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Bauernproteste

TMassive Kritik an den Ampel-Galgen im Kreis Stade

Auch auf einer Wiese bei Groß Sterneberg wurde ein Galgen mit Ampel aufgestellt.

Auch auf einer Wiese bei Groß Sterneberg wurde ein Galgen mit Ampel aufgestellt. Foto: Stefan Knütel

Ein Symbol der Bauernproteste gegen die Sparbeschlüsse der Bundesregierung sorgt für viel Aufsehen. Besonders SPD und Grüne sehen darin einen Aufruf zur Gewalt. Kreislandwirt Johann Knabbe steht im Fokus der Reaktionen.

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Von Karsten Wisser,
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Von Katja Knappe
Mittwoch, 10.01.2024, 05:50 Uhr

Landkreis. Als einer der Ersten im Kreis hat sich Björn Protze zu Wort gemeldet. Der Stader ist Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion und hat die Galgen-Symbolik kritisiert. Zwar könne er absolut nachvollziehen, dass im Rahmen von Protesten versucht werde, zum einen auf die aktuelle Situation hinzuweisen und zum anderen sie aktiv zum eigenen Vorteil zu verändern. Protest und Demonstration seien in einer demokratischen Gesellschaft völlig legitim. „Wenn allerdings Galgenvorrichtungen aufgestellt werden und daran eine Ampel gehängt wird, dann ist dies eine Grenze, die überschritten worden ist“, sagt Protze.

Massive Kritik von Protze an Knabbe

Ein Galgen sei ein Galgen und bleibe ein Galgen. „Was mich allerdings am meisten erschreckt, ist, dass der Kreislandwirt diesen Protest nicht nur gutheißt, sondern auch noch verteidigt“, sagt Protze. Mit dieser Unterstützung treibe Kreislandwirt Johann Knabbe die rote Linie in die falsche Richtung und er sorge dafür, dass der nächste Schritt als legitim angesehen werden könne.

Knabbe hatte gegenüber dem TAGEBLATT die Galgen-Aktion als „Ausdruck des demokratischen Protestes“ bezeichnet. Es gebe seiner Ansicht nach verschiedene Auslegungen der Aktion: „Man kann das auch so verstehen, dass die Ampel uns Landwirte aufhängt. Jeder sieht das, was er sehen will“, sagte der Kreislandwirt. „Der eine sieht den Galgen als Tötungsinstrument, der andere ein technisches Konstrukt, an dem eine Ampel hängt.“

Auch die Grünen verurteilen die Galgen-Aktionen

Protze hat für derlei Aussagen kein Verständnis: „Wohin das führt, haben wir bei der Bedrohung des Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck gesehen.“ Der Vorfall an der Anlegestelle Schüttsiel ist zum Symbol für die Eskalation der Bauernproteste geworden. Protze hat Knabbe diese Sichtweise in einem Brief geschildert und seine Sorge mitgeteilt, dass ehrenamtliche Kommunalpolitiker um ihre Sicherheit fürchten müssten, wenn diese Linien verschoben würden.

Auch der Kreisverband der Grünen kritisiert die Ampel-Galgen. Demokratischer Protest finde grundsätzlich gewaltfrei statt und nicht in Form von anonym aufgebauten Symbolen, die eine eindeutige Drohgebärde gegenüber den Parteien der Ampelkoalition darstellten, so die Grünen. „Hier wird offen zur Gewalt gegen die gewählte Koalition aufgerufen, nicht zu einem Protest gegen Maßnahmen der Regierung“, sagt der Co-Sprecher des Kreisverbands, Joachim Fuchs. Im Landkreis gelte der Rechtsstaat. „Wir erwarten hier eine eindeutige Ablehnung dieser bewusst doppeldeutigen und aggressiven Protestform sowie ein klares Bekenntnis zum demokratischen Diskurs“, so Fuchs.

Galgen als faschistische Rhetorik aus der Nazi-Zeit

Die aufgebauten Galgen wurden vom Grünen-Kreisverband zur Anzeige gebracht. „Die faschistische Rhetorik, die wir aus der Nazi-Zeit kennen, dürfen und werden wir nicht tolerieren“, sagt Co-Sprecherin Sandra Deutschbein dazu. Für die Proteste der Bauern haben die Kreis-Grünen aber Verständnis. Viele Landwirte stünden vor Herausforderungen, die zum Teil existenziell seien. „Die Kritik an den Streichungen der Steuervorteile beim Agrardiesel und der Kfz-Steuer teilen wir und lehnen diese Mehrbelastung der Landwirte entschieden ab, da diese zusätzlich durch die Erhöhung der CO2-Bepreisung belastet werden“, so die Kreis-Grünen.

Insbesondere für kleine Familien- und Biobetriebe müsse mehr getan werden. „Es ist absolut unverständlich, dass in der Landwirtschaft gespart wird, an den Steuervorteilen für Nutzer von Dienstfahrzeugen, von denen vor allem Besserverdienende profitieren, dagegen stoisch festgehalten wird oder dass noch immer keine ernsthafte Besteuerung für Superreiche und Erben eingeführt wird“, so der Grünen-Kreisvorstand.

Grenzen des Anstands weit überschritten

Die Galgen-Proteste werden vielerorts verurteilt. Es gehöre zwar zur Demokratie, dass am Handeln einer Regierung Kritik geäußert werde, „aber es gibt Grenzen“, so der SPD-Ortsverein Drochtersen. Unbekannte hatten teils auf öffentlichem Grund Galgen mit einem Ampelschild und der Aufschrift „Die Ampel muss weg“ aufgestellt. „Das suggeriert, dass die Regierenden beseitigt werden sollten“, heißt es aus Drochtersen.

Die Grenzen des Anstands seien weit überschritten, so Jan Büther, Vorsitzender der SPD-Ortsvereins Drochtersen. Es sei richtig, deswegen die Polizei, möglicherweise den Staatsschutz einzuschalten. Der Fredenbecker Grüne Wolfgang Weh wandte sich mit einem offenen Brief an Kreislandwirt Knabbe. Für Weh ist die Verharmlosung der Aktion „irgendwelcher rechter Bauern“ völlig unbegreiflich.

„Ich habe gleich zu Beginn zur Mäßigung, auch zur Mäßigung in der Interpretation, aufgerufen“, reagiert Johann Knabbe auf die Vorwürfe. An einer weiteren Diskussion zu Symbolen wolle er sich nicht beteiligen. „Wir sollten lieber über Inhalte reden“, so der Kreislandwirt. „Wir haben absolut friedliche Proteste organisiert. Das unterscheidet unsere Proteste auch von anderen“, so Knabbe. Die Bauern und die Demonstrationen seien im Landkreis Stade mitnichten von Rechten unterwandert gewesen.

Auch auf einer Wiese bei Groß Sterneberg wurde ein Galgen mit Ampel aufgestellt.

Auch auf einer Wiese bei Groß Sterneberg wurde ein Galgen mit Ampel aufgestellt. Foto: Stefan Knütel

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