Zähl Pixel
Medizin

TNotfall an Feiertagen oder nachts? Ärzte geben Bereitschaftsdienst ab

Der niedergelassene Kardiologe und Sportmediziner Dr. Stephan Brune ist Bezirksausschuss-Vorsitzender der Bezirksstelle Stade der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN).

Der niedergelassene Kardiologe und Sportmediziner Dr. Stephan Brune ist Bezirksausschuss-Vorsitzender der Bezirksstelle Stade der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN). Foto: Wisser

Für Patienten und Ärzte im Landkreis Stade ist es eine grundlegende Veränderung. Der Bereitschaftsfahrdienst fällt weg. Wer außerhalb der Praxiszeiten Hilfe braucht, trifft auf ein neues System.

author
Von Karsten Wisser
Donnerstag, 17.04.2025, 18:53 Uhr

Landkreis. Wenn Arztpraxen geschlossen sind, etwa nachts, können Patienten über die Rufnummer 116117 den Bereitschaftsdienst der niedergelassenen Ärzte erreichen. Machen diese sich auf den Weg zum Patienten, ist das der fahrende Bereitschaftsdienst.

Die Vertragsärzte geben den Fahrdienst ab

Es gibt dazu als zweite Säule der Versorgung den sogenannten sitzenden Bereitschaftsdienst an den Elbe Kliniken in Stade und Buxtehude.

Die erste Säule der Bereitschaftsdienste wird von der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) an die Johanniter übertragen. Die zweite Säule, der Sitzdienst der Vertragsärzte, bleibt unverändert.

Die KVN trennt sich damit vom verpflichtenden Fahrdienst für ihre 16.000 Mitglieder. Entsprechende Informationen bestätigte Dr. Stephan Brune. Der niedergelassene Kardiologe und Sportmediziner ist Bezirksausschuss-Vorsitzender der KVN-Bezirksstelle Stade.

Arbeitsbelastung für Praxisärzte reduzieren

„Wir wollen die Belastung für die niedergelassenen Ärzte reduzieren“, sagte Stephan Brune gegenüber dem TAGEBLATT.

Das gilt bislang: Seit Januar 2020 ist die Telefonnummer 116117 die zentrale Anlaufstelle für Patienten - rund um die Uhr und sieben Tage in der Woche. Hier erreichen Bürger nicht nur den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst, sondern auch die Terminservicestelle der KVN. Bei immobilen Personen und entsprechender medizinischer Indikation kommt bisher der fahrende Hausbesuchsdienst.

Wir wollen die Belastung für die niedergelassenen Ärzte reduzieren.

Stephan Brune, niedergelassener Kardiologe und Sportmediziner

In der Nacht können Hausbesuche auch bei Menschen ohne Immobilität und bei entsprechender medizinischer Indikation erfolgen - falls die Behandlung keinen Aufschub duldet, aber keine Vorstellung im Krankenhaus erforderlich ist.

Nur bei akuter Lebensgefahr: weiterhin 112 wählen

Notfälle werden direkt an die Rettungsdienste weitergeleitet. In einer lebensbedrohlichen Situation soll auch weiterhin die Nummer 112 angerufen werden.

Mehr zum Thema Medizin

Das ändert sich jetzt: Der nächtliche Bereitschaftsdienst wird ab Juni in Niedersachsen von den Johannitern übernommen. Sie haben sich in einer Ausschreibung durchgesetzt. Die Kosten tragen weiterhin die Ärzte. Sie haben in ihrer Vertreterversammlung entschieden, die Bereitschaftsdienstumlage für jede Praxis von 0,3 Prozent des Umsatzes auf 0,9 Prozent anzuheben. Damit zahlt jede Praxis mehr Geld für die Abgabe des Bereitschaftsdienstes an die Johanniter.

Niedergelassene Ärzte zahlen für mehr Freizeit

„Freizeit kostet Geld“, beschreibt Detlef Haffke, KVN-Pressesprecher, das Ergebnis der Vertreterversammlung.

„Wir haben mit den Johannitern einen landesweit starken Partner gefunden“, sagte Thorsten Schmidt, der stellvertretende KVN-Vorstandsvorsitzende.

Mehr Nachrichten aus der Region

So funktioniert der neue Ablauf für die Patienten: In jedem Fall bekommt ein Anrufer bei der Nummer 116117 zukünftig eine telemedizinische Ersteinschätzung. So wird entschieden, ob außerhalb der Praxisöffnungszeiten ein Hausbesuch nötig ist.

In 30 Minuten zur Sprechstunde mit einem Arzt

Es gibt hier außerdem das Angebot, dass der Anrufer innerhalb von 30 Minuten via Video- oder Telefonat-Sprechstunde mit einem Arzt reden kann. Dieser kann Rezepte und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausstellen. So schildert KVN-Sprecher Detlef Haffke den neuen, geplanten Ablauf.

Ist das Krankheitsbild dringend, aber nicht lebensbedrohlich, greifen die Johanniter als Ersatz für die niedergelassenen Ärzte ein. Zwei Personen - medizinisches Fachpersonal - fahren dann in einem Pkw zum Patienten. Sie können dabei telemedizinisch von einer Ärztin oder einem Arzt unterstützt werden.

Pilotprojekt: Über die Hälfte weniger Arzteinsätze

Die Johanniter haben vor Ort wieder alle Optionen und können zum Beispiel einen Rettungswagen alarmieren.

„Wir haben in einem Pilotprojekt festgestellt, dass in über 50 Prozent der Fälle kein Arzt gebraucht wurde“, sagt Detlef Haffke. Deshalb würden sich nur in seltenen Fällen eine Ärztin oder ein Arzt auf den Weg machen. Allerdings könnten Ärzte, die das wollen, weiterhin beim Bereitschaftsfahrdienst mitmachen, so Stades Ärzte-Sprecher Stephan Brune.

Die Augenärzte und die Kinderärzte fallen nicht unter die neue Regelung. Sie haben weiterhin ihre eigenen Notdienste.

Weniger Dienste: Hilfe gegen das Praxissterben?

Bei den Ärzten gibt es die Hoffnung, dass durch die Entlastung jüngere Ärzte wieder Lust auf eine eigene Praxis haben und ältere Ärzte ihre Praxis erst später endgültig schließen.

Denn: Das Praxissterben hat auch den Landkreis Stade erreicht. „Wir bekommen auf freie Arztsitze nur sehr wenige Bewerbungen“, sagt Stephan Brune. Das führt dazu, dass sich die gleiche Anzahl der Dienste auf weniger Schultern verteilt. Auch die Tendenz, dass junge Ärzte lieber als Angestellte arbeiten, befeuert diesen Trend. Sie können sich vertraglich von den Bereitschaftsaufgaben befreien lassen.

Angst, nachts alleine unterwegs zu sein

Ein weiteres Problem: Stephan Brune stellt außerdem fest, dass gerade Ärztinnen zunehmend Ängste haben, mitten in der Nacht alleine unterwegs zu sein: „Die Aggressivität gegenüber dem medizinischen Personal hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen.“

Ein Schild mit der Aufschrift Arzt. Für den Berufsstand gibt es im Juni eine wichtige Veränderung.

Ein Schild mit der Aufschrift Arzt. Für den Berufsstand gibt es im Juni eine wichtige Veränderung. Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Weitere Artikel