TJubel, Stürze und „Wout“-Rufe: Buxtehude feiert Cyclassics-Premiere

Buxtehude im Radsport-Fieber - die Zuschauer feuern die Profis an. Foto: Jan Iso Jürgens
Selfies mit Superstar Wout van Aert, Jubel für 7000 Hobbyfahrer, eine tückische Kurve im Alten Land - so lief die Cyclassics-Premiere. Eine Reportage aus Buxtehude.
Buxtehude. Schon früh am Morgen liegt Spannung über Buxtehude. Straßen sind gesperrt, Zuschauer stellen Campingstühle daneben auf - alles ist vorbereitet für die Cyclassics, eines der bedeutendsten Eintagesrennen Deutschlands. Nur die Fahrer sind noch nicht in Sicht.
8.20 Uhr: 7000 Hobbyfahrer in Buxtehude
„Dürfte nicht mehr lange dauern“, sagt Hartmut Greiff. Zusammen mit Karsten Kuhn wartet er an der Stader Straße, kurz hinter dem Ellerbruchtunnel, auf die 7000 Hobbyfahrer, die in der Hafencity gestartet sind und aus dem Alten Land kommend gleich Buxtehude erreichen werden.

Die Hobbyfahrer kamen über das Alte Land nach Buxtehude. Foto: Jan Iso Jürgens
Um 8.27 Uhr rauschen die ersten Drei vorbei, gefolgt von größeren Gruppen. Am Straßenrand wird gejubelt. „Keine Gnade für die Wade“, steht auf Friederikes Schild. Sie ist aus Berlin angereist: „Ich warte auf eine Freundin, wird aber noch ein bisschen dauern“, sagt sie lachend.

Friederike aus Berlin. Foto: Scholz
Unterdessen verbreitet sich die Nachricht von Stürzen im Alten Land - kurz vor der Hove-Brücke und in einer scharfen Kurve in Königreich. Mehrere Rettungswagen rücken aus, die Feuerwehr entfernt ein Verkehrsschild, um weitere Unfälle zu verhindern. Auch in Apensen und Goldbeck stürzen Fahrer.
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„Man hätte die Strecke sicherer gestalten können, es gab einige Kurven und Verkehrsinseln, die wirklich tricky waren“, sagt ein Buxtehuder Hobbyfahrer. Schon vor einem Jahr gab es wegen zahlreicher Stürze Kritik an der Strecke.

Im Alten Land gab es mehrere Stürze. Rettungswagen rückten aus. Foto: Andre Hellwig
Die Harsefelderin Doreen Wagner hat unterwegs mehrere Stürze beobachtet. „In meinem Team sind zum Glück alle heil durchgekommen“, sagt die 44-Jährige nach 110 Kilometern. „Wetter und Stimmung waren mega.“
9.36 Uhr: Warten auf die Teams
Auf dem Rewe-Parkplatz am Westmoor soll die Team Area sein, doch es herrscht noch Leere. „Just a few minutes“, heißt es vom Veranstalter. Ulrich Wiegel vom Altstadtverein, Organisator des parallel laufenden Weinfests, ist schon mal mit dem Rad vorbeigekommen, um die Profis zu sehen.

Viele Interessierte in der Team Area. Foto: Jan Iso Jürgens
Kurz nach zehn Uhr rollt der cyanfarbene Bus von Decathlon AG2R auf den Parkplatz, die seitlichen Luken werden geöffnet, Waschmaschine und Trockner werden sichtbar. Mitarbeiter sperren den Bereich vor dem Bus ab, bereiten die Räder vor.
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Nach und nach folgen Astana, UAE, Red Bull - Weltklasse in Buxtehude. Viele Profis bleiben zunächst im Bus, die viereinhalbjährige Louisa freut sich dennoch: Sie bekommt ein Poster vom Team Decathlon. „Wir wohnen nur 600 Meter entfernt und freuen uns schon auf Wout, ein sympathischer Typ“, sagt Mutter Alena.

Radsportbegeistert: Alena und Tochter Louisa. Foto: Jan Iso Jürgens
Wout van Aert, der Star des Rennens, springt kurzfristig für den erkrankten Vorjahressieger Olav Kooij ein. Erst vor drei Wochen gewann er die prestigeträchtige Schlussetappe der Tour de France. Bloß, wo ist der sympathische Wout?
Kurze Anreise für das Top-Team
Das Team Visma-Lease a Bike kommt zuletzt, parkt auf der Straße vor dem Parkplatz und sofort drängen sich hier die meisten Fans an die Absperrung. Doch van Aert bleibt hinter den verdunkelten Scheiben.
Immerhin war die Anreise entspannt: Zwei Nächte im Buxtehuder Hotel Navigare, zwölf Zimmer für sieben Fahrer und elf Mitarbeiter, dazu reichlich Pasta und Reis. Sehr angenehme Gäste, erfährt das TAGEBLATT.

Andrang vor dem Bus des Teams Visma-Lease a Bike. Foto: Jan Iso Jürgens
Und Wout? „Der ist fit“, berichtet Visma-Masseur Jeroen Gerritsen.
11.12 Uhr: Gut gelaunter Rad-Profi
Alle 161 Fahrer werden auf dem Rathausplatz vorgestellt. Auf dem Rückweg in die Team Area hält Pascal Ackermann kurz fürs TAGEBLATT an: „Buxtehude hat jeder schon mal gehört - ganz schön, es endlich mal zu sehen.“
Cyclassics in Buxtehude
Ackermann lebt am Bodensee, fährt für das Team Israel-Premier Tech und lehnt sich entspannt auf seinen Lenker: „Wout wird versuchen, vorne dabei zu sein. Aber man darf nicht vergessen, dass es für jeden das erste Rennen nach der Tour ist“, sagt er. Vielleicht ist der eine oder andere Profi noch kaputt.
11.37 Uhr: Stimmung am Rathausplatz
Die Innenstadt füllt sich, kaum ein Durchkommen. Menschen drängen sich an die Absperrung vor der Bühne, dahinter die Winzerbuden vom Weinfest. Fahrer für Fahrer kritzelt seine Unterschrift auf die Starttafel, begleitet von Musik, Applaus und kurzen Fragen: „Ich werde mein Bestes geben“, sagt Top-Sprinter Jonathan Milan, der Gewinner des Grünen Trikots bei der Tour de France.

Gute Stimmung bei der Präsentation der Teams. Foto: Jan Iso Jürgens
Als das letzte Team einrollt, branden „Wout“-Rufe auf. Van Aert winkt, lächelt, erinnert im Interview an sein bisher einziges Cyclassics-Rennen vor drei Jahren: Platz zwei. „Die Strecke liegt mir“, sagt er, ehe er zum Start muss. Noch zehn Minuten.
11.56 Uhr: „Los geht‘s!“
Van Aert, silberner Helm, gelb-schwarzes Trikot, stellt sich neben Jonathan Milan in die erste Reihe - und erfüllt noch ein paar Selfiewünsche, schreibt Autogramme. „Vor drei Wochen noch auf der Champs-Élysées, heute auf der Breiten Straße“, kommentiert Veranstalter Matthias Pietsch.

Wout van Aert kurz vor dem Start. Foto: Scholz
Die Sonne scheint. Bürgermeisterin und Landrat zerschneiden ein gelbes Band unter dem Startbogen, dann der Countdown. „Los geht‘s!“, ruft der Moderator. Das Peloton rollt los - zunächst neutralisiert: Ostfleth, Hansestraße, Stader Straße. Auf der Apensener Straße folgt der scharfe Start. 207 Kilometer liegen vor den Profis.
„Tolle Atmosphäre, super Publikum! Ich bin stolz auf Buxtehude“, sagt Bürgermeisterin Katja Oldenburg-Schmidt. Etwa 4000 bis 5000 Menschen kamen in die Stadt. Buxtehude wäre auch kommendes Jahr bereit, den Start auszurichten, so Oldenburg-Schmidt.

Wenige Minuten vor dem Start der Cyclassics. Foto: Jan Iso Jürgens
Der Veranstalter bestätigt, dass mehrere Hobbyfahrer gestürzt seien, es aber keine Massenstürze gegeben habe. „Die Rettungskräfte waren schnell vor Ort, es ist nichts Gravierendes passiert“, so Veranstalter Pietsch.
Der Startbereich in Buxtehude hat sich schlagartig geleert. Absperrgitter werden auf einen Transporter gehievt, die Profis sind längst auf der Strecke Richtung Hamburg - und am Rathausplatz übernehmen wieder die Winzer.