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Interview

TCyclassics-Direktor Wegmann: „Ehrgeiz ist gut, aber nicht um jeden Preis“

Fabian Wegmann ist seit vergangenem Jahr Sportlicher Leiter der Cyclassics. Am Sonntag sitzt er beim Profirennen im Führungsfahrzeug.

Fabian Wegmann ist seit vergangenem Jahr Sportlicher Leiter der Cyclassics. Am Sonntag sitzt er beim Profirennen im Führungsfahrzeug. Foto: Bernd Thissen/dpa

Erstmals starten die Cyclassics in Buxtehude. Der Sportliche Leiter Fabian Wegmann spricht über Sicherheit, die neue Strecke - und richtet einen Appell an die Teilnehmer.

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Von Tim Scholz
Freitag, 15.08.2025, 05:50 Uhr

Hamburg. Er war dreimal Deutscher Meister, gewann die Bergwertung beim Giro d‘Italia und trug 2004 bei der Tour de France das Gepunktete Trikot. 2016 beendete Fabian Wegmann seine aktive Karriere - und wechselte ans Mikrofon. Heute kommentiert der 45-Jährige die Tour de France für die ARD und gilt als einer der profiliertesten Radsportexperten Deutschlands.

Seit vergangenem Jahr ist Wegmann Sportlicher Leiter der Cyclassics und damit verantwortlich für die Streckenplanung bei einem der bedeutendsten deutschen Eintagesrennen. Im Gespräch mit dem TAGEBLATT erzählt er, wie Buxtehude ausgewählt wurde - und was die Zuschauer am Sonntag erwartet.


TAGEBLATT: Herr Wegmann, war Ihnen Buxtehude schon vorher ein Begriff?

Wegmann: Natürlich - vom Namen, aber ich war vorher noch nie dort.

Wie kam Buxtehude als Startort für das Rennen am Sonntag (Start 12 Uhr) ins Spiel?

Wir haben nach neuen Startorten gesucht, die Bürgermeister angesprochen, das Konzept und die Vorteile erklärt. Buxtehude ist uns durch seine wunderschöne Stadt aufgefallen, aber auch das Alte Land für das Jedermann-Rennen. Dort gibt es nicht nur eine tolle Landschaft, sondern auch sehr guten Asphalt.

Sind Sie die Strecke selbst gefahren?

Ja, und ich habe mich gewundert, wie hoch es teilweise geht - 150 Meter im Rosengarten.

Die Strecke des Profirennens.

Die Strecke des Profirennens. Foto: Cyclassics (nomo)

Wenn man, wie Sie, bereits die Tour de France gefahren ist, kann das doch keine Herausforderung sein.

Nein, aber wenn man das mit den letzten Cyclassics vergleicht, geht es etwas mehr rauf und runter. Das ist auch optisch wirklich schön.

Bürgermeisterin Katja Oldenburg-Schmidt und Fabian Wegmann, Sportlicher Leiter der Cyclassics.

Bürgermeisterin Katja Oldenburg-Schmidt und Fabian Wegmann, Sportlicher Leiter der Cyclassics. Foto: Henning Angerer/Cyclassics (nomo)

Bekommen die Fahrer überhaupt etwas davon mit?

Wer in der Spitzengruppe fährt - und ich gehe davon aus, dass sich die schnell bildet - hat kein Auge dafür. Aber wer hinten fährt, schaut schon mal nach links und rechts.

Im vergangenen Jahr gab es viele Stürze und Kritik an der Strecke. Ist der neue Verlauf eine Reaktion darauf?

Mitunter, ja. Wir wollen das Feld etwas entzerren und verhindern, dass es wie im letzten Jahr durch Stürze Verzögerungen gibt. Es hängt ja sehr viel an einer so großen Veranstaltung. Wenn wir eine Stunde später ins Ziel kommen, ist das nicht mehr live im Fernsehen zu sehen.

Haben Sie ein gutes Gefühl bei der Strecke?

Ja. Wir wollen sie so sicher wie möglich gestalten, aber bei 11.000 Teilnehmern lassen sich Stürze nicht völlig vermeiden. Es fahren auch Safer Cycling Guides mit, die unsicheren Fahrern helfen. Und noch etwas: Es gab auch schon Stürze, weil Fahrer Selfies gemacht haben - das ist ein absolutes No-Go.

Der Cyclassics starten am Sonntag in Buxtehude.

Der Cyclassics starten am Sonntag in Buxtehude. Foto: Axel Heimken/dpa

Ist die Streckenplanung schwierig?

Es ist ein riesiger Aufwand. Am Ende kommt nie genau die Strecke heraus, die man sich ursprünglich vorgestellt hat. Man spricht mit den Kommunen, wartet auf Genehmigungen, muss Sperrungen und Baustellen berücksichtigen. Es gibt auch immer mehr Verkehrsinseln, die Hindernisse für Radfahrer sind. Es ist stets ein Kompromiss.

Nehmen die Widerstände zu - wie zuletzt im Kreis Harburg, wo es Kritik am Streckenverlauf und der Kommunikation gab?

Mal mehr, mal weniger. Wir versuchen, auf die Bedürfnisse der Kommunen einzugehen und ihnen den Mehrwert zu erklären. Gerade medial sind die Cyclassics ein Riesenevent.

Gab es in Buxtehude Probleme?

Nein. Anfangs hatten wir noch das Thema Weinfest, das am selben Wochenende stattfindet, aber das fängt ja nicht morgens an. Ich finde, es ist eine super Ergänzung.

Fabian Wegmann.

Fabian Wegmann. Foto: Gregor Fischer/dpa

Worauf dürfen sich die Zuschauer freuen?

Auf ein sprinterfreundliches Rennen.

Trotzdem geht es fünf Mal über den Waseberg in Blankenese - mit bis zu 16 Prozent Steigung.

Genau. Das ist kein L’Alpe d’Huez. Sprinter kommen den Waseberg hoch, aber andere sind dort schneller. Der Berg macht das Rennen spannender: Es ist dort sehr eng, es wird vorher harte Positionskämpfe geben. Jeder ist am Anschlag, wenn er am Berg ankommt.

Sie als ehemaliger Kletterer haben den Waseberg sicher geliebt.

Natürlich! Dort gab es immer viele Zuschauer, und ich rechne diesmal mit noch mehr.

Warum?

Ich habe für die ARD die Tour de France kommentiert und glaube, dass die Leistung von Florian Lipowitz einen Hype ausgelöst hat.

Der deutsche Fahrer Florian Lipowitz.

Der deutsche Fahrer Florian Lipowitz. Foto: Marco Bertorello/AFP/dpa

Woran merken Sie das?

Viele deutsche Fans waren in Frankreich. Die Zahl der Lizenzfahrer und Vereinsmitglieder steigt, mehr Menschen melden sich für Rennen an, es werden mehr Rennräder verkauft.

Wie erklären Sie Lipowitz’ dritten Platz?

Er wartet nicht ab, fährt super offensiv und riskiert viel - das gefällt mir. Er ist extrem stark am Berg, ein sehr guter Zeitfahrer - und er kann über drei Wochen auf hohem Niveau fahren. Alles, was man braucht, um ein großer Rundfahrer zu werden. Was bei Eintagesrennen noch kommt, wird man sehen.

Und die Cyclassics?

Die sind nicht sein Terrain - er liebt die langen Berge.

Lassen Sie sich als Sportlicher Leiter von der Tour inspirieren?

Ja, wir arbeiten mit demselben Veranstalter zusammen und stehen in engem Kontakt. In Frankreich hat der Radsport allerdings einen anderen Stellenwert, auch die Unterstützung aus der Politik ist eine andere. Will man dort den Streckenverlauf ändern, gibt es keine Diskussionen. Polizei und Bürger ziehen auch mit.

Fabian Wegmann.

Fabian Wegmann. Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

Die Dopingdebatte reißt nicht ab. Wie groß ist das Problem?

Es wird immer ein Problem bleiben. Deshalb müssen wir für einen sauberen Sport und vernünftige Dopingkontrollen kämpfen. Der Radsport ist durch ein tiefes Tal gegangen, hat aber hohe Standards gesetzt, was Kontrollen, Blutpass und Verbot von Medikamenten angeht. Ich bin sicher, dass es kein systematisches Doping in Teams gibt - einzelne Fahrer aber wird es immer geben. Wichtig ist, die Fahrer vor den Rennen rauszufischen, beim Rennen selbst hat wohl kaum einer etwas im Blut.

Was tun Sie bei den Cyclassics gegen Doping?

Wir als Veranstalter kontrollieren nicht selbst - und das ist auch richtig so. Der Weltverband beauftragt eine unabhängige Organisation.

Was wünschen Sie sich für Sonntag?

Ich hoffe auf die eine oder andere deutsche Überraschung und darauf, dass die Jedermann-Teilnehmer vorausschauend fahren. Ehrgeiz ist gut, aber nicht um jeden Preis.

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