TReaktivierung: So steht es um die Bahnstrecke Rotenburg-Bremervörde

„Relativ gute Chancen“: Auf den Gleisen bei Waffensen könnten zwischen Rotenburg und Bremervörde irgendwann nicht nur Güter-, sondern auch wieder Personenzüge fahren. Foto: Heitmann/Kreiszeitung
Um die großen Pläne zur Reaktivierung von Bahnstrecken ist es ein wenig still geworden. 21 Strecken sind niedersachsenweit noch im Rennen. Auch die zwischen Rotenburg und Bremervörde.
Landkreis Rotenburg. Über die verbleibenden Strecken wird die Landesverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG) im Auftrag des Landes nun erst Mitte März entscheiden. Vier weitere Strecken sind sogar bereits in einem beschleunigten Verfahren, darunter Lüneburg-Soltau und Bremervörde-Stade. Dass diese vier Verbindungen ertüchtigt werden, ist laut Malte Diehl von Pro Bahn keine Frage des Ob mehr, sondern nur noch eine Frage des Wie.
Und auch für die anderen 21 Abschnitte, darunter Rotenburg-Bremervörde und Zeven-Tostedt, ist Diehl durchaus optimistisch. „Es werden noch Kandidaten rausfliegen, aber zehn bis 15 Strecken könnten durchs Verfahren kommen, 15 wären toll“, sagt der ÖPNV-Befürworter, nachdem schon in Runde eins aussichtslose Strecken ausgeschieden waren.
Diehl zeigt sich damit zuversichtlicher, als der Landesrechnungshof das kürzlich getan hat. Der hatte in seinem Bericht für 2024 auf eine Unterfinanzierung des Schienenverkehrs durch das Land hingewiesen und sich dabei auch auf die Reaktivierung einst stillgelegter Bahnstrecken bezogen. „Die verfügbaren Haushaltsmittel reichen nicht einmal für den Erhalt der vorhandenen ÖPNV-Infrastruktur aus“, schreibt der Rechnungshof. Und: Um das Ziel zu erreichen, die Fahrgastzahlen zu steigern, gehöre die Streckenreaktivierung zu den zwingend erforderlichen Maßnahmen.
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Diehl macht sich allerdings auch Sorgen, ob das Land den Betrieb reaktivierter Strecken finanzieren könne und vor allem wolle. Bei einem Jahresetat von 42 Milliarden Euro sollten 120 Millionen Euro dafür eigentlich drin sein, so der Pro-Bahn-Sprecher. Was Diehl skeptisch werden lässt: Niedersachsen gehe mit den sogenannten Regionalisierungsmitteln nicht gut um. „Ein erheblicher Teil, der eigentlich für die Eisenbahn gedacht ist, fließt in den Schülerbusverkehr, das ist eine Zweckentfremdung.“
Der Schritt, der jetzt zu gehen ist, ist aber ohnehin erst mal das besagte Prüfverfahren. Dass sich dies derzeit um drei Monate verschiebt, bringt Diehl nicht aus der Ruhe. Das sei eine technische, keine politische Verzögerung, die den Zeitplan nicht durcheinanderwirft. Und die derzeit laufende abgespeckte Version einer finalen standardisierten Bewertung sei sinnvoll, um Strecken auszusieben und kein Geld zum Fenster herauszuschmeißen, denn die Bewertung koste das Land viel Geld, schon jetzt eine sechsstellige Summe.
Ziel der LNVG bleibe, bis 2026 endgültige Ergebnisse vorzulegen. Diehl ist sicher, dass es dazu kommen wird, Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) müsse Erfolge vorweisen. In der Tat hat sich Lies im vergangenen Jahr aus dem Fenster gelehnt: Alle fraglichen Streckenabschnitte hätten gute Chancen, ab 2027 in die Umsetzung zu kommen, so der Minister vor gut einem Jahr. Wichtig sei auch der Kontakt mit den Kommunen und, wo bereits vorhanden, den Bahnstreckenbetreibern, meinen sowohl Lies als auch Diehl.
Die Bahn konkurriere nicht mit dem Bus
Konkret für Rotenburg-Bremervörde mit geplanten Haltestellen unter anderem in Waffensen und Zeven sieht Diehl relativ gute Chancen, schlicht und einfach, weil die Umsetzung recht günstig wäre. Auf der Strecke sind jetzt schon Güterzüge unterwegs und künftig könnten zwei im Stundentakt hin und her pendelnde Triebwagen hinzukommen. Das Fahrgastpotenzial sei auf dieser Verbindung durch dünn besiedeltes Gebiet allerdings ein Schwachpunkt, anders als bei Zeven-Tostedt. Diese Zugverbindung hielte Diehl für noch wichtiger, unter anderem weil sie Zeven über Tostedt an die Bahnlinie Hamburg-Bremen anbinden würde.
Den Einwand, dass sich Zug- und Busnetz durch die Bahnstreckenreaktivierung Konkurrenz machen, hält Diehl für unbegründet. Im Gegenteil, es könnten Ergänzungen und Knotenpunkte entstehen, die sowohl der Bahn als auch den auf Kreisebene organisierten Linienbussen mehr Fahrgäste bescherten. Ein Gleisanschluss in Zeven könne zum Beispiel der Buslinie Zeven-Bremervörde einen Schub geben.
Bahnreaktivierung ist unabhängig von Bundestagswahl
Auch die Bundestagswahl und deren Ausgang werde kein Hemmschuh für die Bahnstreckenreaktivierung, ist Diehl überzeugt, der für die SPD in Oldenburg engagiert ist. Der Bund finanziert zwar zu circa 90 Prozent die Streckensanierung und es gebe leider zwischen Bund und Land unterschiedliche Partikularinteressen, so Diehl. Aber es werde keine neue Bundesregierung geben, die einen Kahlschlag im ÖPNV vornimmt und sämtliche Töpfe schließt.
„Parteipolitik wird wenig Einfluss auf die Streckenreaktivierung haben.“ CDU und SPD würden sich bei dem Thema wenig nehmen, beide machten bei diesem Thema das Nötigste, die Grünen würden vielleicht etwas mehr machen, die AfD ist bekanntlich wenig Eisenbahn-affin, aber wird wohl kaum den künftigen Bundesverkehrsminister stellen.
Pro Bahn hat auf die Entscheidung keinen Einfluss
Und dass 2027 in Niedersachsen Landtagswahl sein wird, könnte die Dinge beschleunigen. „Olaf Lies muss bis dahin noch ein Band durchschneiden“, meint dessen Parteigenosse Diehl. Ein Scheitern der Strecken aus dem beschleunigten Verfahren wäre „eine Blamage“, die das Land sicher vermeiden wolle. Für die Strecke Bremervörde-Stade gibt es noch technische Probleme, aber Lüneburg-Soltau könnte, „mit großem Konjunktiv“, in zwei Jahren eröffnet werden und in Betrieb gehen, falls es dann die erforderlichen Triebwagen gibt.
So weit ist es für die Strecken Rotenburg-Bremervörde und Zeven-Tostedt noch nicht, sie müssen in zwei Monaten erst mal den Einzug in die letzte Runde schaffen. Die Entscheidung trifft das Land. Pro Bahn um den ehrenamtlich tätigen Malte Diehl ist zwar im regelmäßig tagenden Lenkungskreis vertreten, hat dort aber kein Entscheidungsrecht. Diehl: „Ich bin auch sehr gespannt auf das Ergebnis.“ (rk)