der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Celle halte die 66-Jährige lediglich für dringend verdächtig, an acht Raubüberfällen in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein beteiligt gewesen zu sein, sagte eine OLG-Sprecherin. Zuvor hatte „Zeit Online“ berichtet.
Der Senat des OLG halte Klette zwar auch wegen eines mutmaßlichen Mordversuchs bei einem Überfall auf einen Geldtransporter im niedersächsischen Stuhr bei Bremen für verdächtig, so die Sprecherin. Allerdings sehe der Senat im Unterschied zur Staatsanwaltschaft keinen dringenden Tatverdacht. Dieser bestehe nur wegen eines besonders schweren Raubversuchs.
Vorwurf muss in Hauptverhandlung geprüft werden
Was den Vorwurf des Mordversuchs angehe, müsste in einer Hauptverhandlung genauer aufgeklärt werden, ob Klette davon möglicherweise zurückgetreten sei - das wäre strafbefreiend, erläuterte die OLG-Sprecherin. Unter einem dringenden Tatverdacht verstehen Juristen, dass die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass jemand eine Straftat begangen hat und damit die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung hoch ist. Dies sei nach der Aktenlage für den Vorwurf des versuchten Mordes aus Sicht des OLG nicht gegeben.
Für die Entscheidung über die Zulassung der Anklageschrift und eine mögliche Hauptverhandlung ist das Landgericht Verden zuständig. Laut Strafprozessordnung muss das Oberlandesgericht bei langer Untersuchungshaft die Haftgründe regelmäßig überprüfen. Über die Anklage will das Landgericht früheren Angaben zufolge im kommenden Jahr entscheiden.