Zähl Pixel
Kommentar

TFehlende Wolfsstrategie hilft Populisten und Extremisten

Den Streit um den Schnellabschuss für Wölfe kommentiert Karsten Wisser, Redaktionsleiter in Buxtehude.

Den Streit um den Schnellabschuss für Wölfe kommentiert Karsten Wisser, Redaktionsleiter in Buxtehude. Foto: TAGEBLATT/dpa

Ist es fehlender Mut, eine romantische Vorstellung vom Wolf, Angst vor der eigenen Wählerklientel oder schon aktive Wahlhilfe für Populisten? Was es auf dem Land jetzt vor allem braucht.

author
Von Karsten Wisser
Montag, 22.04.2024, 00:01 Uhr

Landkreis. Es gibt immer mehr Wölfe, immer mehr tote Weidetiere und immer mehr Nahbegegnungen zwischen Wolf und Mensch. Trotzdem findet die Politik auf Bundes- und Landesebene in Deutschland keine Antworten auf ein Problem, das besonders Menschen auf dem Land Angst macht. Es muss eine Lösung geben, wie das Zusammenleben zwischen Mensch und Raubtier organisiert werden kann.

Fast alle Fachleute sagen, dass dazu eine Bejagung, der Abschuss oder mindestens die Vergrämung von Wölfen, die dem Menschen zu nahe kommen, unausweichlich ist. So wird das auch in den europäischen Staaten praktiziert, in denen der Wolf niemals weg war.

Zahl der Wölfe verdoppelt sich, die Probleme werden größer

Dass sich die Wolfspopulation alle drei Jahre verdoppelt, und das Konfliktpotenzial im vergleichbaren Maßstab wächst, ist seit Jahren bekannt. Die Entscheidungsträger haben das so lange ausgeblendet, bis die Zahl der toten Schafe, Rinder und Pferde nicht mehr zu übersehen war und perfektes Wahlkampfmaterial für Populisten und Extremisten ist.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke und Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer haben mit dem Schnellabschussverfahren einen späten Versuch unternommen, den regionalen Behörden Handlungsoptionen an die Hand zu geben. Scheitert selbst diese nicht besonders weitgehende Eingriffsmöglichkeit, sind beide blamiert.

Die Rückkehr des Wolfs in eine dicht besiedelte Kulturlandschaft ist ein gigantisches Freiluftexperiment. Wolfsfreie Zonen und Unter- und Obergrenzen für den Bestand können helfen, das Gelingen des Experiments zu ermöglichen.

Frankreichs Wolfsbestand ist halb so groß wie der in Deutschland

In Frankreich gibt es derzeit rund 1100 Wölfe, vor allem im Alpenraum. Landwirte beklagten zuletzt rund 12.500 Wolfsrisse pro Jahr. Seitdem das Vorkommen des Wolfes in Frankreich als gesichert gilt, dürfen jährlich bis zu 19 Prozent des Bestands abgeschossen werden. 2023 waren dies 209 Wölfe - und Frankreichs Wolfsbestand ist halb so groß wie der in Deutschland.

Damit das Zusammenleben hier funktioniert, braucht es die Unterstützung der Menschen auf dem Land. Ihr Leben verändert sich ungleich größer als im städtischen Bereich. Es braucht Vertrauen in die Verantwortlichen. Aktuell passiert nicht viel, das dieses Vertrauen stärkt. Das ist besonders vor der Europawahl am 9. Juni eine schlechte Entwicklung.

Weitere Artikel