Totes Kind in Behrste: Erste Ergebnisse aus der UKE-Rechtsmedizin

Eine teilweise abgemähte Wiese am Fundort einer Kinderleiche im Landkreis Stade. Über zwei Monate nach dem Verschwinden des sechsjährigen Arian hat ein Landwirt im Norden Niedersachsens bei Mäharbeiten eine Kinderleiche gefunden. Foto: Sina Schuldt/dpa
Am Montag hat ein Landwirt im Kreis Stade eine Kinderleiche gefunden. Ist es der vermisste Arian? Erste Erkenntnisse des Instituts für Rechtsmedizin in Hamburg-Eppendorf liegen nun vor.
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Landkreis. Wie die Staatsanwaltschaft Stade zusammen mit der Rotenburger Polizei am Donnerstagvormittag mitteilt, hat das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) am Mittwoch eine rechtsmedizinische Untersuchung durchgeführt.
ie Staatsanwaltschaft ist demnach grundsätzlich eingebunden, wenn strafbares Handeln nicht auszuschließen ist.
Dabei seien keinerlei Anhaltspunkte für strafbare Handlungen oder Fremdverschulden festgestellt worden.
UKE hat die Kinderleiche noch nicht zweifelsfrei identifiziert
Ob es sich bei dem toten Kind um Arian handelt, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht klar. Die Untersuchungen des UKE zur zweifelsfreien Identifizierung stehen laut Mitteilung weiterhin aus. Die Polizei geht jedoch „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ davon aus, dass es sich um den vermissten Sechsjährigen aus Elm handelt.
Arian wird seit dem 22. April vermisst und wurde rund eine Woche lang intensiv mit Hunderten Einsatzkräften gesucht - an Land, aus der Luft und im Wasser.
„Unter Berücksichtigung der Persönlichkeitsrechte des verstorbenen Kindes und der Angehörigen werden keinerlei Angaben zur Todesursache gemacht“, heißt es weiter.
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Die Ergebnisse der Rechtsmedizin sind auch für die Aufarbeitung der Ermittler wichtig. Sie wollen die Suche rekonstruieren, um herauszufinden, warum der autistische Junge nicht gefunden wurde.
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Wie wurde die Kinderleiche entdeckt?
Ein Landwirt entdeckte die Leiche beim Mähen am Rande einer Wiese in der Gemeinde Estorf am Montagnachmittag. Er habe gleich das Shirt erkannt, das Arian getragen haben soll. „Ich wusste sofort, dass es der Junge ist“, sagte der Mann.
Der Fundort liegt nur wenige Kilometer von Arians Zuhause entfernt. Spezialisten bargen die Leiche und untersuchten den Fundort kriminaltechnisch. Der Bereich war bei der Suche nach Arian im April mehrfach von Einsatzkräften abgesucht worden, wie eine Polizeisprecherin sagte.
Was war zum Zeitpunkt des Verschwindens über Arian bekannt?
Zuletzt lebte der Sechsjährige mit seiner Familie in Bremervörde-Elm. Wie viele Kinder mochte er Süßigkeiten, Luftballons und Feuerwerk. Der Junge mit dunkelblonden Haaren und braunen Augen ist Autist.
Er kann nicht sprechen und reagiert wahrscheinlich nicht auf Zuruf von Fremden. Als Arian zuletzt gesehen wurde, trug er ein ockerfarbenes, langärmliges Shirt mit Aufdruck, eine schwarze Jogginghose und Socken.
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Was geschah am Abend seines Verschwindens?
Arian wurde am 22. April gegen 19 Uhr das letzte Mal zu Hause gesehen. Danach bemerkte der Vater, dass sein Sohn verschwunden war und informierte die Polizei. Sie leitete direkt eine Suche mit Hunderten Einsatzkräften ein. Auch Suchhunde, eine Drohne, ein Boot und zahlreiche Freiwillige waren im Einsatz. Mit Blick auf nächtliche Minusgrade waren viele besorgt, weil der Junge nur leicht bekleidet war.
Warum das autistische Kind verschwand, blieb zunächst unklar. „Der Junge hat erst vor Kurzem gelernt, wie man verschlossene Türen öffnet“, sagte der Polizeisprecher am Tag nach dem Verschwinden des Kindes. „Das mag der Hintergrund sein.“ Später zeigte die Aufnahme einer privaten Überwachungskamera, dass der Junge am 22. April abends gegen 19.15 Uhr allein durch das Wohngebiet lief.
Was war das Besondere an der Suche?
Die Einsatzkräfte suchten besonders engmaschig. Sie erwarteten, dass der autistische Junge sich eher verstecken würde, wenn er Menschen bemerkt. Die Polizei bat Anwohner, auf ihren Grundstücken und in Schuppen nach dem Jungen zu suchen. Auch Gullydeckel wurden geöffnet und Mülltonnen kontrolliert.
Hunderte Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr, Bundeswehr, Technischem Hilfswerk und Deutscher Lebens-Rettungs-Gesellschaft waren im Einsatz. Zeitweilig suchten sie mit Hunden, Pferden, Helikoptern, Drohnen, Wildtierkameras, einem Tornado-Flieger, Amphibienfahrzeug, Booten und Tauchausrüstung.
Um Arians Aufmerksamkeit zu bekommen, brannten die Einsatzkräfte Feuerwerk ab, hängten Luftballons und Süßigkeiten auf. Zudem wurden Kinderlieder gespielt und sogenannte Skybeamer genutzt, die einen Lichtkegel in den Himmel projizierten. Aber auch das Gegenteil wurde versucht: Die Einsatzkräfte suchten still nach dem Autisten, weil ihn Rufe verschrecken könnten.
Warum wurde die flächendeckende Suche eingestellt?
Nach rund einer Woche beendete die Polizei die flächendeckende Suche zum 30. April. Die Entscheidung traf der Leiter der Polizei in Absprache mit dem Innenministerium.
Sie entschieden sich, sich auf konkrete Hinweise zu fokussieren. Der Polizei zufolge hatten die Einsatzkräfte in den Tagen zuvor 53 Quadratkilometer zu Land, zu Wasser und aus der Luft abgesucht - eine Fläche von mehr als 7500 Fußballfeldern.
Wie geht es weiter?
Die Polizei richtete eine Ermittlungsgruppe ein. Ein fünfköpfiges Team mit Experten für Vermisstenfälle koordiniert nun die Ermittlungen. Die Einsatzkräfte prüften seitdem Hunderte Hinweise, gehen Spuren nach und stellen Hypothesen auf, was Arian widerfahren sein könnte.
Wenn es jetzt traurige Gewissheit geben sollte, sind noch immer Fragen offen: Warum lief der Junge weg, wohin lief er? Warum wurde der Sechsjährige erst jetzt entdeckt? Die Ermittler wollen Antworten auf diese Fragen finden. (dpa)
Hinweis der Redaktion: Der Artikel wird regelmäßig aktualisiert.