TNach Gewaltvideo: Rechte Hetze im Netz

Diese Schlägerei unter Schülern ist gestellt und dient als Symbolfoto. Statistisch gibt es eine Zunahme von Gewalt an Schulen. Foto: R. Riedel,91217Hersbruck,T82915
Eine Gewalttat an einer Bremerhavener Oberschule ist durch ein Video öffentlich geworden – Monate nach der Tat. Rechte Hetzer nutzen das Video jetzt, um in den Sozialen Netzwerken Fremdenhass zu schüren. Europas Ultrarechte springen auf.
Bremerhaven. Bremerhaven wird in diesen Tagen Teil einer rechtsextremen Kampagne. Seit Anfang der Woche wird im Internet ein Video verbreitet, das das hasserfüllte Weltbild rechter und rechtsextremer Kreise bestätigen soll. An einer Bremerhavener Schule geht eine Gruppe Schüler auf einen Jungen los, beschimpft und beleidigt ihn, dann schlägt erst einer zu, schließlich die halbe Gruppe. Eine Attacke von wenigen Sekunden Dauer. Das sind die Bilder, die die Aufnahme zeigen.
Nach der Verbreitung des Videos wird in Bremerhaven über Gewalt an Schulen diskutiert - und wie diese mit der Corona-Pandemie zusammenhängt.
Warum Gewalt an Schulen eine Spätfolge der Pandemie ist
Die Statistik zeigt, dass Gewalt an Schulen zugenommen hat. Fachleute des Bremer Senats sehen darin Nachholeffekte der Pandemie.
Weiß man mehr über die Täter? Hat es Schulverweise gegeben? Wurde der Vorfall an der Schule aufgearbeitet?
Zum Schutz der Betroffenen und weil es sich um ein laufendes Verfahren handelt, äußern sich weder Schulbehörde noch Polizei zu Einzelheiten.
Ist zweifelsfrei bewiesen, dass das Video nicht gestellt ist?
Laut Polizei ist das Video echt. Im Winter ist eine Straftat angezeigt worden. Die Polizei nimmt das Video ernst und ermittelt wegen gefährlicher Körperverletzung. Die jugendlichen Täter/Tatverdächtigen befinden sich nicht in Haft oder Arrest.
Brutale Szenen
T Gewaltvideo von Prügelei an Schule verbreitet sich im Internet
Das Video wurde insbesondere im rechtspopulistischen Umfeld unverpixelt geteilt, ohne Rücksicht auf Persönlichkeitsrechte. Die Polizei hat davor gewarnt. Wird das Teilen und auch rechtsverletzende Kommentierung strafrechtlich verfolgt?
Die Polizei Bremerhaven prüft die Verbreitung und Kommentierung des Videos auf Straftatbestände. Strafbar ist zum einen die Verbreitung von Gewaltdarstellung. Das ist auch unabhängig davon, ob die Personen auf dem Video unkenntlich gemacht wurden. Zudem können Persönlichkeitsrechte verletzt sein. Einige Kommentierungen könnten den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllen.
Gibt es Reaktionen?
Jan Timke von Bündnis Deutschland hat das Video nach eigener Aussage aus dem Schulumfeld erhalten und der Polizei übergeben. Der Stadtverordnete will zur nächsten Stadtverordnetenversammlung eine Anfrage zu strafrechtlich relevanten Delikten an Bremerhavener Schulen stellen. Zahlen der vergangenen Jahre liegen vor – es hat im Mai eine Anfrage der CDU in der Bremer Bürgerschaft zum Thema gegeben (siehe Grafik).
Wie bewertet der Senat die Zahlen?
Niedrigere Fallzahlen in 2021 seien auf Schulschließungen in der Corona-Pandemie zurückzuführen. Seit 2022 sei eine deutliche Zunahme der registrierten Gewaltstraftaten festzustellen. Die Fachleute vermuten, dass dies eine Folge der Corona-Pandemie ist.
Durch die Corona-Maßnahmen seien soziale Kontakte und das soziale Lernen mit Gleichaltrigen stark eingeschränkt gewesen. Die Pandemie und die Umstände haben, so die Experten, Kinder und Jugendliche psychisch besonders belastet. Eine Folge könne sein, dass sie gewalttätig agieren.
Deshalb sei auch von pandemiebedingten Nachholeffekten auszugehen. Bremen und Bremerhaven seien damit nicht allein: Eine Zunahme zeige sich seit dem Ende der Corona-Pandemie in der Mehrzahl der Bundesländer.
Gewaltvideo: Bremerhaven trifft rechte Social-Media-Hetze - Polizei ist gefragt
Rechte Hetzer im Netz nutzen ein Video aus Bremerhaven, um Fremdenhass zu schüren. Diese Gewaltaufrufe müssen die Behörden konsequent ahnden, sagt unser Autor.
Es ist nicht das Thema Mobbing oder Gewalt im Schulalltag, das nun Rechtsextreme in allen Teilen Europas empört. Nein, hier geht es um Rassismus. Der Schüler, der das Opfer im Video ist, hat blonde Haare. Für die Rechtsextremen ist er „der deutsche Junge“ in diesem Theater, welches da im Netz inszeniert wird. Die Täter seien Migranten. Wer die gezeigten Angreifer wirklich sind, ist nicht auszumachen. Alle Beteiligten sprechen Deutsch – einige eine Art Slang. Es fallen Worte wie „Yalla“ (auf Arabisch für „Beeil Dich“). Mehr ist nicht bekannt.
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Laut der Polizei Bremerhaven wurde das Video schon im vergangenen Winter aufgenommen. Die Behörden ermitteln. Damit könnte die Geschichte dieses Videos eigentlich vorbei sein. Gewalt unter Heranwachsenden ist an Schulen leider nicht ungewöhnlich. Im Netz. Auf dem Schulhof. An der Bushaltestelle. Schon immer. Unabhängig von der sozialen Herkunft. Es taugt also allenfalls dazu, über Gewalt an Bremerhavener Schulen zu diskutieren.
Rechte Blogger greifen Bremerhavener Video auf
Dieser Konflikt aus Bremerhaven und das erst jetzt – nach Monaten – verbreitete Video peitscht heute ultrarechte Blogger unter anderem aus Deutschland, Polen und Italien an. Die Persönlichkeitsrechte der gezeigten Jugendlichen werden massiv verletzt. Auf einer Internetseite wird zum Beispiel nur das Opfer gepixelt. Das Schlagwort Bremerhaven fördert in diesen Tagen Hitler- und Göbbels-Bilder hervor.
Auch der rechtsextreme Aktivist Martin Sellner ist auf den Zug aufgesprungen. Ja, der Martin Sellner, gegen dessen Deportationspläne diesen Winter noch mehr als eine Million Menschen in Deutschland auf die Straße gingen. Die Pläne des Extremisten waren auch Anlass für eine Demonstration in Bremerhaven, bei der Ende Januar rund 7.000 Menschen gegen rechts auf die Straße gingen.
Der eigentliche Vorfall an der Bremerhavener Oberschule ist zur Nebensache geworden. Er wird missbraucht. Während in England in diesen Tagen Rechtsextreme ganze Straßenzüge verwüsten, wünschen sich auf X (früher Twitter) rechte Agitatoren ähnliche Szenarien in Deutschland.
Wer an Frieden und Zusammenhalt glaubt, Gewalt und Hass gegen Minderheiten ablehnt, sollte sich bewusst sein, wohin das Teilen dieses Videos führt. Der Vorfall an der Schule ist ein Fall für die Kriminalpolizei, die Hetze durch das Video eine Aufgabe für den Staatsschutz.

Rechtsextreme nutzen das Bremerhavener Gewaltvideo für ihre Zwecke. Foto: Fabian Sommer