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Sonderausstellung

TDie Stadt um 1800: So lebte die Buxtehuder High Society im Rokoko

Mit Handschuhen hebt Das kostbare Seidenkleid aus dem 18. Jahrhundert

Ausstellungskuratorin Jutta Kurbjuhn-Schöler lüftet die Papierlagen, in denen das kostbare Seidenkleid aus dem 18. Jahrhundert sonst wohlverpackt in speziellem Karton im Depot eingelagert ist. Foto: Weselmann

Wie lebten Buxtehuder um 1800? Das Museum ist den Spuren von Bürgern der Stadt nachgegangen. Besondere Objekte erzählen ihre Zeitgeschichte - darunter ein textiler Schatz.

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Von Fenna Weselmann
Donnerstag, 19.09.2024, 13:50 Uhr

Buxtehude. Hansezeit, Stadtbrand, Aufstieg und Untergang der Papierfabrik - viele Ereignisse und Abschnitte der Buxtehuder Vergangenheit wurden bereits in Ausstellungen thematisiert. Mit der neuen Sonderausstellung „Buxtehude um 1800 - eine Spurensuche“ wird nun ein bisher wenig beleuchtetes Kapitel der Stadtgeschichte aufgeschlagen. Glanzpunkt der Schau ist ein seltenes Ausstellungsobjekt.

Das Buxtehude Museum zeigt ein echtes Rokoko-Kleid

Gezeigt wird die Robe einer Buxtehuder Dame. Das Kleid ist ein gut 250 Jahre altes Original aus der Zeit des Rokoko und damit eine echte Rarität. Von historischer Bekleidung dieser Art sind nur wenige Exemplare erhalten, denn Textilien wurden früher zumeist weitergereicht und irgendwann anderweitig umfunktioniert.

Restaurierung und Aufbewahrung sind zudem sehr aufwendig. Licht und Raumklima können schädlichen Einfluss auf das Gewebe nehmen. Deshalb werden Original-Kleider selten ausgestellt. Für die Sonderausstellung hat das Buxtehude Museum jetzt einen solchen Schatz aus dem Depot geholt.

Für die Präsentation wurde eine Expertin engagiert

Normalerweise lagert die Robe sorgsam verpackt in säurefreiem Karton. Rock und Mieder liegen unterfüttert und eingehüllt von Seidenpapier, so dass der Stoff ja keine scharfen Falten schlägt. Ein Säckchen mit Patchouli-Kraut schützt das Kleid vor Mottenbefall.

Textilrestaurateurin Gudrun Hildebrandt drapiert das rostrote Rokoko-Kleid auf einer Figurine

Die Hamburger Textilrestaurateurin Gudrun Hildebrandt bereitet das historische Rokoko-Kleid für die Präsentation in der neuen Sonderausstellung im Buxtehude Museum vor. Foto: Weselmann

Die Präsentation auf einer Figurine erfordert große Sachkenntnis. Mit Gudrun Hildebrandt ist dafür extra eine erfahrene Textilrestauratorin angereist. Drapieren und Befestigen kosten etliche Stunden Arbeit, denn die Expertin muss beim Anpassen an die Figurine sehr vorsichtig vorgehen. Damit das Kleid entsprechend zur Geltung kommt, hat sie das Mieder wie früher geschnürt und ein sogenanntes Fichu gefertigt. Ein solches Tuch bedeckte damals Hals und Dekolleté.

Die Hamburgerin hat die historischen Techniken der Stoffherstellung und -veredelung gelernt. Anhand von Schnitt, Gewebe, Muster und Verarbeitung ist es Fachleuten wie ihr möglich, historische Kleidungsstücke zeitlich einzuordnen. Gudrun Hildebrandt ist begeistert von dem Ausstellungsobjekt: „Rokoko-Kleider sind genau mein Ding.“

Festrobe entstammt einer alteingesessenen Familie

Webart und naturalistisches Blumenornament lassen auf einen in Frankreich hergestellten Gros de Tours schließen, wie er für Mitte des 18. Jahrhunderts typisch war. Dem Schnitt zu urteilen - um 1780 zu eben diesem Kleid geschneidert, das einer alteingesessenen Buxtehuder Familie entstammt. „Das war auf jeden Fall eine Festrobe und kein Alltagskleid“, erklärt die Textilrestauratorin.

Das kostbare Stück ist über Generationen hinweg weitergereicht worden. Dabei wurde es mehrfach angepasst und ausgebessert. Davon zeugen zum Beispiel ersetzte Achselpartien, um Schweißflecken zu kaschieren. Der genutzte Stoff stammt vermutlich von einer entnommenen Rockbahn.

Das Mieder wurde noch an anderer Stelle umgearbeitet. Die sogenannten Engageantes am Ärmelabschluss passen zwar vom Stil, die angesetzten Volants sind allerdings aus dem 19. Jahrhundert zuzuordnender Maschinenspitze. Sichtbares Zeichen neuzeitlicher Veränderung ist ein rotes Band, welches die Taillenkante abschließt.

Blick auf die nachträglich angenähten Haken und Ösen und die ursprüngliche Schnürleiste am Mieder

Im Laufe der Zeit wurde das Kleid mehrfach geändert, wie die angenähten Haken und Ösen und das rote band am Mieder zeigen. In der Schau wird es mit der früher üblichen Schnürung präsentiert. Foto: Weselmann

Bis in die 1990er-Jahre war die Robe im Privatbesitz. Zuletzt soll es als Kostüm für einen Maskenball getragen worden sein. Dem Museum wurde es dann als Schenkung vermacht. Das Kleid ist so weit restauriert, dass es den Zustand der Anlieferung konserviert. Schwachstellen und Risse wurden unterlegt und mittels Spannstichen geschlossen.

Durch die Umgestaltungen ist der Originalschnitt nicht mehr rekonstruierbar. Dafür ist die Robe ein perfektes Beispiel, wie Textilien aus solch kostbarem Stoff immer wieder persönlichen Bedürfnissen und sich wandelnder Mode angepasst wurden. „Gerade das macht dieses Ausstellungsstück interessant und hat es letztlich wahrscheinlich gerettet“, betont Kuratorin Jutta Kurbjuhn-Schöler.

Ausstellung lüftet neue Erkenntnisse zu einer Buxtehuder Familie

Alle Stücke dieser Ausstellung vom Kleid über Möbel bis hin zur Fußfessel kommen aus dem eigenen Fundus. Für die Museumsmitarbeiterin sind solche Objekte, die symbolisch für die Stadtgeschichte stehen, ein Schatz. „Man kommt Personen selten näher als über persönliche Gegenstände“, sagt sie.

Gleichzeitig macht die Schau sichtbar, wie historische Spurensuche funktioniert und wie neu entdeckte Quellen manchmal zu überraschenden Ergebnissen führen. „Wenn ein einzelnes Blatt aus dem Archiv plötzlich alle bisherigen Annahmen über den Haufen wirft, macht das Gänsehaut“, so die Kuratorin. Genau so einen Moment der Erkenntnis hatte sie im Zuge der Vorbereitungen.

Was das mit dem Familienverhältnis zweier Persönlichkeiten der damaligen Buxtehuder Stadtgesellschaft zu tun hat, lüftet die Sonderausstellung. Eröffnung ist an diesem Donnerstag, 19. September, um 19 Uhr. Die Schau läuft dann bis 5. Oktober 2025. Infos unter www.buxtehudemuseum.de.

Mit Stoff unterlegter Teil am Rocksaum

Damit das Kleid bestmöglich erhalten bleibt, wurden Schwachstellen und Risse von innen mit Stoff unterlegt und mit speziellen Spannstichen geschlossen. Foto: Weselmann

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