Bahnstreik bremst Pendler aus - Notfahrpläne bei S-Bahn und Start Unterelbe

Im S-Bahn-Verkehr in und um Hamburg wird es erneut auf den Hauptlinien einen Notfahrplan geben. Foto: Sven Hoppe/dpa
Mit dem Streikbeginn der Lokführergewerkschaft GDL ist der Notfahrplan der Deutschen Bahn im Fern-, Regional und S-Bahnverkehr wie geplant angelaufen. Pendler aus dem Kreis Stade müssen an diesem Dienstag wieder mehr Zeit einplanen.
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Landkreis/Frankfurt. (Update: Aktuelle Entwicklung und Taktung der S-Bahn eingefügt)
„Es ist uns gelungen, im Fernverkehr trotz der kurzfristigen Streikankündigung der GDL wieder ein Grundangebot von rund 20 Prozent des üblichen Fahrplans anzubieten“, sagte eine Bahnsprecherin am Dienstagmorgen. Im Regionalverkehr ist das Angebot je nach Region unterschiedlich. Fahrgäste müssen den ganzen Tag über erneut mit großen Einschränkungen im Personenverkehr rechnen. Sie sind gebeten, sich über die Auskunftskanäle der Bahn über ihre Fahrt zu informieren.
Der sechste Arbeitskampf der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) soll am Mittwochmorgen um 2 Uhr enden. Die Bahn scheiterte am Montagabend mit dem Versuch, den Ausstand vor dem Frankfurter Arbeitsgericht juristisch stoppen zu lassen. Sie kündigte daraufhin an, vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht in Berufung zu gehen. Über die Berufung soll erst am Dienstag gegen Mittag - also nach Streikbeginn - verhandelt werden. Sollte das Hessische Landesarbeitsgericht anders entscheiden als das Frankfurter Arbeitsgericht, müsste die GDL ihren Streik unterbrechen. Ein sofortiges Ende der Einschränkungen für Fahrgäste würde das aber nicht bedeuten.
GDL-Chef schließt Streiks über Ostern nicht aus
Die Gewerkschaft kämpft um höhere Gehälter und weniger Arbeitszeit bei der Bahn. Knackpunkt des Konflikts ist weiterhin die Forderung, dass Schichtarbeiter künftig für das gleiche Geld nur 35 Stunden statt wie bisher 38 Stunden arbeiten müssen. In einer Moderation hatte die Bahn einen Kompromissvorschlag akzeptiert. Dieser sah vor, die Arbeitszeit bis 2028 in zwei Schritten auf 36 Stunden zu senken. Die GDL lehnte ab und ließ die Gespräche scheitern. Neue Streiks kündigt sie nun nicht mehr 48 Stunden vor Beginn an, sondern kurzfristiger. Auch Streiks über Ostern hat die GDL mit ihrem Vorsitzenden Claus Weselsky nicht ausgeschlossen.
Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) hatte am Sonntagabend zum nächsten Streik im laufenden Tarifkonflikt mit der Bahn aufgerufen. Im Personenverkehr soll es am Dienstagmorgen ab 2 Uhr für 24 Stunden losgehen, der Güterverkehr wird bereits seit 18 Uhr bestreikt. Die GDL hatte den Streik deutlich kurzfristiger angekündigt als die vorigen Arbeitskämpfe. Mit solchen sogenannten Wellenstreiks will Gewerkschaftschef Claus Weselsky den Druck auf die Arbeitgeber erhöhen.
Notfahrpläne bei S-Bahn Hamburg und Start Unterelbe
Die Bahn bietet trotz der kurzfristigen Streikankündigung erneut einen Notfahrplan im Fernverkehr an. Dieses Grundangebot sei seit dem Morgen über die Online-Plattformen des Konzerns abrufbar, teilte das Unternehmen mit. Bei den vorigen GDL-Streiks bot die Bahn rund 20 Prozent des sonst üblichen Fernverkehrs an. Im Regionalverkehr waren die Auswirkungen unterschiedlich.
„Das Grundangebot für den Regional- und S-Bahn-Verkehr wird schrittweise ergänzt“, heißt es.
Im S-Bahn-Verkehr in und um Hamburg wird es wie bei den Streiks zuvor auf den Hauptlinien ein Ersatzangebot geben. Die genauen Fahrzeiten und Taktungen stünden erst zu Betriebsbeginn fest, hieß es. Diese sind auf der Webseite oder der DB App abzufragen.
Zu erwarten ist, dass die S-Bahnlinie S5 im Stundentakt zwischen Stade und Neugraben verkehrt. Dort ist dann ein Umstieg in Richtung Hamburg notwendig.
Auf folgenden Linien gilt ein Notfahrplan:
- S5: zwischen Stade und Neugraben (60-Minuten-Takt)
- S3: zwischen Neugraben und Pinneberg (20-Minuten-Takt)
- S1: zwischen Blankenese und Wedel; zwischen Hamburg-Airport und Blankenese; zwischen Poppenbüttel und Ohlsdorf (20-Minuten-Takt)
- S2: zwischen Aumühle und Altona (20-Minuten-Takt)

Verkehrt alle 60 Minuten: Die S5 zwischen Stade und Neugraben. Foto: Rabea Gruber/dpa
Fahrgäste wurden gebeten, nach Möglichkeit auf Busse und U-Bahnen auszuweichen. Die Unternehmen EVB, Metronom, Erixx und AKN werden nicht bestreikt, allerdings kann der Ausstand auch auf ihren Verbindungen zu Ausfällen und Verspätungen führen. Auf den EVB-Strecken Cuxhaven – Bremerhaven Hbf – Sellstedt und Buxtehude – Apensen kann der Zugverkehr zumindest zeitweise beeinträchtigt sein.
Laut Notfallplan verkehrten die Züge von Start Unterelbe von Cuxhaven über Stade nach Hamburg/Hamburg-Harburg „vereinzelt“. Die Züge halten zusätzlich in Hamburg-Neugraben. Zudem wird ein Ersatzverkehr mit Bussen zwischen Cuxhaven und Stade eingerichtet.
- Start-Züge in Richtung Hamburg verkehren von Stade aus ab 5.25, 6.45, 7.45, 10.05, 11.05, 13.05, 15.05, 17.05, 18.05, 19.05 und 22.05 Uhr.
- Start-Züge in Richtung Stade fahren um 6.23, 7.23, 9.23, 11.23, 14.23, 19.23, 20.23 und 23.23 Uhr. Außerdem fährt um 18.06 Uhr ein Zug ab Hauptbahnhof über Stade nach Cuxhaven.
Landkreis Stade
Bahnstreik: Notfahrpläne bei S-Bahn und Start Unterelbe
Streiks über Ostern nicht ausgeschlossen
Die Bahn hatte im laufenden Konflikt schon einmal versucht, einen Arbeitskampf der GDL juristisch zu verhindern, hatte dabei aber in zwei Instanzen keinen Erfolg. Nach zuletzt erneut gescheiterten Verhandlungen hatte der Konzern die Gewerkschaft Ende vergangener Woche zu weiteren Gesprächen aufgerufen. Die GDL knüpfte diese an die Bedingung, dass die Bahn ein neues Angebot vorlegen müsse. Das Ultimatum der Gewerkschaft an die Führung des Konzerns war am Sonntagabend gerade etwas über zwei Stunden abgelaufen, da kündigte die GDL den neuerlichen Streik an.
Die Gewerkschaft kämpft um höhere Gehälter und weniger Arbeitszeit bei der Bahn. Knackpunkt des Konflikts ist weiterhin die Forderung, dass Schichtarbeiter künftig für das gleiche Geld nur 35 Stunden statt wie bisher 38 Stunden arbeiten müssen. In einer Moderation hatte die Bahn einen Kompromissvorschlag akzeptiert. Dieser sah vor, die Arbeitszeit bis 2028 in zwei Schritten auf 36 Stunden zu senken. Die GDL lehnte ab und ließ die Gespräche scheitern. Neue Streiks kündigt sie nun nicht mehr 48 Stunden vor Beginn an, sondern kurzfristiger. Auch Streiks über Ostern hat die GDL mit ihrem Vorsitzenden Claus Weselsky nicht ausgeschlossen.
Tarifstreit
GDL-Chef Weselsky: Habe nie gelogen
Bahnvertreter Florian Weh hatte zuvor betont, der Konzern könne sich eine Wiedereinstiegsvereinbarung in Verhandlungen auf Basis des jüngsten Kompromissvorschlags der Moderatoren Thomas de Maizière und Daniel Günther oder den Einstieg in eine formale Schlichtung vorstellen. Die GDL forderte ein weiteres Entgegenkommen der Bahn und zeigte sich nicht dazu bereit, den Streik abzubrechen.
Bahnstreik: Bundesregierung will nicht einschreiten
Angesichts des festgefahrenen Konflikts werden Rufe nach einem Einschreiten der Bundesregierung als alleiniger Eigentümer der Bahn lauter. Man könne die Situation nicht länger laufen lassen, sagte etwa CSU-Generalsekretär Martin Huber am Montagmorgen in der RTL/ntv-Sendung „Frühstart“. „Insofern ist die Bundesregierung gefordert, hier auch mitzuverhandeln und mitzuschlichten.“
Regierungssprecher Steffen Hebestreit stellte in Berlin jedoch klar: „Wir mischen uns in Tarifverhandlungen grundsätzlich nicht ein.“ Die Tarifautonomie gelte auch, wenn es unbequem werde. Änderungen am Streikrecht strebt die Regierung den Angaben zufolge nicht an, auch nicht im Bereich der sogenannten kritischen Infrastruktur.
Wirtschaftsminister Robert Habeck hat beide Parteien für deren Tarifstreit kritisiert. „Bei allem Respekt – dafür habe ich kein Verständnis mehr“, sagte der Grünen-Politiker dem „Tagesspiegel“. Die Beteiligten müssten sich schnell einigen. „Es geht um Millionen von Pendlern, die zu ihrem Arbeitsplatz müssen und große Mengen von Gütern, die unsere Wirtschaft und damit auch das Land dringend braucht.“ Die Streiks dürften nicht dazu führen, dass der Tarifstreit über Wochen auf dem Rücken von Fahrgästen und Wirtschaft ausgetragen werde.
Arbeitgeber: GDL missbraucht Streikrecht
Aus Sicht der Arbeitgeberverbände missbraucht die GDL ihr Streikrecht. „Der erneute Arbeitskampf der GDL bei der Bahn ist unverhältnismäßig und rechtlich fragwürdig“, kritisierte Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, am Montag. „Die Gewerkschaft sollte sofort zurück an den Verhandlungstisch und in eine moderierte Schlichtung einwilligen.“
Der Unternehmervertreter forderte Änderungen im Streikrecht. „Wir benötigen ein Arbeitskampfrecht, das gerade auch für die Infrastruktur angemessene Ankündigungsfristen, Schlichtungsregelungen und Abkühlungsphasen vorsieht.“ GDL-Chef Claus Weselsky agiere ohne Rücksicht und unverhältnismäßig. „Das ist ein Missbrauch des Arbeitskampfrechts, der nicht länger vom Gesetzgeber akzeptiert werden sollte.“
IW: Ein Tag Bahnstreik kostet bis zu 100 Millionen Euro
Der neuerliche Streik hat Auswirkungen für Menschen und Unternehmen im ganzen Land. Wie teuer ist der bundesweite Lokführerstreik für Deutschland? Lässt sich der volkswirtschaftliche Schaden berechnen?
Das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) gibt an, dazu allenfalls Schätzungen vornehmen zu können. Laut Konjunkturexperte Michael Grömling kann ein eintägiger bundesweiter Bahnstreik bis zu 100 Millionen Euro am Tag an Wirtschaftsleistung kosten, sofern die Produktion und die Geschäftstätigkeit der Unternehmen branchenübergreifend gestört werden. „Das hängt auch von der konjunkturellen Lage und dem allgemeinen Funktionieren der Lieferketten ab. Die Kosten steigen bei einem mehrtägigen Streik möglicherweise aber nicht linear, sondern sie multiplizieren sich teils. Das haben in Teilen die Erfahrungen mit den Corona-Lockdowns gezeigt“, sagte Grömling.
Der Streik beeinträchtige die Wirtschaft auf verschiedene Weise: Die Bahn hat dem Ökonomen zufolge 40 Prozent Anteil am deutschlandweiten Güterverkehr. Infolgedessen komme es zu Geschäftsausfällen im Logistiksektor und Einbußen bei deren Kooperationspartnern. Außerdem seien Beeinträchtigungen der Liefer- und Produktionsprozesse in der Industrie sowie Konsum- und Dienstleistungsausfälle zu erwarten.
Ist es der härteste Tarifkonflikt bei der Bahn?
Das kommt darauf an, welchen Maßstab man anlegt. Sowohl was die Dauer des Tarifkonflikts als auch die Zahl der Arbeitskämpfe angeht, war der Tarifstreit zwischen der GDL und der Bahn 2014/2015 härter. Ein ganzes Jahr lang rangen beide Seiten damals um Lösungen. Erst eine formale Schlichtung führte schließlich zur Einigung. Mit zwei Warnstreiks und sechs Streiks brachte die GDL den Verkehr damals immer wieder zum Erliegen.
Die aktuelle Auseinandersetzung läuft seit November. Doch bei der Zahl der Arbeitskämpfe nähert sich die GDL inzwischen an. Nach zwei Warnstreiks im November folgte im Dezember eine Urabstimmung unter den Mitgliedern. Seither sind unbefristete Streiks möglich. Sollte es am Dienstag zum nächsten Arbeitskampf kommen, wäre das der vierte Streik seit der Abstimmung und insgesamt der sechste Ausstand im laufenden Tarifstreit.
Dass der derzeitige Konflikt manchem Fahrgast deutlich länger vorkommen könnte, liegt daran, dass im vergangenen Jahr auch die größere EVG über Monate hinweg über höhere Tarife verhandelte. Auch dabei kam es immer wieder zu Arbeitskämpfen. Nur wenige Monate nach einer Einigung lief dann der GDL-Tarifvertrag aus. (dpa/tip)