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Kriminalität

TJugendbande in Harsefeld: Diese Bilder sorgen für Entsetzen

Brutale Szenen in Harsefeld: Die Jugendlichen haben ihre Taten gefilmt und ins Internet gestellt.

Brutale Szenen in Harsefeld: Die Jugendlichen haben ihre Taten gefilmt und ins Internet gestellt. Foto: Screenshot

Brutale Bilder und Hilflosigkeit: Eltern in Harsefeld sind geschockt und verunsichert. Was nun? Die Forderungen gehen in Richtung Polizei.

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Von Miriam Fehlbus,
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Von Karsten Wisser
Mittwoch, 02.07.2025, 19:12 Uhr

Harsefeld. Ein Kind schlägt auf eine am Boden liegende kleine Person ein. Schreie hallen über den Bahnsteig in Harsefeld. Dieses Video und weitere mit ähnlichen Inhalten haben inzwischen unzählige Eltern gesehen, nicht nur in Harsefeld. Sie sind geschockt, wie brutal die Jugendgang offenbar gegen ihre Opfer vorgeht, sich dabei scheinbar selbst filmt und das Aufgenommene im Internet veröffentlicht. Die Gruppe mit Mitgliedern im Alter von etwa 15 Jahren nennt sich Consti-Gang.

Schulen und Jugendamt warnen vor Consti-Gang

Einige Eltern fühlen sich nach dem Warnbrief des Aue-Geest-Gymnasiums, der Selma-Lagerlöf-Oberschule und des Kreis-Jugendamts kurz vor Ferienbeginn mit der Situation alleingelassen. Andere sind dankbar, auf diese Gefahren aufmerksam gemacht worden zu sein.

Schulleitungen und Landkreis hatten am Montag vor einer „organisierten Jugendbande“ gewarnt, die Schüler in Harsefeld terrorisiert: „In Harsefeld hat sich eine organisierte Jugendgang etabliert, die im Nachmittagsbereich unter anderem Drogen und Vapes verkauft sowie Schuld- und Wegegeld erpresst, dies leider unter Nutzung massiver Gewalt und Drohungen.“

Jugendbande: Polizei ermittelt mit Hochdruck

Der Schritt in die Öffentlichkeit hat viele Eltern in Aufregung versetzt. In Chat-Gruppen und in den sozialen Netzwerken werden die Gewaltvideos geteilt. Aus Sicht der Eltern ist jetzt die Polizei am Zuge. Die reagiert auf Nachfrage zurückhaltend. „Wir ermitteln mit Hochdruck“, sagt Stades Polizeisprecher Rainer Bohmbach.

Wie das TAGEBLATT berichtete, ermittelt die Polizei gegen eine Handvoll strafmündiger Jugendlicher. „Wir hätten uns gewünscht, dass die Öffentlichkeit erst später informiert wird“, sagt Rainer Bohmbach. Das sei aber anders entschieden worden.

Eltern begrüßen Transparenz und fordern Polizei

Die Elternvertretungen der Schulen dagegen sehen in der Information genau den richtigen Schritt zum richtigen Zeitpunkt. „Diese Transparenz ist gut und wichtig“, sagt Maren Albers, Vorsitzende des Schulelternrats am Aue-Geest-Gymnasium. Jetzt könnten Gespräche mit den Kindern geführt werden, um diese zu sensibilisieren.

Unsere Aufgabe als Eltern ist es, den Kindern Mut zu machen und sie aufzufordern, dass sie sich melden, wenn etwas passiert

Sarah Lechelt, Vorsitzende des Schulelternrats der Selma-Lagerlöf-Oberschule

„Unsere Aufgabe als Eltern ist es, den Kindern Mut zu machen und sie aufzufordern, dass sie sich melden, wenn etwas passiert“, sagt Sarah Lechelt, Vorsitzende des Schulelternrats der Selma-Lagerlöf-Oberschule. „Andere Stellen wie die Polizei sind dafür verantwortlich, dass es für solche Dinge Konsequenzen gibt.“

Behörden sind an den Familien dran

Das ebenfalls eingeschaltete Jugendamt des Landkreises darf aus Datenschutzgründen zu den Einzelfällen nichts sagen. Nach TAGEBLATT-Informationen sind aber dort die Namen einiger mutmaßlicher Tatverdächtiger bekannt. Es gibt sowohl mit den Jugendlichen als auch mit den Familien Gespräche.

Harsefelds Samtgemeindebürgermeisterin Ute Kück (parteilos) hat für kommenden Montag eine Pressekonferenz mit Landkreis und Samtgemeinde angekündigt. Dort wollen sich alle Beteiligten zur Jugendbande und dem weiteren Vorgehen äußern.

Eine Expertin gibt Einblick in die Abläufe

Als jemand, der im Bereich der Landkreise Stade und Rotenburg eng mit den Jugendämtern zusammenarbeitet, in den Fall in Harsefeld aber nicht involviert ist, gibt die regionale Caritas-Geschäftsführerin Christine Laabs einen Einblick zu den Herausforderungen der zuständigen Stellen.

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„Die zentrale Frage ist immer: Wem fällt es auf?“, sagt sie. Eltern hätten zu jeder Zeit die Möglichkeit, sich selbst Hilfe beim Jugendamt zu holen. Geschieht das nicht, müssten es andere Institutionen oder Betroffene erst melden. Das könne schon einen langen Weg bedeuten.

Ist ein Problem erkannt, geht es um Präventionsmaßnahmen, die mitunter nicht vereinzelt, sondern breit gestreut nötig seien. „Hier fehlen häufig Angebote in der Masse“, sagt Laabs. Dafür fehle das Geld.

Jugendhilfe braucht freiwillige Mitwirkung

Die Jugendhilfe sei zudem ein freiwilliges Angebot. Erst wenn das Kindeswohl gefährdet ist, könnten gerichtlich Maßnahmen durchgesetzt werden. Diese Hürde ist hoch. „Elterliches Recht ist ein hohes Gut“, sagt Laabs, und das sei auch gut so. Sinnvoll könnte es aber zum Beispiel zu einem frühen Punkt sein, „Kinder über einen gewissen Zeitraum in ein anderes Setting zu bringen und gezielt durch pädagogisches Personal zu erziehen“.

Schüler von Gymnasium und Oberschule gehören zu den Opfern der Jugendbande.

Schüler von Gymnasium und Oberschule gehören zu den Opfern der Jugendbande. Foto: Wisser

Das würde ein Herausnehmen aus der Familie bedeuten. Oft fehle es Jugendlichen, die mit gewalttätigen Handlungen auffallen, an Empathie und dem Bewusstsein über die Folgen des eigenen Handelns. Ihre Träume glichen häufig aber denen von Kindern mit guten Familienstrukturen: „Sie wünschen sich ein Haus, einen Garten und eine Familie“, sagt Laabs.

So reagiert der TuS Harsefeld auf die Jugendgewalt

Eine direkte Reaktion auf das Warnschreiben gibt es von den Vereinen in Harsefeld. „In Harsefeld gab es in den letzten Tagen beunruhigende Vorfälle. Gewalt, Drohungen und die Verbreitung von Videos gehen um - auch Kinder und Jugendliche aus unserem Umfeld sind betroffen“, schreiben der TuS Harsefeld und der Jugendförderverein (JFV) Ahlerstedt/Ottendorf/Bargstedt/Harsefeld/Heeslingen.

Beim TuS und im JFV stünden die Mitglieder zusammen. Die Sportstätten seien sichere Orte. An die Übungsleiter ging folgende Handlungsempfehlung: „Ihr habt das Hausrecht auf unseren Sportanlagen - insbesondere auf den Kunstrasenplätzen. Unbefugte Personen müssen des Platzes verwiesen werden. Achtet bitte darauf, dass keine Videos von Gewalt weiterverbreitet werden. Wer solche Inhalte teilt, macht sich strafbar.“

Konkrete Hilfsangebote nur von den Vereinen

Die Vereine haben sich in drei unterschiedlichen Schreiben an die Eltern, die Kinder und Jugendlichen und die Übungsleiter gewandt. TuS und JFV nennen im Gegensatz zu den Behörden konkrete Hilfsangebote. Sie bieten Betroffenen zum Beispiel auch an, während der Öffnungszeiten in das Fitness- und Gesundheitssportzentrum 1903 in der Jahnstraße 12 zu kommen, wenn sie bedrängt werden. Dieses ist täglich von 8 bis 12 Uhr und 16 bis 20 Uhr geöffnet. Auch Oberschule und Gymnasium sind in der Jahnstraße beheimatet.

CDU Harsefeld fordert jetzt mehr Polizeipräsenz

Nach der TAGEBLATT-Berichterstattung zur Jugendbande gibt es auch wieder eine Debatte um die Polizeipräsenz in Harsefeld. „Harsefeld ist gewachsen, die Polizei ist nicht mitgewachsen“, sagt Mirco Dawideit, Vorsitzender der CDU in Harsefeld, gegenüber dem TAGEBLATT.

„Mit unserem Wachstum sind auch die Probleme gewachsen“, sagt Mirco Dawideit. Es habe in der jüngsten Vergangenheit mehrere Vorfälle gegeben, die die Frage nach mehr Präsenz aufgeworfen hätte. Dawideit erinnert an einen Fall vor wenigen Wochen. Damals sorgte ein Video eines mit einer Machete bewaffneten Mannes für Aufregung. Er schlug dabei die Glasscheibe der Eingangstür eines Tattoo-Studios in Harsefeld ein.

Laut Polizeisprecher Rainer Bohmbach ist in Harsefeld die Früh- und die Spätschicht besetzt, am Sonnabend sei die Wache bis Mittag besetzt. Die Frage nach mehr Polizei ist dabei nicht neu. Auch der ehemalige Samtgemeindebürgermeister Rainer Schlichtmann (parteilos) hatte in seiner letzten Amtszeit bereits mehr Polizei gefordert.

Mirco Dawideit ist Vorsitzender der CDU in der Samtgemeinde Harsefeld.

Mirco Dawideit ist Vorsitzender der CDU in der Samtgemeinde Harsefeld. Foto: Fehlbus

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