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24-Stunden-Reportage

TNachtschicht bei der Dow: Wo die Lichter nie ausgehen

Mitten in der Nacht hell beleuchtet: die Dowanol-Produktionsanlage.

Mitten in der Nacht hell beleuchtet: die Dowanol-Produktionsanlage. Foto: Strüning

Acht Stunden Konzentration bei Luft aus der Klimaanlage, vor 20 Bildschirmen und unzähligen blinkenden Lampen. Was machen die da rund um die Uhr bei der Dow? Und wie halten die das durch?

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Von Lars Strüning
Dienstag, 08.07.2025, 17:15 Uhr

Stade. Lorraine Janowski kann über die Frage nur müde lächeln. „Starken Kaffee trinken“, sagt sie mit einem Schmunzeln. Lorraine Janowski ist heute eine von drei Fachkräften, die die Produktion der Dowanol-Anlage während der Nachtschicht von 22.30 bis 6.30 Uhr betreuen. Zwischen 2 und 3 Uhr kann es schon mal zäh werden. Sie und ihr Kollege Stefan Zobel wissen dann, was zu tun ist.

Bei Müdigkeit hilft ein Gang zur Produktionsanlage

Sie verlassen die futuristisch anmutende Messwarte und checken die Produktion. Die sogenannte Dowanol-Anlage steht auf einem großen Feld des Chemieparks. Die Elbluft ist zu spüren, obwohl kein Wind weht. Eigentlich wäre es stockdunkel, wenn da nicht Tausende Lichter wären, die die Produktionsanlagen hell beleuchten. Das Lichtermeer von Dow und Nachbar Olin teilt sich in mehrere kleine Inseln auf. Jede steht für einen Produktionszweig.

In der Dowanol-Anlage wird Propylen-Oxid mit Alkohol versetzt. Das geschieht in drei Reaktoren unter starkem Druck von 20 bar und hohen Temperaturen von 150 Grad. „Wer Angst vor Schnellkochtöpfen hat, ist hier fehl am Platze“, sagt Stefan Zobel schelmisch. Das Endprodukt wandert in Fässer und wird per Lkw verladen oder en gros per Schiff abtransportiert. Dazu später mehr.

Dowanol wird zum Beispiel zu Farben, Lacken, Lippenstiften, Filzstiften, Glas- oder Backofenreiniger oder Geschirrspülmittel weiterverarbeitet.

Stefan Zobel zieht aus der Anlage eine Probe vom Dowanol.

Stefan Zobel zieht aus der Anlage eine Probe vom Dowanol. Foto: Strüning

Von der Messwarte bis zur Produktionsanlage sind es nur wenige Schritte. Auf den Weg macht sich Zobel alle zwei Stunden. Er nimmt eine Probe aus der Produktion, schaut und horcht, ob die Anlage einen guten Eindruck macht. Läuft diese Nacht, wie eigentlich immer.

Dowanol wird seit 40 Jahren produziert bei der Dow in Stade. Immer unter großen Sicherheitsvorkehrungen. „Safety first“, sagt Zobel entschlossen. Mit etwas Stolz verweist er auf ein Schild am Eingang der Messwarte: Die Anlage läuft seit 7341 Tagen, also seit April 2005, unfallfrei. Täglich produziert sie 200 Tonnen Propylen-Glykol-Methylaether.

Proben gehen ins Labor zur Qualitätskontrolle

Er bringt das kleine Röhrchen ins Labor. Hier steht Lorraine Janowski bereit, um die Proben im Gas-Chromatographen zu analysieren - ob die Inhaltsstoffe stimmen. Das dient der Qualitätssicherung. Bis zu 20 Proben hat sie pro Schicht im Blick. Die Ergebnisse werden dokumentiert. Ziel ist, dem Kunden gleichbleibend gute Qualität zu liefern.

Lorraine Janowski überprüft im Labor die Proben, die zuvor Kollege Stefan Zobel an der Produktionsanlage gezogen hat.

Lorraine Janowski überprüft im Labor die Proben, die zuvor Kollege Stefan Zobel an der Produktionsanlage gezogen hat. Foto: Strüning

Weniger Abwechslung hat heute Tim Schommartz. Er hat den Platz in der Messwarte vor den Bildschirmen. Die Aufgaben rotieren regelmäßig, jeder kann und macht alles, jeder trägt für seinen Bereich Verantwortung. Einen Schichtleiter gibt es nicht. Dow ist ein amerikanisch strukturiertes Unternehmen mit flacher Hierarchie. Die Anlage fährt vollautomatisch, computergesteuert.

Wenn irgendwo der Druck oder die Temperatur sich verändert, ist Tim Schommartz gefragt und muss gegensteuern. Dabei muss er auf 3000 mögliche Alarme adäquat reagieren können. Das Interessante bei diesen qualifizierten Jobs: Schommartz und Janowski sind Quereinsteiger.

In der Messwarte der Dowanol-Produktion: Stefan Zobel (von links), Lorraine Janowski und Tim Schommartz überwachen die Prozesse, die rund um die Uhr laufen.

In der Messwarte der Dowanol-Produktion: Stefan Zobel (von links), Lorraine Janowski und Tim Schommartz überwachen die Prozesse, die rund um die Uhr laufen. Foto: Strüning

Er kommt aus Hamburg und arbeitete elf Jahre als Pharmakant, ehe er vor drei Jahren zur Dow wechselte. Sie kommt aus Drochtersen und war in der Versicherungsbranche tätig. Am Job bei der Dow schätzt Janowski die Abwechslung und die Freiheiten durch den Schichtdienst. Im Büro mit den festgeschriebenen Arbeitszeiten tagsüber war sie nicht mehr glücklich.

Der Dritte im Bunde, Stefan Zobel, ist gelernter Mess- und Regelmechaniker und seit 1989 bei der Dow, jetzt als Industriemeister. Er sagt: „Wir sind hier wie eine Familie.“ Das Team, das normalerweise aus vier Personen besteht, arbeitet auch an Tagen wie Weihnachten oder Silvester gemeinsam. Das schweißt zusammen, wenn die Chemie stimmt.

Site Logistics regelt Fragen rund um den Transport

Eng verbunden ist die Dowanol-Anlage mit der Site Logistics (SL), die sich um Fragen rund um den Transport kümmert. Die deutlich größere Crew hier zählt bis zu zwölf Kolleginnen und Kollegen und versorgt zum Beispiel die Dowanol-Reaktoren mit Alkohol und nimmt das fertige Produkt entgegen.

In der Fasshalle wird Dowanol in 200-Liter-Stahlfässer abgefüllt. Im vergangenen Jahr wurde die Kapazität auf 1000-Liter-Container erweitert. Die Gebinde werden per Lkw an Kunden in ganz Deutschland transportiert. Pro Jahr sind es etwa 200.000. Die Fasshalle wird bei Site Logistics spaßeshalber auch Dosenfabrik genannt.

Die Abteilung verlädt im Jahr 22.000 Tanklastwagen, Lkw oder Kesselwagen der Bahn. Zusätzlich schlägt sie im Jahr rund 700 Schiffe um. In dieser Nacht geht noch eines mit Dowanol im Bauch auf Reisen. Ein Schiff kann schon mal mehr als 12.000 Tonnen fassen.

Stefan Zobel zieht aus der Anlage eine Probe vom Dowanol.

Stefan Zobel zieht aus der Anlage eine Probe vom Dowanol. Foto: Strüning

In der Fasshalle arbeiten drei Leute: André Zengerink steht an der Fassabfüllanlage und überprüft den Prozess. Marco Körner nimmt, neben seiner Tätigkeit im Tankfeld, in der Fasshalle Rückstellproben und stellt sie sicher in den abschließbaren Probenschrank - falls mal Beschwerden vom Kunden kommen. Oliver Meyer bringt die Fässer auf Paletten mit dem Gabelstapler zum Abstellplatz. Drei Lkw-Verladerampen stehen bereit.

Im Probenschrank werden kleine Fläschchen verwahrt - falls mal Reklamationen vom Kunden kommen. Marco Körner hat sie im Griff.

Im Probenschrank werden kleine Fläschchen verwahrt - falls mal Reklamationen vom Kunden kommen. Marco Körner hat sie im Griff. Foto: Strüning

Am Güterbahnhof ein paar Hundert Meter weiter sind zehn Gleise angeschlossen. Die Größe der Anlagen auch zum Befüllen von Lkw oder Kesselwagen ist beeindruckend. Die Fahrt übers weitläufige Dow-Gelände, unter anderem zum Seehafen, nimmt kaum ein Ende. Ab und an kreuzen unbedacht Tiere die Fahrbahn. Häufig sind es Hase oder Fuchs, frei lebende Vierbeiner, die von all dem, was hier in einer Nacht passiert, nichts mitbekommen.

Mitten in der Nacht hell beleuchtet: die Dowanol-Produktionsanlage.

Mitten in der Nacht hell beleuchtet: die Dowanol-Produktionsanlage. Foto: Strüning

André Zengerink überwacht die Abläufe an der Abfüllanlage, wo das Dowanol in die Fässer kommt.

André Zengerink überwacht die Abläufe an der Abfüllanlage, wo das Dowanol in die Fässer kommt. Foto: Strüning

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Oliver Meyer transportiert die Fässer mit dem Dowanol per Gabelstapler.

Oliver Meyer transportiert die Fässer mit dem Dowanol per Gabelstapler. Foto: Strüning

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