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Explosionsgefahr

TElbvertiefung gestoppt – Hamburg in Sorge: Das ist der Grund

Das Cuxhavener Seezeichen Kugelbake. In der Nähe wurden jetzt erneut die Baggerarbeiten zur Elbvertiefung gestoppt.

Das Cuxhavener Seezeichen Kugelbake. In der Nähe wurden jetzt erneut die Baggerarbeiten zur Elbvertiefung gestoppt. Foto: Sina Schuldt/dpa

Alarm nahe Cuxhaven: Der Saugbagger ruht, am Grund lauern Gefahren. Die Senatorin in Hamburg sorgt sich bereits um massive Auswirkungen für den Hafen.

Von Redaktion Mittwoch, 29.11.2023, 00:30 Uhr

Cuxhaven/Hamburg. Die Elbvertiefung ist nach Informationen des Norddeutschen Rundfunks in der Elbmündung, nahe dem Leitdamm an der Kugelbake vor Cuxhaven, gestoppt worden. Dort seien laut Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) verstärkt Kampfmittel gefunden worden, berichtete der Radiosender NDR 90,3. Die Behörde gehe davon aus, dass die Munition aus dem Zweiten Weltkrieg dort als Folge der letzten Elbvertiefung in die Fahrrinne getrieben worden sei.

„Das ist gar keine gute Nachricht für den Hamburger Hafen“, sagte Hamburgs Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) dem Sender. Man erwarte vom zuständigen Bund, dass alles dafür getan werde, die erforderlichen Maßnahmen so schnell wie möglich zu beginnen und auch abzuschließen. Wann die Elbe wieder ausgebaggert werden kann, ist noch unklar. Eine Sprecherin der WSV erklärte, dass zunächst die laufenden Sondierungs- und Bergungsarbeiten abgewartet werden müssen.

Elbe und Nordsee: Alte Munition manchmal auch am Strand zu finden

Die Elbvertiefung war Anfang vergangenen Jahres freigegeben worden, damit Schiffe mit bis zu 1,90 Meter mehr Tiefgang den Fluss befahren können. Nur wenige Monate später gab es in der Elbe aber bereits wieder so viel Schlick in der Fahrrinne, dass der zusätzliche Tiefgang nur noch bei maximal 90 Zentimeter lag.

Munition vor Cuxhaven, Scharhörn und Hegoland ist eine Gefahr. Nur ab und zu taucht vor der Küste so ein Relikt auf und schafft Bewusstsein für diesen explosiven Müll. Brisant: Freiliegender Sprengstoff baut sich nicht ab, sondern baut sich um zu risikoreichen Substanzen.

2019 wurde am Leitdamm vor Cuxhaven eine alte Mine freigespült, die zwischen 1877 und 1914 in Deutschland hergestellt und ursprünglich zur Hafensicherung eingesetzt wurde. Die 40 Kilogramm Sprengstoff funktionierten noch.

Ausgewiesener Experte spricht über Altlasten

Uwe Wichert kennt viele solcher Altlasten-Beispiele aus Nord- und Ostsee. Der Kapitänleutnant a.D. war als Marineoffizier in der Minenabwehr und Kampfmittelbeseitigung tätig. Bekannt ist laut Uwe Wichert, dass in der Nähe Scharhörns das Schiffswrack des Torpedobootes S 13 liege, das 1914 mit vier Torpedos und 200 Granaten gesunken war. Es hatte 12.000 Kilogramm Sprengstoff an Bord. „Das Wrack ist noch vorhanden, aber es liegt wohl unter einer Sandbank“, so der Experte.

„Nicht anfassen, nicht aufheben und sofort die Polizei anrufen.“ Munitionsexperte Uwe Wichert weiß, wie man sich am besten verhält, wenn man Munition am Strand findet.

„Nicht anfassen, nicht aufheben und sofort die Polizei anrufen.“ Munitionsexperte Uwe Wichert weiß, wie man sich am besten verhält, wenn man Munition am Strand findet. Foto: Privat

Nach dem Ersten Weltkrieg sei wenig Munition im Meer versenkt worden, vielmehr gab es eine Räumung auch in der Elbe. An Land wurden Material und Sprengstoff vielfach weiterverarbeitet. Ganz anders im und nach dem Zweiten Weltkrieg. Zum Ausbruch am 1. September 1939 seien allein in der Festung Cuxhaven für jedes Geschütz 200 Granaten scharf gestellt worden. Um Cuxhaven herum habe die Flak viel Munition verschossen. Allein am 17. Januar 1942 setzte sie in Cuxhaven 864 Granaten ein - übers Jahr gerechnet um 120.000 Granaten. Es sei davon auszugehen, dass darunter bis zu 45 Blindgänger pro Tag waren.

Zehn Verklappungsgebiete ausgewiesen

Nach Kriegsende waren in Deutschland noch über zwei Millionen Tonnen Munition vorhanden. Eine britische Kommission kam zu dem Schluss, dass die beste Möglichkeit sei, sie im Wasser zu lagern, außerhalb von Fischereigebieten und Schiffsrouten. Zehn Verklappungsgebiete in der Nord- und fünf in der Ostsee wurden ausgewiesen. Es gibt ein Lagebild, das im Maritimen Sicherheitszentrum Cuxhaven zusammenläuft, wo auch alle Funde dokumentiert sind und werden.

Die Korrision von Sprengkörpern mit TNT sei gefährlich. „Die Beseitigung ist notwendig, ehe die Hüllen weg sind.“ Freiliegender Sprengstoff baue sich nicht ab, er baue sich um – und das Ergebnis sei krebserregend. Noch könne man Fisch verzehren, aber was in zehn Jahren sei, könne keiner sagen, so Wichert. Experten zufolge dürfte es mehr als 150 Jahre dauern, um die geschätzten 1,6 Millionen Tonnen Meeresmunition aus Nord- und Ostsee zu beseitigen. (dpa/Wiebke Kramp)

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