Von wegen Corona: Diese Infektionen bereiten derzeit Sorge

Auch bei Kindern und Jugendlichen kann das Bakterium Mycoplasma pneumoniae eine Lungenentzündung verursachen. (Symbolbild) Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa
Überdurchschnittlich viele Menschen und vor allem Kinder und Jugendliche leiden derzeit an Lungenentzündungen. Ausgelöst durch einen besonderen Erreger.
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Berlin. Spezielle Bakterien können schwere Lungenentzündungen auslösen: die Mykoplasmen. Infektionen mit dem Erreger treten zwar jedes Jahr auf, aber nicht in dem hohen Maße wie aktuell.
Was sind Mykoplasmen?
Der Erreger mit dem lateinischen Namen Mycoplasma pneumoniae ist kein Virus, sondern ein parasitär lebendes Bakterium. „Mykoplasmen sind im Wesentlichen auf den Wirt angewiesen, und das ist ausschließlich der Mensch“, erklärt der Biologe Roger Dumke, der am Institut für Medizinische Mikrobiologie und Virologie am Uniklinikum Dresden das Konsiliarlabor des Robert Koch-Instituts für Mykoplasmen leitet. Die Erreger unterscheiden sich von anderen Bakterien darin, dass sie keine Zellwände haben und daher nicht mit weit verbreiteten Antibiotika wie Penicillin bekämpft werden können. Der Erreger wurde bereits 1938 beobachtet.
Wie gefährlich ist eine Infektion?
Infektionen mit Mycoplasma pneumoniae verlaufen im Allgemeinen mild, können aber manchmal auch schwerwiegend sein. Vor allem durch Husten und Niesen wird der Erreger verbreitet. Die meisten Menschen erholen sich ohne Medikamente. „Patienten mit intaktem Immunsystem können mit dem Erreger relativ gut umgehen“, sagt Dumke im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Manche jedoch brauchen spezielle Medikamente, um wieder gesund zu werden. „Die entsprechenden Antibiotika wirken gut“, sagt der Wissenschaftler. Resistente Erreger seien in Deutschland selten.
Wie sieht aktuell die Infektionslage aus?
„Wir haben aktuell wesentlich mehr Fälle, und damit auch einen höheren Prozentsatz an schweren Erkrankungen“, erklärt Dumke. „Die Welle ist unbestritten.“ Im Vergleich zu vor der Corona-Pandemie gebe es einen Anstieg der Infektionen um das 10- bis 20-fache.
In seiner Gemeinschaftspraxis mit dem Schwerpunkt Lungenheilkunde in München hat der Facharzt Frank Powitz seit Sommer weit mehr Lungenentzündungen festgestellt als in den vergangenen Jahren, darunter viele durch Mykoplasmen. Sein Leverkusener Kollege Norbert Mülleneisen wiederum kann in seiner Praxis aktuell keinen Anstieg von Mykoplasemen-Pneumonien feststellen.
Eine flächendeckende Untersuchung, ob Infektionen mit Mykoplasmen vorliegen, gibt es hierzulande nicht. Eine Meldepflicht, sollte der Erreger über einen Abstrich aus Nase oder Rachen oder einer Messung im Blut festgestellt werden, hat in Deutschland nur Sachsen.
Nach Angaben der Landesuntersuchungsanstalt für das Gesundheits- und Veterinärwesen gab es in dem Freistaat in diesem Jahr bis Mitte September mehr als 12.000 Meldungen für eine Infektion. Darunter fallen zwar auch andere Mykoplasmen-Arten als Mycoplasma pneumoniae, aber dennoch ist der Lungen-Erreger dem Dresdner Mikrobiologen Dumke zufolge hauptverantwortlich für den Anstieg. Zum Vergleich: 2023 lag die Zahl der Mykoplasmen-Meldungen zu diesem Zeitpunkt bei rund 2.000, im Vor-Corona-Jahr 2019 bei knapp 1.200.
Warum kommt es jetzt vermehrt zu Infektionen?
Dumke spricht von einem späten Nachholeffekt nach der Corona-Pandemie. Einerseits könne dieser mit Untertypen des Erregers zusammenhängen. Alle paar Jahre gibt es dort leichte Veränderungen, wodurch es auch früher schon zu Anstiegen der Infektionszahlen kam. Nach dem Wegfall der Corona-Schutzmaßnahmen könnten mögliche Veränderungen der Verteilung der Untertypen diesmal besonders ausgeprägt sein - und so das Immunsystem von mehr Menschen umgehen.
Andererseits hatten nach Dumkes Auffassung die Menschen durch die Hygienemaßnahmen während der Pandemie wenig Kontakt mit dem Erreger. Die spezifische Immunantwort in der Bevölkerung in Deutschland auf Mycoplasma pneumoniae müsse erst wieder aufgebaut werden. „Die Welle wird sicherlich wieder abebben“, sagt er. „Wann sie das tut, ist noch nicht klar.“
Was sind Symptome?
Der US-Gesundheitsbehörde CDC zufolge kann es zwischen ein und vier Wochen dauern, bis nach Kontakt mit den Bakterien Symptome auftreten. Am häufigsten ähneln sie einer Erkältung: Husten, Müdigkeit, Fieber oder Halsschmerzen. Bei Jüngeren können Durchfall, Erbrechen oder Keuchen auftreten. Wenn es Komplikationen gibt, können auch Asthmaanfälle oder schwere Lungenentzündungen dazukommen.
Die Krankheit beginnt eher schleichend und wird nicht unbedingt sofort erkannt. Auch weil sie anders als bei einer typischen Lungenentzündung - die unter anderem mit hohem Fieber, Schüttelfrost und starkem Husten einhergeht - eher leichtes Fieber, trockenen Husten und Kurzatmigkeit hervorruft. Nach Angaben des Münchner Mediziners Powitz können Lungenentzündungen, die durch Mykoplasmen entstehen, schwerer verlaufen und länger dauern als bei sonstigen Erregern.
asdasd
Viele Masernfälle in Deutschland - weltweiter Trend
In Deutschland sind dieses Jahr deutlich mehr Menschen an Masern erkrankt als in den vergangenen Jahren. Bis Donnerstag wurden rund 550 Fälle an das Robert Koch-Institut (RKI) übermittelt, wie eine Sprecherin auf Anfrage mitteilte. Die überwiegende Mehrheit der Infizierten sei ungeimpft gewesen.
Zum Vergleich: 2023 waren es insgesamt nur 79 Fälle, 2022 wurden 15 Fälle übermittelt. Allerdings gab es in früheren Jahren auch schon deutlich mehr Fälle: So wurden 2015 rund 2.470 Erkrankungen registriert, 2013 waren es rund 1.770.
Die Infizierten waren dieses Jahr zwischen 0 und 75 Jahre alt, hieß es vom RKI. Insbesondere seien Kinder in den ersten beiden Lebensjahren betroffen. Todesfälle seien bislang keine bekannt.
Ausbrüche auch auf infizierte Einreisende zurückzuführen
Die Ausbreitung der Masern ist häufig auf infizierte Einreisende aus dem Ausland zurückzuführen, die in Deutschland weitere Menschen anstecken, wie die RKI-Sprecherin erklärte. Dieses Jahr treffe das auf knapp 15 Prozent der Fälle zu.
In Deutschland empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) für alle Kinder zwei Impfstoffdosen - die erste im Alter von 11 bis 14 Monaten, die zweite im Alter von 15 bis 23 Monaten.