Bahn-Streik: Notfahrplan für S-Bahnlinie S5 nur zwischen Stade und Neugraben

Auf der Linie S5 zwischen Stade und Hamburg soll einen Notfahrplan geben; ebenso bei der S3 ab Neugraben. Foto: Thomas Sulzyc
Auf die Bauern-Demos folgt der Bahn-Streik: Pendler und Reisende müssen sich ab Mittwoch auf erhebliche Zugausfälle einstellen - auch im Kreis Stade. Dieses Mal dürften die Auswirkungen heftiger ausfallen als zuletzt. Die ersten Notfahrpläne stehen.
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Berlin/Landkreis Stade. Nach vier Warnstreiks bei der Deutschen Bahn in den vergangenen neun Monaten wird es für Fahrgäste im Kreis nun ernster: Der Streik der Lokführergewerkschaft GDL kann wie geplant stattfinden. Das Hessische Landesarbeitsgericht hat am Dienstag in Frankfurt einen Antrag der Deutschen Bahn auf eine Einstweilige Verfügung gegen den Streik abgelehnt.
Bahnkunden müssen sich bis einschließlich Freitag auf zahlreiche Zugausfälle und Verspätungen einrichten. Auch das Regio-Bahnunternehmen Transdev scheiterte in einem zweiten Eilverfahren mit ihrem Antrag auf eine Einstweilige Verfügung gegen den Streik.
Wann wird gestreikt?
Die Arbeitsniederlegung begann bereits am Dienstagabend im Güterverkehr. Vom frühen Mittwochmorgen (2 Uhr) an wird auch im Personenverkehr gestreikt. Enden soll der Ausstand erst am Freitagabend um 18 Uhr. Der Personenverkehr dürfte damit an drei Tagen heftig getroffen werden.
„Bitte verschieben Sie ihre Reise“, schreibt die DB zu den erwarteten Auswirkungen. Die Bahn geht davon aus, dass der Lokführerstreik bundesweit Millionen Kundinnen und Kunden trifft.
Der Notfahrplan für den Fernverkehr der Deutschen Bahn sieht lediglich rund 20 Prozent des sonst üblichen Angebots vor, wie Bahn-Sprecherin Anja Bröker mitteilte. Das entspricht den Auswirkungen, die auch während der beiden vorherigen GDL-Warnstreiks aufgetreten waren. Der Notfahrplan sowohl für den Fern- als auch den Regionalverkehr wurde in den Online-Fahrplanauskünften hinterlegt. Zudem wurde eine kostenlose Rufnummer (08000/996633) für Kundenfragen geschaltet.
Welche Züge fahren im Kreis Stade?
Für das Hamburger Streckennetz arbeitet der Konzern derzeit an einem Notfahrplan. „Wir werden ein Grundangebot anbieten“, kündigt ein Bahn-Sprecher an. Folgende Strecken sollen bedient werden, wobei die genau Taktung erst am Mittwochmorgen feststehe, hieß es weiter. Die neu geschaffene S5 verkehrt demnach lediglich im Pendelbetrieb zwischen Stade und Neugraben. Dort ist ein Umstieg in die S3 notwendig. Zuletzt im Dezember konnten S-Bahnen zwischen Stade und Neugraben im 60-Minuten-Takt verkehren.
- S5: zwischen Stade und Neugraben
- S3: zwischen Neugraben und Pinneberg
- S1: zwischen Wedel und Blankenese; zwischen Blankenese und Airport; zwischen Ohlsdorf und Poppenbüttel
- S2: zwischen Altona und Aumühle
Der Hamburger Verkehrsverbund (HVV) rechnet im Regionalverkehr mit starken Beeinträchtigungen. „Fahrgäste werden gebeten, nach Möglichkeit U-Bahnen und Busse zu nutzen.“ Diese werden nicht bestreikt.
Ersatzverkehr mit Bussen bei Start Unterelbe
Die „Züge verkehren vereinzelt“, teilt Start Unterelbe für die Strecke von Cuxhaven nach Hamburg-Harburg mit. „Hier unterliegen wir jedoch dem dynamischen Streikgeschehen“, heißt es gegenüber dem TAGEBLATT.
Das Unternehmen hat bereits einen Ersatzverkehr mit Bussen im Zweistundentakt zwischen Stade und Cuxhaven eingerichtet und informiert: „Bitte beachtet, dass hier nur begrenzte Bus-Kapazitäten zur Verfügung stehen und der Ersatzverkehr mit Bussen von den Bauernprotesten eingeschränkt werden könnte.“

Ersatzverkehr mit Bus für einzelne Zugleistungen mit Halt an allen Unterwegshalten am 10.01.2024, veröffentlicht von Start-Unterelbe. (Stand: 09.01.2024; 13:00 Uhr) Foto: Start-Unterelbe
Erst Züge wurden bereits am Dienstagabend ersatzlos gestrichen. Grund war jedoch ein defektes Stellwerk.
Die NordWestBahn rund um Bremerhaven und im Landkreis Cuxhaven rechnet ebenfalls in allen Netzen ebenfalls mit massiven Einschränkungen. Aktuell werde mit Hochdruck daran gearbeitet, einen Busnotverkehr einzurichten, heißt es in einer Mitteilung. Es wird aber auch darauf hingewiesen, dass dieser die Kapazitäten des normalen Fahrplans auffangen kann. Generell wird empfohlen, mehr Zeit einzuplanen.
Wer im Landkreis nicht streikt
Züge von Metronom und Erixx sind nicht vom Streik betroffen. Hintergrund: Die Tarifverhandlungen der Netinera Deutschland GmbH mit der GDL konnten Ende 2023 erfolgreich abgeschlossen werden. „In enger Zusammenarbeit wurde beispielsweise vereinbart, die 35-Stunden-Woche für das Fahrpersonal bis 2028 einzuführen“, teilt das Unternehmen mit.
Der Bahn-Streik könnte sich aber auch auf Fahrten mit Metronom und Erixx auswirken. Neben Teilausfällen und Verspätungen rechnet der Konzern mit einem erhöhten Fahrgastaufkommen.

Im DB-Fernverkehr dürfte erfahrungsgemäß nur jeder fünfte Zug fahren. Foto: Julian Stratenschulte/dpa
Dies gilt genauso für die Reisende, die mit der EVB unterwegs sind. Die genaue Situation sei derzeit noch nicht abzuschätzen, so EVB-Sprecherin Andrea Stein. Definitiv könne man allerdings sagen, dass die EVB nicht bestreikt werde: „Alles, was zwischen Buxtehude und Sellstedt unterwegs ist, verkehrt planmäßig“, lautet die positive Nachricht für Nahverkehrskunden.
„Sobald wir mit unseren Zügen auf DB-Gebiet kommen, wissen wir allerdings nicht, was passiert“, schränkte Stein ein. Die Erfahrung vergangener Streikwellen lehre nämlich, dass es im Bereich des Denkbaren liegt, dass Stellwerke mit in der GDL organisierten Fahrdienstleitern besetzt sind. In solchen Abschnitten könnte der Zugverkehr ebenfalls zum Erliegen kommen.

Auf DB-Gebiet könnte es auch für die EVB zu Einschränkungen kommen. Foto: Christoph Schmidt/dpa
Ab wann herrscht wieder Normalität?
Auch nach Streikende am Freitagabend wird absehbar kein allzu großes Zugangebot auf der Schiene unterwegs sein. Die Bahn dürfte sich wie zuvor auf einen reibungslosen Betriebsstart am Sonnabend konzentrieren. Details hat der Konzern noch nicht bekanntgegeben.
Welche Regionen sind besonders betroffen?
Erfahrungsgemäß sind gerade in den ostdeutschen Bundesländern sowie im Südwesten viele Beschäftigte bei der GDL organisiert. Dort dürfte daher im Regionalverkehr vielerorts so gut wie nichts mehr gehen.
Was passiert mit meinem Ticket?
Alle Fahrgäste, die ihre für Mittwoch bis Freitag geplante Reise aufgrund des Streiks verschieben möchten, können ihr Ticket zu einem späteren Zeitpunkt nutzen. Die Zugbindung ist aufgehoben. Das Ticket gilt dabei für die Fahrt zum ursprünglichen Zielort, auch mit einer geänderten Streckenführung.
Sitzplatzreservierungen können kostenfrei storniert werden. Zudem haben Fahrgäste die Möglichkeit, ihre Reise auch noch auf Dienstag vorzuverlegen. Fällt der gebuchte Zug aus, ist auch eine komplette Ticketerstattung möglich.
Sind weitere Bahnunternehmen vom Warnstreik betroffen?
Außer den genannten Unternehmen, die direkt bestreikt werden, können theoretisch alle anderen Bahnunternehmen ihre Fahrten anbieten. Die GDL vertritt bei der Bahn hauptsächlich Lokführer und das Zugpersonal. Fahrdienstleiter, die den Zugverkehr bundesweit koordinieren, sind zwar ebenfalls zum Warnstreik aufgerufen. Aber nur wenige von ihnen sind GDL-Mitglieder. Das Schienennetz dürfte also in weiten Teilen des Landes grundsätzlich befahrbar sein.
Wieso streikt die GDL?
Die Gewerkschaft will in der aktuellen Tarifrunde vor allem eine Absenkung der Wochenarbeitszeit für Schichtarbeiter von 38 auf 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich erkämpfen. Die Bahn lehnt das rigoros ab. GDL-Chef Claus Weselsky erklärte die Verhandlungen daher für gescheitert und kritisierte, dass mit dem bundeseigenen Konzern keine Kompromisse zu finden seien.
Zusätzlich zur Arbeitszeitabsenkung fordert die Gewerkschaft 555 Euro mehr pro Monat sowie eine Inflationsausgleichsprämie. Die Bahn hatte elf Prozent höhere Entgelte bei einer Laufzeit von 32 Monaten angeboten sowie ebenfalls die Inflationsausgleichsprämie.
Wie sieht die Lage am Verhandlungstisch aus?
Zurzeit schlecht. Die Gewerkschaft und die Bahn haben sich in dem Tarifkonflikt festgefahren, zumindest offiziell wird seit mehreren Wochen nicht mehr verhandelt. Das von der Bahn vergangene Woche präsentierte Angebot hat daran nichts geändert.
Der Konzern schlug darin vor, bestehende Wahlmodelle bei der Arbeitszeit auszuweiten. Bisher können sich Beschäftigte entscheiden, ob sie mehr Geld, mehr Urlaub oder weniger Wochenarbeitstage haben wollen. Sie können etwa ihre Arbeitszeit von 39 auf 37 Wochenstunden verringern, bekommen dafür aber 5,7 Prozent weniger Lohn.
Die Bahn bietet an, die Wochenarbeitszeit in diesem Modus bis auf 35 Stunden verringern zu können. Wer möchte, könnte zudem für etwas mehr Geld auch bis zu 40 Stunden in der Woche arbeiten. Wer sich für kürzere Arbeitszeiten entscheide, müsse dafür Abstriche bei einer tariflich vereinbarten Lohnerhöhung machen, betonte die Bahn. Die GDL sieht in dem Vorstoß der Bahn kein Angebot, über das man verhandeln könne.
Die Bahn forderte die GDL zu weiteren Verhandlungen auf. Die GDL müsse „endlich den Weg des Kompromisses einschlagen“. „Die GDL will eins zu eins ihre Forderungen durchsetzen, andernfalls streikt sie. So funktionieren Tarifverhandlungen aber nicht“, sagte Florian Weh, Hauptgeschäftsführer des DB-Arbeitgeberverbands AGV MOVE. „Wir haben uns bewegt, jetzt ist die GDL an der Reihe.“
Müssen Arbeitnehmer trotz Streiks pünktlich auf der Arbeit sein?
Streikt Bahnpersonal, stellt sich für viele Beschäftigte die Frage: Muss ich trotz ausfallender Züge pünktlich im Betrieb erscheinen?
In der Regel ja. Das sogenannte Wegerisiko trägt der Arbeitnehmer, erklärt der Berliner Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Bredereck. „Wenn ich nicht zur Arbeit komme, gilt der Grundsatz: ohne Arbeit kein Geld.“
Auch eine Abmahnung ist möglich, wenn man gar nicht oder zu spät zur Arbeit kommt - zumindest wenn der Streik rechtzeitig angekündigt wurde. Denn in dem Fall könne man in der Regel erwarten, dass Arbeitnehmer sich darüber informieren und andere Verkehrsmittel wählen, so Bredereck. Und zwar auch dann, wenn ihnen dadurch höhere Kosten entstehen, etwa weil sie das Auto nehmen müssen.
Der Fachanwalt gibt allerdings zu bedenken, dass die Kosten für alternative Verkehrsmittel im Verhältnis zu dem Gehalt stehen müssen, das Arbeitnehmer an dem entsprechenden Arbeitstag verdienen würden. „Dass eine Putzkraft ein Taxi nimmt, um zur Arbeit zu kommen, könnte etwa unverhältnismäßig sein“, sagt Bredereck.
Kein Recht auf Homeoffice
Er rät Beschäftigten, die von Zugausfällen betroffen sein können, rechtzeitig Absprachen mit dem Arbeitgeber zu treffen - und konkret nachzufragen, wie man in dem Fall vorgehen soll. Denkbar ist etwa, dass man mit dem Arbeitgeber eine Freistellung vereinbart oder an den Tagen, für die Streik angekündigt ist, Urlaub nimmt. Auch der Abbau von Überstunden oder die Nutzung von Gleitzeit können eine Option sein. „Da sind vernünftige Lösungen gefragt“, sagt Bredereck.
Und wie sieht es mit Homeoffice aus? „Ein Recht auf Homeoffice gibt es nur dann, wenn ich es mit dem Arbeitgeber vereinbart habe, etwa im Arbeitsvertrag, der Betriebsvereinbarung oder im Tarifvertrag“, sagt der Fachanwalt. Das gilt auch an Tagen, an denen man durch Streiks nicht mit der Bahn zum Betrieb kommt. Gibt es keine entsprechenden Vereinbarungen, rät Bredereck auch hier rechtzeitig Absprachen mit dem Arbeitgeber zu treffen. (mit dpa)
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Es ist der erste mehrtägige Streik in der aktuellen Verhandlungsrunde. Die Lage dürfte sich erst am Wochenende beruhigen. Foto: Bernd Wüstneck/dpa