THamburgs neuer S-Bahn-Chef: „Die Zahl der Zugausfälle ist zu hoch“

Der neue Chef der Hamburger S-Bahn, Jan Schröder, steht vor einem einfahrenden S-Bahn-Zug. Zu seinem Arbeitsplatz nahe dem S-Bahnhof Hammerbrook (Foto) fährt er mit der Linie S5 aus Buxtehude. Foto: Sulzyc
Jan Schröder fährt von Buxtehude mit der S-Bahn zur Arbeit. Verspätungen und Zugausfalle erlebt er auf der Linie S5 also regelmäßig. Der neue S-Bahn-Chef erklärt, wie es besser werden soll.
Buxtehude. Verspätungen und Zugausfälle: Dem Chef der Hamburger S-Bahn geht es nicht anders, als den anderen Fahrgästen im Landkreis Stade. Seit fünf Wochen pendelt Jan Schröder fast täglich mit der Linie S5 vom Bahnhof in Buxtehude zum S-Bahnhof Hammerbrook und zurück.
60 Minuten dauert der Arbeitsweg des 49-Jährigen von Tür zur Tür: mit dem Auto aus der Gemeinde Ahlerstedt zum Bahnhof nach Buxtehude. Von dort geht es weiter mit der S-Bahn zur Zentrale der Deutschen Bahn in Hamburg unmittelbar an der Haltestelle Hammerbrook.
So empfindet der S-Bahnchef Verspätungen
Was den Fahrgast Jan Schröder von anderen unterscheidet, ist das Empfinden und Verständnis, wenn etwa eine Signalstörung die Fahrt unerwartet verzögert. Natürlich nerve dies die Fahrgäste - ihn auch. „In dem Moment ist man natürlich ganz auf die Verspätung fixiert und vergisst, dass die Fahrt mit der S-Bahn zum Beispiel in den drei Wochen zuvor reibungslos verlaufen ist“, sagt er im Gespräch mit dem TAGEBLATT.
Dagegen ist dem Diplom-Ingenieur der Nachrichtentechnik und gelernten Radio- und Fernsehtechniker bewusst: Ein so komplexes System wie die Hamburger S-Bahn wird nie ohne Störungen sein. Rund 250 Millionen Passagiere pro Jahr befördert die S-Bahn Hamburg. Auf die Frage, wie er seinen Arbeitsweg mit der S5 erlebe, antwortet Jan Schröder: „Bei mir persönlich klappt es in der Regel gut.“
S-Bahnchef ist treuer Fan des Hamburger SV
Auch zu Fußballspielen des Hamburger SV ist die S-Bahn das Verkehrsmittel seiner Wahl. Zusammen mit seiner Ehefrau sucht er regelmäßig das Volksparkstadion auf. Sie sind Dauerkarteninhaber, Nordtribüne, Stehplätze - dort ist das Revier der eingefleischten Fans.
Seit dem 1. August ist Jan Schröder Chef der Hamburger S-Bahn. Er hat das Amt von Kay Uwe Arnecke übernommen, der in den Ruhestand gegangen ist. Seit Mitte Juli haben Arnecke und Schröder gemeinsam auf die Übergabe hingearbeitet.
Karriere auf dem zweiten Bildungsweg
Im Beruf legte Jan Schröder eine Karriere auf dem zweiten Bildungsweg hin: Mittlere Reife an der Realschule Harsefeld, Ausbildung zum Radio- und Fernsehtechniker, anschließend das Fachabitur in Stade und ein Studium an der Fachhochschule am Berliner Tor in Hamburg mit dem Abschluss Diplom-Ingenieur.
Schröder arbeitete zuvor in mehreren Leitungspositionen bei der Deutschen Bahn, zu der auch die S-Bahn Hamburg gehört. Er war in Frankfurt und Berlin tätig. Dabei ist Jan Schröder ein bekennender Landmensch. In seiner Freizeit engagiert er sich als stellvertretender Vorsitzender des Schützenvereins Ahlerstedt und leitet den Förderverein der Freiwilligen Feuerwehr Ahrensmoor.

Als Chef der Hamburger S-Bahn ist Jan Schröder verantwortlich für den Transport von 250 Millionen Menschen im Jahr. Foto: Ulrich Wirrwa
Dass die S-Bahn auf der Linie S5 und zuvor auf der S3 verspätet oder gar nicht fährt, regt Fahrgäste im Landkreis Stade seit Jahren auf. Auf der Linie S5 zwischen Stade und Hamburg-Elbgaustraße befördert die S-Bahn nach eigenen Angaben an einem Werktag 135.000 Fahrgäste.
Linie S5 ist zu 95,7 Prozent pünktlich
Die Züge auf der neuen Linie S5 sind zu 95,7 Prozent pünktlich - sagt die S-Bahn. Allerdings sind in der Zahl Züge nicht berücksichtigt, die laut Fahrplan vorgesehen sind, aber gar nicht erst fahren - unpünktlicher geht es gar nicht. „Die Zahl der Ausfälle ist derzeit leider zu hoch“, gibt auch Schröder zu. „Das müssen wir ändern.“
Laut S-Bahn erreichen Züge der Linie S5 seit ihrer Einführung im Dezember 2023 eine Zuverlässigkeitsquote von 97,8 Prozent. Zur Erklärung: Der Wert der Zuverlässigkeit gibt an, wie viele Züge tatsächlich gefahren sind. Bei der S-Bahn werden dabei die geleisteten Zugkilometer in Bezug zu den fahrplanmäßig vorgesehenen Zugkilometern gesetzt. Daraus ergibt sich die Zuverlässigkeitsquote.
Darum fallen S-Bahnzüge aus
Warum fallen Züge aus? Ein möglicher Grund: Eine Signalstörung löst einen Stau auf der Bahnstrecke aus. Die Bahn gerät deshalb aus dem Takt. Dann muss die Zahl der Züge auf dem betroffenen Streckenabschnitt für die Störungsbeseitigung reduziert werden. Laut der Deutschen Bahn gibt es zwischen Harburg und Stade insgesamt 198 Signale.
Die mögliche Reaktion auf eine Signalstörung auf der Linie S5 beschreibt Jan Schröder so: „Die Züge nach Stade fahren weiter. Die zusätzlichen Verstärkerzüge, die nur bis Buxtehude fahren, fallen jedoch vorübergehend aus. Damit entlasten wir die Strecke und kommen schneller wieder in den Takt.“ Zugausfälle seien das letzte Mittel, zu dem die S-Bahn greife.
Einer der häufigsten Gründe für Zugausfälle seien Menschen auf den Bahngleisen. Eher selten sei, dass S-Bahnzüge wegen eines Defekts die Fahrt nicht antreten oder fortsetzen können.
Viele Bahnübergänge machen Strecke anfällig
Nirgendwo im Hamburger S-Bahnnetz ist die Zahl der Bahnübergänge größer als auf dem niedersächsischen Gebiet. 20 Bahnübergänge zwischen Neugraben und Stade machen den S-Bahnbetrieb auf der Strecke anfälliger für Störungen. Hinzu kommt, dass - anders als im Hamburger Stadtgebiet - die S-Bahn-Züge sich hier die Gleise mit Regional- und Güterzügen teilen.
Die Bahntochter DB InfraGO (früher DB Netz), zuständig für die Bahninfrastruktur, habe viele Bahnübergange technisch komplett modernisiert. Das trage zu mehr Stabilität im Bahnverkehr bei. „Die Zahl der Störungen an den Bahnübergängen ist rückläufig“, sagt der S-Bahnchef.
Seit Jahren kündigt die Deutsche Bahn die Schließung von einigen Bahnübergängen zwischen Buxtehude und Neugraben an. In diesem Jahr war bei einem von der CDU-Landtagsabgeordneten Birgit Butter organisierten Expertentreffen in Buxtehude von zwei Bahnübergängen die Rede - passiert ist bisher nichts.
Was die Sache so schwierig macht, ist die Tatsache, dass sich mehrere Beteiligte einigen müssen: die DB InfraGO, betroffene Landwirte, die Umwege in Kauf nehmen müssen, Straßenbaulastträger und die Kommune.
Jan Schröder ist mit dem Thema vertraut. „Wir sind da gemeinsam mit allen Beteiligten dran und stehen kurz vor einer Lösung“, sagt er.
Fahrgastinformation soll besser werden
Viele von verspäteten Zügen betroffene Fahrgäste können die Wartezeit leichter ertragen, wenn sie über die Gründe informiert sind. „Ich weiß, wie wichtig unseren Fahrgästen das Thema ist. Gerade bei Störungen mit vielen zeitgleich betroffenen Zügen dauert es manchmal, bis alle Infos in den Systemen sind. Daran arbeiten wir!“, sagt Jan Schröder.

Blick aus dem S-Bahnhof Hammerbrook auf die Zentrale der Deutschen Bahn in Hamburg. In diesem Gebäude befindet sich auch das Ansagezentrum, das Mitteilungen an die Fahrgäste auf den Bahnsteigen macht. Foto: Sulzyc
Dabei lege die S-Bahn Hamburg viel Wert auf Fahrgastinformation. Im Ansagezentrum in Hammerbrook kümmere sich ein Mitarbeiter ausschließlich um Informationen auf dem Streckenabschnitt zwischen Neugraben und Stade.
Lokführer erhalten zudem Schulungen, um Fahrgäste zu informieren. Nicht jeder der rund 600 Lokführer sei ein geübter Redner. „Aber alle sollen unsere Fahrgäste kompetent informieren“, erklärt Jan Schröder.
Diese Fahrkarte hat der S-Bahnchef
Wie alle anderen Fahrgäste auch fährt der S-Bahn-Chef nicht kostenfrei mit. Er muss eine Fahrkarte lösen. Jan Schröder fährt mit dem Deutschlandticket als Jobticket und erhält damit, wie andere Beschäftigte auch, zwölf Euro Vergünstigung pro Monat.
In einem ist der S-Bahn-Chef aber doch privilegiert: Manchmal steigt Jan Schröder zu einem Lokführer in den Führerstand ein. Dazu berechtigt ihn ein Ausweis. Warum er sich auf diese Weise ein Bild verschafft, erklärt der Ingenieur so: „Nur, wenn ich meine S-Bahn und ihre Menschen gut kenne, kann ich Verbesserungen umsetzen.“

Der bisherige S-Bahn-Chef Kay Uwe Arnecke ist in Ruhestand gegangen. Foto: S-Bahn Hamburg GmbH / Gerhard Ludwig.

Die Grafik zeigt das neue Liniennetz der Hamburger S-Bahn. Die neue, für den Landkreis Stade relevante Linie S5 hat die Farbe blau. Foto: Hamburger Verkehrsverbund GmbH