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Ärztemangel

TNotaufnahmen am Limit: Diese Probleme sorgen in Elbe-Kliniken für Frust

Dr. Jörg Franke ist Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie am Elbe Klinikum Stade und an der OsteMed Klinik Bremervörde.

Dr. Jörg Franke ist Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie am Elbe Klinikum Stade und an der OsteMed Klinik Bremervörde. Foto: Martin Elsen

Die Elbe Kliniken spielen für die Notfallversorgung eine zentrale Rolle. Auch wer keine Behandlungsmöglichkeit in einer Praxis findet, geht in die Notaufnahmen. Das schafft dort Probleme und sorgt für Patientenfrust.

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Von Karsten Wisser
Donnerstag, 21.03.2024, 05:50 Uhr

Landkreis. Die Elbe Kliniken betreiben Notaufnahmen in Stade und Buxtehude, in ihnen werden jährlich fast 80.000 Patienten behandelt. Die Notaufnahmen sind an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr geöffnet.

Der Zentralen Notaufnahme im Elbe Klinikum Stade ist eine Schlaganfall-Einheit und eine Einheit für die Versorgung von Patienten mit Verdacht auf Herzinfarkt angegliedert.

Mit dem regionalen Traumazentrum und der Kinderklinik ist das Elbe Klinikum Stade deshalb die Anlaufstelle für sehr schwerwiegende Verletzungen oder Erkrankungen. „Das führt dazu, dass wir häufig auch von Rettungswagen aus den Landkreisen Cuxhaven und Rotenburg angefahren werden.

In Einzelfällen kommen Rettungswagen sogar aus Bremen“, sagt Dr. Jörg Franke, Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie am Elbe Klinikum Stade und an der OsteMed Klinik Bremervörde.

Zahl der Patienten in den Notaufnahmen steigt um 17 Prozent

Dass es zunehmend schwieriger wird, Facharzttermine zu bekommen, macht sich bei den Notaufnahmen bemerkbar. Die Patientenzahlen in den Notaufnahmen in Stade und Buxtehude sind in den letzten fünf Jahren um circa 17 Prozent gestiegen.

„Wir sehen immer wieder Patienten, die berichten, dass sie mit langanhaltenden Schmerzen zu uns in die Notaufnahme kommen, weil sie zu lange auf einen Facharzttermin warten“, sagt Chefarzt Franke.

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In den Notaufnahmen stiegen mit zunehmenden Patientenzahlen auch die Wartezeiten, „was weder für unsere Patienten noch für unsere Mitarbeiter ein tragbarer Zustand ist“, so Franke.

Dr. Safian Anwar, Ärztliche Leitung der Zentralen Notaufnahme in Stade, spricht ein weiteres Problem an. „Die lange Wartezeit auf Facharzttermine sorgt nach unserer Erfahrung dafür, dass es mehr wirkliche Notfälle gibt“, sagt Safian Anwar: „Manche Menschen verpassen dadurch wichtige frühzeitige Untersuchungen. So werden schwere Erkrankungen manchmal zu spät erkannt und dadurch plötzlich akut.“

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Das Farbschema entscheidet, wann die Menschen behandelt werden

Für die Behandlungsreihenfolge in der Notaufnahme zählt die Dringlichkeit, mit der ein Notfall behandelt werden muss. Darum müssen Patienten, die aufgrund lang andauernder Beschwerden oder mit kleineren Verletzungen kommen, länger warten. Die Einschätzung der Dringlichkeit der Behandlung erfolgt in den Notaufnahmen nach einem Triage-System.

„Das bedeutet, dass die Patienten nach der Schwere ihrer Verletzungen oder Erkrankungen nach einem gewissen Farb-Schema eingestuft werden“, sagt Christina Bunz de Mattes, Ärztliche Leitung der Zentralen Notaufnahme in Buxtehude.

Je nach Einstufung muss der Patient dann in einer vorgegebenen Zeit einem Arzt vorgestellt werden. Rot steht für sofort, orange für zehn Minuten, gelb für 30 Minuten, grün für 90 Minuten und blau für 120 Minuten.

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Viele wären beim Haus- oder Facharzt besser aufgehoben

„Die Personen, die die Einstufung grün oder blau erhalten, kommen in der Regel mit Beschwerden, die kein akuter Notfall sind und deshalb eher vom Haus- oder Facharzt gesehen werden sollten“, sagt Christina Bunz de Mattes.

Die Belastung bei steigenden Zahlen sei in den Zentralen Notaufnahmen sehr hoch. Denn jede Person müsse erfasst, medizinisch gesehen und der Dringlichkeit nach eingestuft werden.

„Die regelmäßigen Auswertungen dieser Notfalleinstufungen zeigen immer wieder, dass etwa ein Drittel aller Patienten, die zu uns in die Notaufnahmen kommen, auch in den Sprechstunden der Hausärzte und Fachärzte behandelt werden könnten“, so Dr. Jörg Franke.

Das ist kein lokales Phänomen. Die Medizinische Hochschule Hannover teilte gegenüber der Deutschen Presseagentur mit, dass im vergangenen Jahr 40 Prozent der 62.000 Patienten in der Notaufnahme keine gravierenden Erkrankungen oder Verletzungen hatten.

Lange Wartezeiten sorgen immer öfter für Unmut

Patienten mit langen Wartezeiten sind verärgert, weil sie die Systematik nicht kennen, dass dringende Notfälle zuerst behandelt werden müssen.

„In den Wartebereichen können die Patienten natürlich auch nicht sehen, wie sehr unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Behandlungsräumen der Notaufnahme belastet sind und nicht selten um das Leben der schwer verletzten oder schwer erkrankten Patienten kämpfen“, sagt Dr. Franke. Der Unmut, der hierbei entstehe, stelle für alle Beteiligten eine zusätzliche Belastung dar.

Patienten warten im Wartezimmer einer Arztpraxis.

Lange Wartezeiten sind meist ein Ärgernis Foto: Sina Schuldt/dpa

An den Notaufnahmen in Stade und Buxtehude sind bereits heute Notdienste über kassenärztliche Bereitschaftsdienste angeschlossen, die sich um die Patienten kümmern, die eigentlich auch in der Hausarztpraxis behandelt werden könnten.

In Stade stehen diese Möglichkeiten 28 Stunden in der Woche und in Buxtehude zwölf Stunden in der Woche zur Verfügung. In anderen Kliniken gibt es diese integrierten Notfallpraxen - besetzt von niedergelassenen Ärzten - bereits rund um die Uhr, wodurch aus Kliniken-Sicht eine Entlastung der Notaufnahmen entsteht.

Für die Patienten verkürzen sich die Wartezeiten deutlich.

Dr. Jörg Franke

Kassenärztliche Notfallpraxis rund um die Uhr

„Die Kliniken haben hierdurch die Möglichkeit, sich auf die schweren Notfälle zu konzentrieren und für die Patienten verkürzen sich die Wartezeiten deutlich“, sagt Chefarzt Dr. Franke. Eine solche Ausweitung würden die Elbe Kliniken begrüßen.

Die vielen Patienten in den Notaufnahmen belasten die Kliniken auch finanziell massiv. Die Finanzierung der Notfallversorgung durch die Kostenträger ist nicht ausreichend.

„Wir müssen zur Versorgung unserer Notfallpatienten rund um die Uhr an sieben Tagen pro Woche eine große Anzahl an Ärzten und Pflegekräften vorhalten“, so Chefarzt Franke. Das führe zu sehr hohen Vorhaltekosten.

Auch in der Nacht, wenn weniger Patienten in die Notaufnahmen kommen, müssen das Personal und alle Diagnosegeräte einsatzbereit sein, um im Notfall zur Verfügung zu stehen.

Siebenstelliges Defizit bei der Versorgung der Notfälle

Die Kostenerstattung, die die Elbe Klinken für die einzelne Notfallbehandlung erhalten, berücksichtigt diese Ausgaben nicht. „Dieser Umstand alleine verursacht in unseren Krankenhäusern jährlich ein siebenstelliges Defizit“, sagt Dr. Jörg Franke.

Auch das sei ein Grund dafür, dass viele Krankenhäuser von Zahlungsunfähigkeiten bedroht oder insolvent sind.

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