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Interview

THamburger Reeder fordert: „Wir sollten das China-Bashing beenden“

Kommt auch mit 89 Jahren meist noch zweimal die Woche ins Büro: Der gelernte Schifffahrtskaufmann Nikolaus Walter Schües.

Kommt auch mit 89 Jahren meist noch zweimal die Woche ins Büro: Der gelernte Schifffahrtskaufmann Nikolaus Walter Schües. Foto: Zapf

Nikolaus W. Schües leitete jahrzehntelang die Geschicke der Reederei F. Laeisz, ist die Personifizierung eines Hanseaten. So schätzt er die Lage der Hamburger Schifffahrt ein.

Von Jörn Arfs Donnerstag, 24.04.2025, 07:00 Uhr

Hamburg. TAGEBLATT: Herr Schües, Sie haben in über 60 Jahren eine überaus erfolgreiche Karriere gemacht. Fällt es Ihnen sehr schwer, loszulassen?

Nikolaus W. Schües: Eine Nachfolge rechtzeitig aufzubauen, ist die wichtigste Pflicht jedes Unternehmers. Und wenn das dann so gut geklappt hat wie bei uns, ist das beglückend.

Wo liegen heute die Schwerpunkte Ihres Lebensalltags?

Meine Frau und ich pflegen unsere Kunststiftung Christa und Nikolaus Schües und die damit verbundenen Verpflichtungen mit Engagement.

Wie wäre es, mal als Privatier das Kap Hoorn zu umsegeln?

In der Tat wollten wir vor einigen Jahren mit der „Polarstern“ von Patagonien aus im Südpolarmeer mitfahren. Das war dann leider wegen des schlechten Wetters im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser gefallen.

Sie haben inzwischen 17 Enkel und sieben Urenkel. Wie kriegen Sie alle unter einen Hut?

Ich habe stets ein Leporello mit sämtlichen Daten in meiner Brieftasche, damit kein Geburtstag übersehen wird. Die Namen sind kein Problem.

Gab es in Ihrer beruflichen Laufbahn schon größere Krisen und Herausforderungen als die aktuellen?

Die Krise in den 80er Jahren und die nach der Lehman-Pleite waren für die Schifffahrt sehr herausfordernd. Derzeit bereiten wir uns auf schwierige Weltwirtschaftsszenarien vor. Ob und wie gravierend die nächsten vier Jahre werden, muss in Ruhe abgewartet werden.

Wie reagiert die Schifffahrt auf die irrlichternde Politik Trumps?

Mit Abwarten und genauem Hinschauen, was als Nächstes kommt. Die Laeisz-Reederei ist nicht direkt im US-Geschäft tätig, unsere Partner sind vor allem China, Japan und Südkorea. Aber wir sind auf andere Art betroffen: Denn allen Reedereien, die wie wir Schiffe in China gebaut haben oder dort gerade fertigstellen, droht Präsident Trump mit Hafengebühren von einer Million Euro.

Die USA sind der wichtigste Handelspartner Hamburgs, und auch mehr als zehn Prozent der gesamten deutschen Exporte gingen im letzten Jahr auf den US-amerikanischen Markt - der höchste Anteil seit 2004. Wie ließen sich diese Abhängigkeiten reduzieren?

Das Bild, Deutschland und die Europäische Union seien zwischen die Fronten der USA und China geraten, kann so nicht aufrechterhalten werden. Länder aus Ostasien und dem globalen Süden wie Indien, Südkorea, Japan und Brasilien könnten teilweise in die Bresche springen, eine einige EU könnte sich auf ihre alten Stärken besinnen und China mehr in die Rolle des Marktführers schlüpfen. Freihandelsabkommen würden die neuen Allianzen noch fester schmieden.

Sie haben nach wie vor exzellente Kontakte zu chinesischen Wirtschaftsführern. Stimmt die Einschätzung, dort übe man sich eher in Gelassenheit?

Das kann ich bestätigen. China hat guten Grund, entspannt zu sein: Das Land hat eine Monopolstellung bei wichtigen Rohstoffen für E-Autos und für die Raumfahrt sowie bei Halbleitern. Diese sind gerade für die US-amerikanischen Tech-Konzerne sehr relevant, was Präsident Trump erkannt hat. Außerdem hat er den Chinesen unfreiwillig aus ihrer handelspolitischen Isolation herausgeholfen, sie sind auf den globalen Märkten wieder hoffähig. Statt „China-Bashing“ zu betreiben, sollten wir die Handelskammer-Konferenz Hamburg Summit: China meets Europe wiederbeleben. Denn in dieser Gemengelage ist der regelmäßige und vertrauensvolle Dialog mit beiden Supermächten besonders wichtig.

Wenn es nicht zu einer Einigung in der Zollfrage kommen sollte: Wären dann in Hamburg die Industrie und Logistik die großen Verlierer?

Alle wären Verlierer, alle betroffenen Branchen, Investoren und die Konsumenten auf beiden Seiten des Atlantiks. Dieses Szenario des Scheiterns halte ich jedoch für ziemlich unwahrscheinlich.

Was ist Ihre Prognose? Wie könnte eine positive Lösung am Ende aussehen - vielleicht ein Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU?

Eine Freihandelszone mit Null-Zöllen für alle Parteien wäre ideal, weil sie die Preise durch Wettbewerb im Zaum hält.

Abgesehen von den weltweiten Verwerfungen sind die Probleme des Hamburger Hafens auch hausgemacht. Er hat zwischen 2007 und 2022 einen Ladungsverlust von 17 Prozent erlitten, während der globale Containerumschlag um 70 Prozent wuchs. Wo liegen für Sie die Ursachen?

Wir brauchen beispielsweise mehr Effizienz und Schnelligkeit beim Laden und Löschen. China zum Beispiel hat ein neues Containerkran-Konzept entwickelt, bei dem ein Kran über 55 bis 60 Container pro Stunde bewegt.

Aber die Containerisierung und auch der Transport von Rohöl oder Automobilen sind fast ausgereizt. Wie kann sich der Universalhafen Hamburg als Innovationsstandort neu positionieren?

Unter anderem als Hub für nachhaltige und klimaneutrale Energieimporte. Es gibt konkrete Pläne für die Produktion von E-Methanol als Kraftstoff für die Seeschifffahrt und später für den Umschlag von Ammoniak, der durch Zusatz von Sauerstoff zu dem Energieträger „grüner Wasserstoff“ umgewandelt wird. Dafür habe ich unserem Bürgermeister vorgeschlagen, einen „Wasserstoff-Botschafter“ einzusetzen, der weltweit für den Standort Hamburg wirbt.

Wie bewerten Sie aus Sicht Ihrer Branche den Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung?

Mit dem Bekenntnis zum Einsatz für die maritime Industrie kommt die Schifffahrt ganz gut weg. Alle Maßnahmen des Bundesverkehrswegeplans wie der Neubau der Köhlbrandbrücke und die Autobahn A26 Ost sollen im Sinne Hamburgs endlich umgesetzt werden.

Wie weit hat sich Hamburg von der Stadt Ihrer Kindheit und Jugend entfernt? Eher zum Guten oder Schlechten?

In jeder Beziehung zum Guten.

Zur Person - Flying P-Liner und Helmut Schmidt

Die 1824 gegründete Hamburger Reederei F. Laeisz wurde legendär durch die Flying P-Liner, Großschiffe wie das heutige Hamburger Museumsschiff „Peking“, die schneller als alle anderen Segler das Kap Hoorn umrundeten. Heute ist Laeisz einer der führenden maritimen Dienstleister in Deutschland.

Der gelernte Schifffahrtskaufmann Nikolaus Walter Schües trat 1961 in die Firma ein, 1973 wurde er persönlich haftender Gesellschafter. Seit 1983 ist die Familie Schües alleinige Eigentümerin der Reederei. Der gebürtige Hamburger initiierte mit Helmut Schmidt 2004 den Hamburg Summit, eine Plattform für den offenen Dialog zwischen Europa und China beziehungsweise Asien. Ziel der neun Gipfeltreffen bis 2021: die Verbesserung der Wirtschaftsbeziehungen. Nach den Anschlägen von 9/11 ließ er in seiner Funktion als Präses der Handelskammer (1996 bis 2002) eine ganzseitige Anzeige in den „New York Times“ schalten, in der Hamburg seine große Solidarität mit den USA bekundete. Dies geschah auch vor dem Hintergrund, dass einige Terroristen in der Hansestadt gelebt hatten.

Persönlich - jeder nach seiner Fasson

Ich befürworte eine neuerliche Hamburger Olympiabewerbung, weil …, wir als Hafenstadt für dieses Großereignis ideal geeignet sind. Die Anmietung von großen Passagierschiffen erspart nämlich den Bau weiterer Hotels.

Die neue Shopping-Mall in der HafenCity ist … eine Herausforderung.

Mein Wunschzettel an den neuen Hamburger Senat enthält … die Forderung nach einer zuverlässigen Wasserstofftankstellen-Infrastruktur, damit Brennstoffzellen-Busse, -Lkw und -Pkw sicher betrieben werden können.

Der HSV spielt in der nächsten Saison … weiter in der 2. Liga, weil wir St. Pauli unterstützen.

Ich liebe an meiner Heimatstadt besonders, dass … jeder nach seiner Fasson glücklich sein darf.

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