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Handball

T„Doc“ Körner hört auf: Dieser Fall bewegte den BSV-Teamarzt besonders

Körner dürfte in den vergangenen Jahrzehnten nahezu jede BSV-Spielerin behandelt haben.

Körner dürfte in den vergangenen Jahrzehnten nahezu jede BSV-Spielerin behandelt haben. Foto: Jan Iso Jürgens

Dr. Hans-Wolfram Körner verabschiedet sich nach über 30 Jahren als Mannschaftsarzt des Buxtehuder SV. Doch für viele Handballerinnen war er weit mehr als das.

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Von Tim Scholz
Sonntag, 22.06.2025, 18:30 Uhr

Buxtehude. Wann Hans-Wolfram Körner erstmals auf der Bank saß, weiß niemand mehr so genau. Jedenfalls konnte BSV-Manager Peter Prior bei der Verabschiedung in der Halle Nord vor einigen Wochen keinen genauen Termin nennen. Auch Körner blieb vage: „Es muss im Herbst 1993 gewesen sein“, sagte er mit seiner ruhigen Stimme ins Mikrofon.

Sicher ist: Körner behandelte und operierte Generationen von BSV-Handballerinnen - und war weitaus mehr als ein Mannschaftsarzt.

Wenige Tage vor seiner Verabschiedung sitzt der 66-jährige Chefarzt, Chirurg und Sportmediziner, der meist nur „Doc“ genannt wird, in seinem Büro im Buxtehuder Elbe Klinikum. Wehmut schwingt in seiner Stimme mit: „Es fällt mir schwer, die Handballfamilie zu verlassen.“

Rauschende Partynacht und der Triumph von Oslo

1992 begann der gebürtige Goslarer im Buxtehuder Krankenhaus. Wenig später sprach ihn die damalige Torhüterin Renate Beckmann, gleichzeitig als Physiotherapeutin im Krankenhaus tätig, auf die Vakanz an: Der Buxtehuder SV hatte keinen festen Arzt. Körner, selbst früher aktiver Handballer, zögerte nicht lange - es passte perfekt.

Körner lernte den Verein besser kennen und begleitete die Mannschaft auch auf internationalen Reisen. Der Mediziner erinnert sich an eine rauschende Partynacht auf Madeira oder den Triumph im Europapokal in Oslo - inklusive Eintrag ins Goldene Buch.

Körner im Operationssaal des Elbe Klinikums Buxtehude (2008).

Körner im Operationssaal des Elbe Klinikums Buxtehude (2008). Foto: Hamann

Was Körner beim BSV besonders machte: Der erfahrene Chirurg konnte die Spielerinnen auch selbst operieren - ein Vorteil. Im Elbe Klinikum behandelte er im Laufe seiner Karriere Tausende Knie. „Ein faszinierendes Gelenk, darüber könnte ich wochenlang sprechen“, sagt er.

„Handball ist wie Rallye Dakar für die Gelenke“

Eine Statistik gibt es zwar nicht, aber über die Jahre dürfte er nahezu jede BSV-Handballerin betreut haben. „Eine Saison ohne eine Blessur ist unwahrscheinlich, dafür sind das Niveau und der körperliche Einsatz einfach zu hoch“, sagt Körner. Wöchentlich behandelte er bis zu sechs Spielerinnen. Am häufigsten seien Knie- und Sprunggelenksverletzungen gewesen. „Der stumpfe Hallenboden, die hohe Dynamik - Handball ist wie Rallye Dakar für die Gelenke“, so der Mediziner.

Körner führt die verletzte Joana Kern vom Platz (2005).

Körner führt die verletzte Joana Kern vom Platz (2005). Foto: Jan Iso Jürgens

Trotz einiger Seuchenjahre beim BSV mit vielen Verletzten blickt Körner auf eine positive Entwicklung im Handball: „Früher ging es gröber zu. Heute sind die Mannschaften technisch besser ausgebildet, und auch die Prävention hat sich verbessert“, sagt er. Die Zahl schwerer Verletzungen sei über die Jahre zurückgegangen.

Für seine Arbeit bekam Körner nach eigener Aussage ein geringes Entgelt vom Verein - für ihn war es vor allem ein persönliches Engagement. „Ich habe es wie eine Art Sponsoring gesehen“, sagt er. Die Kosten bei Verletzungen werden in der Regel über die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft abgerechnet, bei der Vereine wie der BSV ihre Aktiven versichern.

Körner beim Legendenspiel mit dem früheren BSV-Betreuer Michael Jungblut und Torwarttrainerin Debbie Klijn.

Körner beim Legendenspiel mit dem früheren BSV-Betreuer Michael Jungblut und Torwarttrainerin Debbie Klijn. Foto: Jan Iso Jürgens

Trainer hielten sich an seine Empfehlungen

Körner arbeitete eng mit den Physiotherapeuten des Bundesligisten zusammen, stimmte die Behandlungen ab und bereitete die Rückkehr aufs Spielfeld vor - medizinisch und mental. „Leistungssportler sind ein eigenes Klientel. Sie wollen immer sofort zurück aufs Feld“, sagt Körner. „Manche sind Draufgänger, andere ängstlicher. Man muss sie begleiten, ihnen Sicherheit geben.“

Wenn es um den Zeitpunkt für das Comeback geht, gibt Körner eine Empfehlung ab. In über 30 Jahren habe sich kein BSV-Trainer darüber hinweggesetzt, sagt er. „Das wäre für mich ein No-Go gewesen.“

Spaß muss sein: Körner bekommt vom früheren BSV-Physio Jörn Schimkat einen Eisbeutel verpasst.

Spaß muss sein: Körner bekommt vom früheren BSV-Physio Jörn Schimkat einen Eisbeutel verpasst. Foto: Jan Iso Jürgens

Was für Körner besonders hart ist: Spielerinnen zu sagen, dass es nicht mehr weitergeht. „Jemanden als sportuntauglich einzustufen, ist mir immer schwer gefallen“, sagt er. Doch es gehe darum, die Spielerin zu schützen und langfristige gesundheitliche Schäden zu vermeiden. Körner erinnert sich vor allem an Mia Lakenmacher, die nach drei Kreuzbandrissen ihre Karriere beenden musste.

Der „Doc“ war Tag und Nacht erreichbar

Und an Heike Axmann, Weltmeisterin von 1993, die er nach einem Kreuzbandriss als eine der ersten BSV-Spielerinnen operierte. „Ich war überehrgeizig, wollte zu früh zurück“, sagt Axmann rückblickend. Weitere Verletzungen folgten, 1996 beendete sie ihre Karriere.

„Doc hat sich mega viel Zeit für einen genommen, war Tag und Nacht erreichbar“, sagt die 56-Jährige. „Ein toller Mensch. Es ist komisch, dass er aufhört - er gehörte einfach dazu.“

Doch Körners Rolle ging über die Mannschaft hinaus. Für Manager Prior bleibt er auch als „Lebensretter“ in Erinnerung. Körner habe bei einigen Heimspielen und einer Busfahrt Menschen reanimiert, teils mit Hilfe anderer Ärzten. „Wir haben alle lebendig aus der Halle bekommen“, sagt Körner. Prior: „Es gibt viele Menschen, die ihm zu großem Dank verpflichtet sind.“

Was Körner mit seiner neuen Freizeit vorhat

Körners Nachfolger beim BSV ist Dr. Kai Raabe. Der Orthopäde mit Praxis in der Bahnhofstraße betreute bereits Nachwuchsspielerinnen und steht mit Körner im Austausch. „Kai ist mit viel Elan dabei“, sagt Prior, der von einem „reibungslosen und fließenden Übergang“ spricht.

Körner selbst möchte nun mehr Zeit mit seiner Familie verbringen. „Als Chirurg und Mannschaftsarzt ist man selten zu Hause. Ich hatte das Glück, eine tolle Partnerin zu haben, die das toleriert“, sagt er. Mit Ehefrau Rita, die in Buxtehude die Buchhandlung „Literatur im Zimmer“ betreibt, lebt er in Jork.

Chefarzt Dr. Hans-Wolfram Körner.

Chefarzt Dr. Hans-Wolfram Körner. Foto: Elbe Kliniken Stade-Buxtehude

Am Elbe Klinikum wird Körner voraussichtlich noch bis Jahresende tätig sein - wie es danach weitergeht, ist offen. Ein Nachfolger soll bereits durch einen Headhunter gesucht werden.

Heike Axmann hat sich noch rechtzeitig einen OP-Termin gesichert. Nachdem Körner ihr bereits ein künstliches Kniegelenk auf der rechten Seite eingesetzt hat, ist kurz vor Silvester das linke Knie an der Reihe - möglicherweise sein letzter Eingriff.

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