TKämpfer gegen Einsamkeit bleiben Heiligabend in Buxtehude selbst allein
Sie boten an Heiligabend ein gemütliches Beisammensein an (von links): Nils Martin, Vivien Schmidt und Lucas von Hacht. Tanja Wieck und Christian Schröder (rechts) kamen vorbei, um Kekse zu spenden. Foto: Sulzyc
Die stille Nacht kann besonders einsam sein. Die Linke bot an Heiligabend ein gemütliches Beisammensein an. So lief die Premiere in Buxtehude.
Buxtehude. Millionen Menschen in Deutschland fühlen sich einsam. Eine Volkskrankheit, wie auch die Bundesregierung erkannt hat. Das Alleinsein zu überwinden, fällt Betroffenen extrem schwer. Wie schwer, zeigte sich an Heiligabend in Buxtehude bei einem neuen Angebot der Partei Die Linke.
Während das Weihnachtsfest für viele Menschen Beisammensein mit Familie und Freunden bedeutet, bleiben andere allein. Gegen das Gefühl der Einsamkeit versuchen Ehrenamtliche, Mitglieder und Sympathisanten der Linken, die Idee eines geselligen Abends in ungezwungener Atmosphäre zu setzen.
Gulasch, Kaffee, Snacks - alles kostenfrei
Veranstaltungsort ist die Begegnungsstätte mit Herz in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof. Eine gemütliche Stubenatmosphäre bietet sie - einen weihnachtlich geschmückten Tannenbaum auch. Auf den Tischen Kerzenlicht und Snacks: Kartoffelchips, Weingummi, Lebkuchen. Dazu Kaffee, Tee, Cola und andere Limonaden am Küchentresen.

Die Begegnungsstätte mit Herz in Buxtehude befindet sich unmittelbar gegenüber dem Bahnhof. Der Eingang ist an der Gildestraße. Foto: Sulzyc
20 Portionen Gulasch hat Lucas von Hacht, einer der drei Gastgeber, am Vortag zu Hause gekocht. Kartoffeln, Rotkohl und Gulasch aus Soja. Das Hauptgericht ist vegan, weil die Gastgeber niemanden ausschließen wollen. Speisen und Getränke - alles kostenfrei.
Gesellschaftsspiele wie Kniffel oder Mensch ärgere dich nicht! liegen als Eisbrecher auf einigen Tischen. Gemeinsam speisen und spielen, fröhlich sein - so ist die Idee. Trotzdem bleiben die Gastgeber in den vier geöffneten Stunden von 16 bis 20 Uhr allein.
Zumindest vom Alleinsein Betroffene bleiben aus. Zwar sind Christian Schröder (47) und Tanja Wieck (50) aus Stade-Haddorf zu Gast. Das Paar ist gekommen, um Mithilfe anzubieten. „Vielleicht jemanden abholen“, sagt Schröder. Er ist seit Februar Parteimitglied. Seit 4.15 Uhr ist er an diesem Tag auf den Beinen - Schichtarbeit bei Airbus in Finkenwerder.
Der Plan der beiden für den Rest der stillen Nacht: „Die Ponys in den Stall bringen, die Katzen füttern und dann selbst Lachs und Spinat essen“, sagt Tanja Wieck. Auch Clemens Ultsch (Die Linke), Stadtratsmitglied in Buxtehude, und seine Ehefrau lassen sich zwischendurch sehen.
Das treibt die Ehrenamtlichen Heiligabend an
Was motiviert die Gastgeber, in ihrer Freizeit an Heiligabend für fremde Menschen da zu sein? Gulasch-Koch Lucas von Hacht ist im Hauptberuf Softwareentwickler. Der 32-Jährige aus Buxtehude ist nicht Parteimitglied, gehört der Arbeitsgruppe Bildung und Veranstaltungen der Linken an. „Um für Menschen etwas zu tun“, sagt er. Mit seiner Lebensgefährtin feiere er Weihnachten einen Tag später.

Eine leckere warme Mahlzeit für Gäste: Kartoffeln, Rotkohl und veganes Gulasch aus Soja. Foto: Sulzyc
Weitere Ehrenamtliche sind die Erzieherin Vivien Schmidt (40) aus Buxtehude, Beisitzerin im Landesvorstand der Linken, und Nils Martin (36), Co-Sprecher der Arbeitsgruppe und Airbus-Mitarbeiter. „Menschen helfen, wo es geht“, nennt er seinen Antrieb. Voraussichtlich ab Februar plant Die Linke in Buxtehude eine Suppenküche für Menschen mit wenig Geld.
Einsamkeit ist mit Scham verbunden
Mögliche Gründe, warum von Einsamkeit Betroffene wegblieben: Scham spiele eine große Rolle. Einsame Menschen zögen sich in Isolation zurück, sagt Vivien Schmidt. Dass eine politische Partei in Buxtehude das für alle offene Angebot gemacht hat, habe möglicherweise manchen abgeschreckt. „Dabei geht es uns um einen netten Abend, völlig unpolitisch“, sagt Vivien Schmidt.
Beworben hat Die Linke das Angebot an Heiligabend mit Flyern in Supermärkten, Apotheken und an Kiosken. Erfolgreicher sei womöglich, es würde sich von Mund zu Mund herumsprechen.
Der Bedarf sei vorhanden, ist Vivien Schmidt überzeugt. Laut Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) fühlt sich jeder Dritte zwischen 18 und 53 Jahren zumindest teilweise einsam. „Es war ein Versuch. Wir geben uns Zeit. Das darf entstehen“, sagt Vivien Schmidt. Das hört sich nicht nach Aufgeben an.
Eine ähnliche Aktion zu Weihnachten unterbreitete an zwei Tagen der Verein Quest – Queeres Stade mit seinem „Lichterhafen“. Das Angebot: Gesellschaft bei Getränken und Spielen im Havenbüro auf dem Ankerplatz in Stade.
Landkarte zeigt Orte gegen Einsamkeit
Orte in Deutschland, an denen Menschen Unterstützung finden können, wenn sie sich einsam fühlen, zeigt eine digitale Angebotslandkarte. Betreiber ist das Kompetenznetz Einsamkeit am Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik, gefördert vom Bundesfamilienministerium.
In Buxtehude und Umgebung nennt die Karte zwei Angebote: das Neubürger-Dinner „Meat & Eat“ der Volkshochschule Buxtehude und das Mehrgenerationenhaus in Neu Wulmstorf. In Stade ist auf der Karte ein Ort verzeichnet: der Senioren- und Pflegestützpunkt Landkreis Stade.
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