TRund um die Uhr mobil auf dem Land? Diese Region zeigt, wie es geht

Kleinere Shuttle-Busse schließen Lücken im Nahverkehrsnetz. Foto: NAH.SH
Stündlich die Chance auf einen Bus? Nachts mit dem Nahverkehr zurück ins Dorf? Undenkbar auf dem Land. Aber machbar: Die Schlei-Region probiert es aus.
Kapseln.. Drei Jahre - das ist knapp für ein Nahverkehrsprojekt dieser Dimension. „Das wussten wir vorher“, sagt Michel Hansen, Smile24-Projektkoordinator. Es geht um eine für den ländlichen Raum gewagte Idee. Rund um die Uhr soll über den Nahverkehr immer ein Weg zum Ziel führen. Mit viel Geld ist daraus das Projekt Smile24 geworden.
Bund gibt 30 Millionen Euro für Modellprojekt
Der Bund hat es mit 30 Millionen Euro gefördert, angelegt auf drei Jahre. Das Land Schleswig-Holstein gibt weitere 7 Millionen Euro. Das Geld ermöglicht, Nahverkehr neu zu denken und auszuprobieren. Das passiert noch bis Ende des Jahres durch den Verkehrsverbund NAH.SH GmbH in der Schlei-Region.
Daher der Projektname: Schlei-Mobilität: innovativ, ländlich, emissionsfrei und 24/7 - Smile24. Diese Schlei-Region hat ihre Herausforderungen, das hier sind drei:
1. „Es ist ein sehr ländlicher Raum“, sagt Hansen. Das sollte auch so sein, damit die Modellregion als Blaupause für andere dienen kann. Auf rund 1000 Quadratkilometern leben 120.000 Menschen, davon 45.000 in den Städten Schleswig und Eckernförde. Zum Vergleich: Die Fläche Hamburgs ist mit 750 Quadratkilometern kleiner - hier leben aber 1,95 Millionen Menschen.
Thema der Woche
T Wenn die Fahrt mit dem „Start“ zum Abenteuer wird
Thema der Woche
T Mehr als ein Lückenfüller - Mobilitätsangebote auf dem Land
2. Die Schlei-Region erlebt saisonal großen Zuwachs, vor allem die Tourismuszentren Eckernförde und Kappeln. Erst im Februar titelte der „Schlei-Bote“ zum Tourismus-Boom: „Urlauber in Kappeln: Wie lange dauert es noch bis zur Million?“ Die Urlauber werden als Fahrgäste in der Region mitgedacht.

Die Karte zeigt die Schlei-Region mit dem Smile24-Projekt. Foto: NAH.SH
3. Die Schlei, das ist der Fluss, der sich „so wunderschön dadurch schlängelt, aber für die Busplanung eine Herausforderung ist“, schildert Hansen. Die Region betrifft die zwei Landkreise Rendsburg-Eckernförde und Schleswig-Rendsburg mit ihren Verkehrsunternehmen. Die Situation scheint zumindest in Teilen mit dem Landkreis Stade vergleichbar, wo im Norden die Oste die Kreise Stade und Cuxhaven trennt und Brücken Kilometer auseinander liegen.
E-Busse auf Expresslinien
Smile24 funktioniert so: Neue E-Busse ergänzen das bestehende Netz und verbinden auf Expresslinien die Zentren Eckernförde, Kappeln und Schleswig. Dazu kommen Tourismuslinien, die sehenswerte Orte und Strände ansteuern. In dieser Saison ist auch ein spezieller Fahrradbus im Einsatz.

Express-Bus, Shuttle-Busse, Carsharing und Fahrradsharing - kombiniert sorgt das für ein fast lückenloses Nahverkehrs-Angebot. Foto: Deutsche Bahn AG
Dort wo die schnellen Busse nicht fahren, ist das NAH.Shuttle unterwegs. Ein Netz aus 3600 Haltepunkten liegt über der Region, die nächste Haltestelle soll nie weiter als 300 Meter entfernt sein. Wer ein Shuttle braucht, kann das über die App buchen. Der On-Demand-Dienst fährt auch nachts.
Auch Fahrräder schließen Lücken
Dazu kommt das Carsharing-Angebot mit Elektroautos an 14 Standorten, die über zwei Anbieter gebucht werden können. An mehr als 50 Stationen stehen außerdem Fahrräder zum Ausleihen. Die erste halbe Stunde der Leihe ist kostenfrei. Per App wird gebucht.
Thema der Woche
T Bahnhofs-Check Harsefeld: Gutes Image mit kleinen Makeln
Seit einem Jahr läuft der Betrieb. In Rekordzeit von 15 Monaten ist nach der Förderzusage die Idee auf der Straße gewesen, wurden Fahrzeuge gekauft und Personal eingestellt. Wie kommt der neue Nahverkehr bisher bei den Menschen an? „Insgesamt haben wir eine Fahrgaststeigerung im Gesamtsystem von 50 Prozent, was sehr viel ist“, sagt Hansen. Der Vergleich bezieht sich aber auf die Zahlen vor Einführung des Deutschlandtickets. Unabsichtlich habe das Projekt es erst möglich gemacht, das Ticket in der Region zu nutzen.
Mehr Lebensqualität auf dem Land
Vor allem frühmorgens und nachmittags gibt es Spitzen in der Nachfrage. „Anfragen gibt es aber konstant an das System, rund um die Uhr.“ Die Resonanz ist gut: „Es gibt ein großes Interesse der Menschen, wir bekommen überwiegend ein positives Feedback.“

Michel Hansen, SMILE24-Projektkoordinator.
Smile24 hat Auswirkungen auf den Alltag. Ein Theaterbesuch in Schleswig samt Rückfahrt ins heimische Dorf am späten Abend ist möglich. Senioren sind zum Einkaufen mobil, Jugendliche können mit dem Shuttle zum Sport fahren. Eltern sparen sich die Zeit für Hol- und Bringdienste. Arbeitsplätze sind plötzlich erreichbar.
Das größte Problem sieht Hansen in der Technik. Nicht immer zeigt die App alle Möglichkeiten an. Das macht es schwieriger, die Idee der verknüpften Mobilität den Menschen nahezubringen. „Wir brauchen bessere Auskunftsmedien“, sagt der Projektkoordinator - auch dafür bräuchte das Projekt mehr Zeit.
Nicht immer klappt alles reibungslos
Wenn etwas nicht klappt, hat ein kleiner Fehler im System große Auswirkung auf Einzelne. „Ein Frustrationserlebnis“, weiß Hansen. Vor allem, wenn ein älterer Mensch vielleicht mit dem Shuttle zum Arzt fahren wollte. Bisher seien das Ausnahmefälle.
Noch bis Ende des Jahres ist Zeit, Erfahrungen zu sammeln, zu sehen, was gut funktioniert, wo der Bedarf ist und was ohne Förderung finanzierbar ist. Auch die Auswirkungen auf den Tourismus stehen in dieser Saison im Fokus.
Was würde er sich für die Zukunft für den Nahverkehr auf dem Land wünschen? Michel Hansen: „Eine gute, verlässliche Finanzierung für den ÖPNV, die Effekte auf eine Region ganzheitlich zu betrachten und dass wir weiter mutig sind, fortzuführen, was gut funktioniert.“
Informationen gibt‘s unter https://smile24.nah.sh/.