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Lehrermangel

Kreis Stade: Nirgends fällt mehr Unterricht aus – Das ist jetzt vereinbart

Auch außerhalb von Grippewellen fällt im Landkreis Stade überdurchschnittlich viel Unterricht aus.

Auch außerhalb von Grippewellen fällt im Landkreis Stade überdurchschnittlich viel Unterricht aus. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Der Brandbrief von Stades Landrat Kai Seefried blieb nicht ungehört. Die Kultusministerin verspricht ein ganzes Maßnahmenbündel und macht Stade zum Musterbeispiel.

Von Redaktion Freitag, 21.02.2025, 19:00 Uhr

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Stade. Um mehr Lehrkräfte auch für die ländlichen Regionen zu gewinnen und Schulen bei nicht besetzten Stellen zu unterstützen, setzen das Niedersächsische Kultusministerium und die Landkreise Stade und Cuxhaven gemeinsam auf abgestimmte landesweite und regionale Maßnahmen. Dazu unterzeichnete Kultusministerin Julia Willie Hamburg am Freitag in Hannover gemeinsam mit den Landräten Kai Seefried und Thorsten Krüger aus Cuxhaven eine entsprechende Kooperationsvereinbarung.

Ziel sei es, die Versorgung mit Lehrkräften landesweit nachhaltig zu sichern. „Aufgrund des bundesweiten Fachkräftemangels gibt es insbesondere in ländlichen Regionen, nichtgymnasialen Schulformen sowie bestimmten Unterrichtsfächern spürbare Engpässe. Grund dafür sind unter anderem zu geringe Absolventenzahlen in Lehramtsstudiengängen sowie das Bewerberverhalten“, sagt die Kultusministerin (Bündnis 90 / Die Grünen).

Welche Maßnahmen das sind? Da werde es keine Ad-hoc-Lösungen geben. Vielmehr seien langfristige Maßnahmen vorgesehen, heißt es am Freitag. „Wir gehen hiermit den Weg der 1000 Schritte. Und sorgen mit einem Bündel an kleineren und größeren Einzelmaßnahmen dafür, die Unterrichtsversorgung langfristig zu sichern“, sagt Ministerin Hamburg.

Unterrichtsversorgung: Landkreis Stade unter dem Landesschnitt

Die Unterrichtsversorgung im Landkreis Stade lag zuletzt bei 90,9 Prozent und liegt damit sechs Prozent unter dem Landes-Durchschnittswert (96,9 Prozent) für Niedersachsen. Nirgendwo in Niedersachsen fehlen mehr Lehrkräfte. Stades Landrat Seefried hatte schon im März 2024 gemeinsam mit Krüger einen Brandbrief an die Ministerin geschrieben.

Die Ende Januar veröffentlichten Daten zur Unterrichtsversorgung geben dabei nur eine Tendenz wider. Inzwischen gab es zwei Einstellungsrunden für Lehrkräfte. Neuere Werte werden nicht zur Verfügung gestellt.

Die schlechteste Unterrichtsversorgung im Landkreis Stade hat die Hauptschule Süd (72,3 Prozent) in Buxtehude, gefolgt von der Oberschule Stade (73,7) und der Johann-Hinrich-Pratje-Oberschule (75,7) in Horneburg.

Lehrkräfte fehlen dort, wo sie gebraucht werden: Förderschulen, Oberschulen, Haupt- und Realschulen tragen ohnehin die Hauptlast bei der Inklusion und der Integration von Flüchtlingskindern. Sie sind neben den Förderschulen die Schulen mit der schlechtesten Unterrichtsversorgung.

Wieso ausgerechnet die Landkreise Stade und Cuxhaven so stark betroffen sind, dafür gibt es aus Sicht der Gewerkschaft mehrere Gründe: In ländlichen Regionen zeichnet sich schon seit längerem ab, dass in Zeiten des Fachkräftemangels Stellen immer schwerer zu besetzen sind. „Wir haben direkt nebenan Hamburg als attraktiven Standort“, hatte Karina Krell (GEW) dem TAGEBLATT gesagt.

Lehrermangel: Das sind die geplanten Maßnahmen

In dem längeren Austauschprozess haben Vertretungen der Landkreise und des Kultusministeriums die konkreten Möglichkeiten geprüft, wie die Situation verbessert werden könne, heißt es vom Ministerium. „Erfolgreiche Maßnahmen können und sollen dann auf andere Regionen mit ähnlichen Problemen übertragen werden“, sagt Ministerin Hamburg: „Ich möchte den beiden Landkreisen Stade und Cuxhaven danken, die den Impuls für die heute unterzeichnete Kooperationsvereinbarung gegeben haben.“

Neben personalplanerischen Maßnahmen sowie der Stärkung der Studienseminare und Unterstützung der Schulen enthält die Kooperationsvereinbarung zudem Ideen der Landkreise, wie neue Lehrkräfte besser beraten und vor Ort unterstützt werden können.

  • Um angehende Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst (LiVD) gezielt für die unterversorgten Landkreise zu gewinnen, soll das Regionale Landesamt für Schule und Bildung (RLSB) in Braunschweig – zuständig für die Zulassung und Einstellung der LiVD landesweit – seine Beratungsleistung im Einstellungs- und Zulassungsverfahren intensivieren. Bewerbungen mit dem Wunsch Stade und Cuxhaven sollen möglichst zügig zugewiesen werden.
  • Um die Standorte der Studienseminare Cuxhaven und Stade als Arbeits- und Lebensraum attraktiver zu gestalten und die Profilbildung zu schärfen, soll das regional zuständige Landesamt Lüneburg mit den Leitungen der beiden Studienseminare in den beiden Kreisstädten kooperieren, um einen vertiefenden Schwerpunkt Digitalisierung und insbesondere KI in der Lehrerbildung vor Ort zu etablieren.
  • Die Landkreise Stade und Cuxhaven wollen eine Willkommenskultur für Lehrkräfte schaffen. So prüfen die Landkreise die Einrichtung eines Lehrkräfte-Servicebüros. Denkbare Ansätze in einem Bündel von Maßnahmen wären neben zusätzlichen Coaching- und Beratungsangeboten auch die Unterstützung bei der Wohnungssuche, bei der Arbeitsplatzsuche von Partnerinnen und Partnern sowie bei der Kitaplatzsuche. Ebenso könnten Lehrkräfte Förderung bei der Mobilität im Nahverkehr erhalten.
  • Angedacht ist überdies eine Marketingkampagne für die Region – unter anderem mit einer Online-Plattform, mit der auch einzelne Schulen und ihr Umfeld vorgestellt werden.
  • Es sei ebenso wichtig, die zentrale Steuerung durch das Kultusministerium stärker abgestimmt in den Blick zu nehmen, heißt es.

Außerdem ist für den Zeitraum August 2025 bis Juli 2027 vereinbart worden, dass die Landkreise an einem geplanten Modellprojekt für Schulen mit schlechter Unterrichtsversorgung teilnehmen. „Im Rahmen des Modellprojekts erhalten die Schulen die Möglichkeit, pädagogisch-organisatorische Ansätze aus den Schulen und aus den Dialogforen – im Sinne von ,Reallaboren‘ zur Bewältigung des Fachkräftemangels – zu erproben“, heißt es. Dabei gehe es um inhaltliche und personelle Hilfen für die jeweilige Unterrichts- und Organisationsstruktur vor Ort.

  • Insgesamt stünden zusätzlich zwei Millionen Euro zur Verfügung. Das Modellprojekt befinde sich derzeit noch in der Planungsphase.
Stades Landrat Kai Seefried.

Stades Landrat Kai Seefried. Foto: Klempow

Landrat Seefried: „Landesweit einzigartig“

„Ich freue mich, dass unsere Initiative auf offene Ohren bei der Kultusministerin gestoßen ist und wir sie für eine Zusammenarbeit gewinnen konnten“, sagt Stades Landrat Seefried. Eine solche Kooperation sei landesweit einzigartig und ein wichtiges Signal für den ländlichen Raum. „Obwohl die Landkreise für die Unterrichtsversorgung nicht originär zuständig sind, sehen wir die hohe Bedeutung des Themas. Die Schulen leiden sehr unter der derzeitigen Situation. Deshalb sind unsere Landkreise bereit, einen Beitrag zu leisten, um die Situation zu verbessern“, betont Seefried. (pm/tip)

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