TGefälschte Corona-Zertifikate: Ehemalige Stader Polizistin vor Gericht

Bei der Kriminalpolizeiinspektion liegen Impfpässe unter einer Lupe. Eine ehemalige Stader Polizistin soll zuhauf Corona-Zertifikate gefälscht haben. Foto: Stefan Puchner
Vor dem Landgericht Stade muss sich eine 34-Jährige wegen des Vorwurfs der Urkundenfälschung in der Coronazeit verantworten. Die Ex-Polizistin soll dutzendfach Bescheinigungen gefälscht haben.
Stade. Das Brisante: Die Frau war zu der Zeit Polizistin der Polizeiinspektion Stade, auch einige ihrer Kolleginnen und Kollegen sollen bei den strafbaren Handlungen mitgemischt haben. Was der Staatsanwalt in seiner Anklageschrift an Vorwürfen gegen die Zevenerin zusammengetragen hat, lässt den Corona-Alltag wieder aufleben.
Es geht um die Zeit, als die Bundesbürger gefordert waren, sich impfen zu lassen oder Tests vorzulegen, um am „normalen“ Leben teilnehmen zu können. Einige Menschen sahen die verordneten Maßnahmen nicht ein - aus unterschiedlichsten Gründen.
Hat die 34-Jährige Blanko-Vorlagen für PCR-Tests erstellt?
Welchen Grund die angeklagte Ex-Polizistin hatte, wird sich im Laufe der Verhandlung vor der 2. Großen Strafkammer des Landgerichts Stade noch klären. Ein erster Hinweis: Laut der Aussage eines ermittelnden Beamten, der die Sprachnachrichten der Telegram-Chats der Angeklagten zu Papier brachte, habe die damalige Polizistin davon gesprochen, dass sie sich „dem Zwang bald nicht mehr beugen“ müssten.
Derzeit, so die Frau in dem Chat, habe sie Blanko-Vorlagen für PCR-Tests erstellt, dann sei auch für den „Scheiß-Kindergarten“ alles okay, verkündete sie ihrem Gesprächspartner, der anscheinend kleine Kinder hatte.
So viel soll die Ex-Polizistin an den gefälschten Bescheinigungen verdient haben
Staatsanwalt Dr. Lahmann listet in der Anklageschrift 68 Taten auf. In knapp zwei Dutzend Fällen geht es um gefälschte Testbescheinigungen. Für einen Auslandsflug wurde ein falscher Impfausweis vorgelegt.
Weiterhin soll sie gefälschte Impfausweise an Bekannte, Freunde und Familienmitglieder verkauft haben. Dazu kommt Hausfriedensbruch, da die Angeklagte ihre Polizei-Dienststelle betreten haben soll, um Sachen abzuholen, obwohl gegen sie schon ein Hausverbot verhängt worden war. Der Handel soll der 34-Jährigen 7250 Euro eingebracht haben. Soweit die Anklage.
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Da die Angeklagte dem Vortrag des Staatsanwalts nicht mit voller Aufmerksamkeit folgt, richtet der Vorsitzende, Richter Dr. Zazoff, das Wort an sie. „Legen Sie doch das Handy weg, es geht um viel für Sie“, sagt er. Tatsächlich hat die Staatsanwaltschaft bei einem Erörterungstermin darauf hingewiesen, dass sie eine Strafe will, die nicht zur Bewährung ausgesetzt wird.
Angeklagte äußert sich am ersten Prozesstag nicht
Sichergestellt ist das, wenn am Ende zwei Jahre oder mehr stehen. Bei Urkundenfälschung sind bis zu fünf Jahre möglich. Ein Pluspunkt wäre zweifellos ein Geständnis. Doch zu den Vorwürfen äußert sich die Angeklagte zu Beginn des ersten Prozesstages in Stade nicht, behält sich das aber für später vor.
In den Zeugenstand tritt am ersten Verhandlungstag ein Polizeibeamter, der Datenträger der Angeklagten durchsucht und dazu 14 Berichte verfasst hat. Die 34-Jährige habe sich dem Beamten zufolge auch im Bereich von Verschwörungstheorien bewegt, zum Beispiel in Gruppen, die von „magnetischen Einstichstellen“ nach Impfungen sprachen.
Weiterhin ging es darum, wie Corona-Maßnahmen zu umgehen seien und wie Zertifikate gefälscht werden können. Schließlich auch, welche Strafen bei Urkundenfälschungen drohen.
Razzien: Beamte durchsuchten Wohnungen von fünf Polizisten
Gegen die Auswertung ihres Handys legte die Angeklagte Widerspruch ein. Dem sei nämlich ein nur mündlich geäußerter Durchsuchungsbeschluss ihrer Wohnung vorangegangen, er hätte aber schriftlich über das Amtsgericht laufen müssen. Dem widersprach Staatsanwalt Lahmann. Mündlich sei in diesem Fall rechtens gewesen. Damit dürften die belastenden Inhalte der Handyauswertung zum Tragen kommen.
Hausdurchsuchungen liefen übrigens vor zwei Jahren gleich bei fünf Polizisten, die mit den Urkundenfälschungen in Verbindung gebracht worden waren. 50 Beamte aus Lüneburg und Rotenburg durchkämmten die Wohnungen ihrer Kollegen aus dem Polizei-Inspektionsbezirk Stade. Ins Rollen gebracht hatte die Ermittlungsarbeit ein Vorgesetzter der Angeklagten, dem bei ihren Bescheinigungen Unstimmigkeiten aufgefallen waren.
Die Kammer hat zunächst sieben Verhandlungstage angesetzt. Viele Zeugen sollen gehört werden. Dass der Fall am Landgericht und nicht am Amtsgericht verhandelt wird, hat auch diese Gründe: Es bestehe ein großes öffentliches Interesse, da Polizisten involviert seien und damit das Vertrauen in die Strafverfolgungsbehörden angetastet sei. Das wurde bei einem Erörterungstermin im Vorfeld der Verhandlung als Argument genannt, wie der Vorsitzende mitteilte.