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Bauarbeiten

TL111: Wichtigste Pendlerstrecke durch Kehdingen wird saniert – Bürger in Sorge

Radler sollen auf der Straße fahren. Kreidestreifen symbolisieren die künftigen Breiten von Fußweg und Radstreifen auf der L111. Daneben (rechts) fahren Lkw und Pkw im Gegenverkehr: Es wird eng.

Radler sollen auf der Straße fahren. Kreidestreifen symbolisieren die künftigen Breiten von Fußweg und Radstreifen auf der L111. Daneben (rechts) fahren Lkw und Pkw im Gegenverkehr: Es wird eng. Foto: Knappe

Kehdingens Hauptverkehrsader, die L111, soll in Assel saniert werden. Die Planungen bergen Konfliktpotenzial - vor allem Radfahrer haben Angst.

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Von Katja Knappe
Dienstag, 14.10.2025, 05:50 Uhr

Assel. Dichtes Gedränge herrschte bei der Informationsveranstaltung zur Sanierung der L111 im Dorfgemeinschaftshaus in Assel: Obwohl es bereits zuvor schon Planungsveranstaltungen gegeben hatte und es diesmal ausschließlich um den ersten Bauabschnitt in Barnkrug gehen sollte, erschienen mehr als 100 wissbegierige Bürger aus der ganzen Gemeinde.

Was ist geplant? Niedersachsen wird die marode Fahrbahn der Landesstraße 111 in Assel sanieren. Das Vorhaben wird in Bauabschnitte eingeteilt und beginnt mit dem knapp 1,4 Kilometer langen Teilstück in Barnkrug. Zeitgleich will die Gemeinde die innerörtlichen Straßennebenräume neu gestalten und dafür Geld aus der Förderung für die Dorferneuerung für die Elbstromdörfer nutzen. Landesbehörden und Gemeinde planen diesmal gemeinsam.

Ziel ist es auch, die Gefahrenlage für Radler und Fußgänger dabei zu entschärfen. Ende 2023 war in Barnkrug ein Junge aus dem Ort beim Überqueren der L111 angefahren und schwer verletzt worden.

Im Zuge der L111-Sanierung und Neugestaltung wird sich einiges ändern. Bislang verläuft ein Rad- und Fußweg entlang einer Seite der Fahrbahn. Er ist laut dem alten blauen Verkehrsschild benutzungspflichtig, Radler dürfen ihn in beiden Fahrtrichtungen befahren. Das soll sich künftig ändern.

Der bestehende Rad-Fußweg ist zurzeit etwa 1,80 Meter breit und wird auf 2,50 Meter verbreitert, zur Fahrbahn hin gibt es noch einen 50 Zentimeter breiten Abstandsstreifen. Der Radweg darf dann von den Radlern aber nur noch in einer Fahrtrichtung - von Drochtersen in Richtung Stade - befahren werden.

Wer Richtung Drochtersen radelt muss auf die L111

Wer von Richtung Stade aus in Richtung Drochtersen radelt, muss künftig direkt auf der Landesstraße 111 fahren. Dort wird mit einer Linie auf der Fahrbahn ein 1,50 Meter breiter Bereich für Radler markiert. Wenn Autofahrer unterwegs sind, müssen sie Rücksicht nehmen und so lange langsam im Tempo der Radler fahren, bis ein Überholen gefahrlos möglich und erlaubt ist. Die Radlerstreifen-Regelung soll später auch auf den übrigen Bauabschnitten in Assel umgesetzt werden.

So soll der Querschnitt der L111 in etwa aussehen.

So soll der Querschnitt der L111 in etwa aussehen. Foto: Planungsbüro

Die Fahrbahnbreite der L111 beträgt auch künftig sieben Meter, die Fahrbahn wird aber anders aufgeteilt sein. Wird der Radlerstreifen plus Schutzstreifen weggerechnet, bleiben noch fünf Meter für den motorisierten Verkehr.

Künftig wird es außerdem auch auf der anderen Seite der L111 einen durchgängigen Fußweg geben, er ist durch einen Schutzstreifen von der Fahrbahn getrennt.

Keine Haltebuchten mehr für Busse

Die Busse werden künftig keine Haltebuchten mehr haben: Aller vier Haltestellen werden direkt auf der L111 sein, Busgäste steigen barrierearm aus, der Verkehr hinter den Bussen muss warten. Eine der drei Haltestellen wurde bereits umgebaut.

Außerdem wird es zwei ungesicherte Querungshilfen in Form von Mittelinseln auf der L111 geben. Im Kurvenbereich sind Baum- und Gehölzpflanzungen geplant, eine überdachte Bank und ein Insektenhotel.

Angst vor riskanten Überholmanövern

Warum sorgen sich viele Bürger? Dass Radler aus Richtung Stade in Richtung Drochtersen künftig auf der L111 unterwegs sein sollen, macht vielen Angst. Selbst Bernd Mattern vom Arbeitskreis Elbstromdörfer sagt: „Ich würde da nicht drauf fahren.“

Feierabendverkehr könnte Autofahrer stressen

Er frage sich, ob die Autofahrer nicht nervös würden, wenn sie so lange hinter Radfahrern langsam hinterherfahren müssten - schließlich wird diese Art der Radwegeführung am Ende der L111-Sanierung von Barnkrug bis Drochtersen gelten. „Im Feierabendverkehr wird das schwierig“, fürchtet Bernd Mattern. Dem Konzept könne man dennoch zustimmen, meint er: „Wer fährt denn hier an Radfahrern? Denn die meisten Radler fahren am Deich entlang.“

Thomas Hilck (59) aus Barnkrug fährt täglich mit dem Rad von Barnkrug nach Assel und zurück zur Arbeit - an der Hauptstraße entlang. Er ist skeptisch. „Die Gefahr kann ich momentan noch nicht einschätzen.“ Er befürchtet, dass Autofahrer beim Überholen den Mindestabstand von 1,50 Meter zu den Radlern nicht einhalten. „Die Leute werden immer aggressiver und überholen dann“, sorgt sich Jan Maaß.

Lars Marschalkowski aus Assel befürchtet, dass Autofahrer, wenn sie auf der L111 im Feierabendverkehr stünden und nach Hause wollten, die Geduld verlieren, wenn sie hinter Radlern fahren und auf Busse warten müssen.

Pendler aus Assel: „Das ist der falsche Weg“

„Da wird dann irgendwann einfach Gas gegeben.“ Lob findet er zwar für das Planungsverfahren - „Das ist toll, weil es wirklich transparent ist“ - aber nicht für die Planungen als solche: „Wir entwickeln uns gerade zurück. Das ist der falsche Weg“, so Marschalkowski.

Einige Bürger überlegten, dass sie auch künftig den alten Rad-Gehweg nutzen könnten - auch in Richtung Drochtersen. Rein rechtlich wäre das eine Ordnungswidrigkeit, erläutert Jan Horwege von der Polizei Stade. Er könne sich aber kaum vorstellen, dass die Polizei hier Schwerpunktkontrollen machen werde. Auch Horwege ist skeptisch angesichts des Radlerstreifens auf der L111. „Ich würde mich da möglicherweise auch nicht wohlfühlen.“

Warum der Radstreifen alternativlos ist: Obwohl der geplante Radverkehr auf der L111 viele beunruhigt, gilt er laut Planern als alternativlos. „Man hätte dann gemeinsame Geh- und Radwege auf beiden Seiten planen müssen“, sagt Falk Salomon von der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr. Dafür hätte aber der Platz nicht gereicht.

Radler sollen auf die Straße

Es sei wissenschaftlich belegt, dass Radler auf der Straße auf gerader Strecke sicherer unterwegs seien als auf einem Radweg. Gefahrenpunkte seien in beiden Fällen grundsätzlich Knotenpunkte und Kreuzungen.

Definitiv abgelaufen ist die Zeit für Radwege, die in beide Fahrtrichtungen genutzt werden. In Assel gibt es zwar noch die blauen Benutzungspflicht-Schilder - aber die Rechtslage habe sich geändert, so Salomon.

Radler sollen heute, wo immer es geht, auf die Straße. Ausnahmen gebe es nur für extreme Lagen - etwa bei sehr engen, steilen oder kurvigen Straßen. All das gelte nicht für die L111 in Barnkrug. Starker Verkehr reiche nicht als Begründung, Radler von der Fahrbahn zu trennen. „Auch bei 50.000 Fahrzeugen pro Tag ginge das nicht - und wir haben hier etwa 7000“, sagt Salomon.

Wann soll es losgehen? Das ist noch unklar. Wenn es im Frühjahr eine Fördermittelzusage für die Dorferneuerung gibt, könnten die Arbeiten frühestens Ende 2026 starten. Unklar ist auch, wie lange die Sanierung dauern wird und wie teuer sie wird: Es gibt auf der Fahrbahnseite mit dem bestehenden Rad-Fußweg eine Entwässerungsrinne. Die Planer wissen aber noch nicht, ob auch auf der anderen Seite eine Entwässerung nötig ist. Außerdem könne es sein, dass unter der Fahrbahn altes Kopfsteinpflaster liege, sagt Salomon. Alles Faktoren, die über Aufwand, Dauer und Kosten entscheiden. Im besten Fall dauern die Arbeiten ein Jahr - es können aber auch zwei oder drei werden.

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