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TS-Bahn: Viel mehr Zugausfälle in diesem Jahr - Experten nennen Probleme und Lösungsansätze

Ein S-Bahnzug hält am Bahnhof Buxtehude. Laut der S-Bahn Hamburg fahren die Züge auf der neuen S-Bahnlinie S5 zu 95,6 Prozent pünktlich.

Ein S-Bahnzug hält am Bahnhof Buxtehude. Laut der S-Bahn Hamburg fahren die Züge auf der neuen S-Bahnlinie S5 zu 95,6 Prozent pünktlich. Foto: Sulzyc

Mehr ausgefallene Züge und immer mehr Menschen, die in die Gleise springen: Die S-Bahn hat aktuell mit einigen Problemen zu kämpfen. Für den Kreis Stade ist eine spektakuläre Neuerung angedacht.

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Von Thomas Sulzyc
Freitag, 14.06.2024, 19:20 Uhr

Buxtehude. Störungen durch Menschen auf den Gleisen bereiten der S-Bahn massive Probleme. „Wir haben eine Zunahme der Personen im Gleis in Buxtehude und Neu Wulmstorf um 20 Prozent“, sagte Andre Schwarz, Geschäftsführer Produktion und Technik der S-Bahn Hamburg, bei einem Expertengespräch mit dem Titel „Runder Tisch S-Bahn“ am Freitag im Stadthaus in Buxtehude.

Wer sind die Menschen, die ohne Rücksicht auf andere den Bahnverkehr beeinträchtigen? Die Antwort ist verblüffend: Das seien zum Beispiel Leute, die ins Gleis springen, weil ihnen beim Aussteigen die Kopfhörer heruntergefallen sind, nannte Schwarz ein Beispiel.

Andre Schwarz ist als Geschäftsführer für Produktion und Technik bei der S-Bahn Hamburg tätig: "Wir haben eine Zunahme der Personen im Gleis von 20 Prozent in Buxtehude und Neu Wulmstorf."

Andre Schwarz ist als Geschäftsführer für Produktion und Technik bei der S-Bahn Hamburg tätig: "Wir haben eine Zunahme der Personen im Gleis von 20 Prozent in Buxtehude und Neu Wulmstorf." Foto: Sulzyc

Oder Menschen, die den Weg abkürzen wollen und deshalb die Gleise queren. Etwa, um nicht durch einen Tunnel zu müssen. „Das sind Gewohnheitstäter“, sagte Schwarz. Wegen der auffälligen Steigerung in Buxtehude und Neu Wulmstorf sei die S-Bahn Hamburg mit der Bahnpolizei in Gesprächen.

Bisher galt in der öffentlichen Wahrnehmung die große Zahl drogensüchtiger Menschen am Hamburger Hauptbahnhof als verantwortlich für Störungen im Gleis. Trotz zusätzlich installierter Zäune: Das Problem wird bleiben. Die Deutsche Bahn sehe keine Bewegung bei der Freien und Hansestadt Hamburg, das zu ändern. „Leider nicht“, sagte Kristina Thaiß, Leiterin des Instandhaltungsmanagements der Deutschen Bahn im Hamburger Bahnnetz, das bis nach Stade reicht.

Bei Inspektionen entlang der Gleise am Hamburger Hauptbahnhof zögen Bahnmitarbeiter Helm und Körperschutz an. „Weil Menschen wie Zombies alles auf die Gleise herunterwerfen“, berichtete Thaiß.

Verspätungen und Zugausfälle bei der S-Bahn

Was Bahngäste im Landkreis Stade nervt: Verspätungen und Zugausfälle. Ist die S-Bahn seit Einführung der neu eingerichteten Linie 5 im Dezember 2023 nun pünktlicher geworden? Das wollte Birgit Butter aus Hedendorf wissen.

Die CDU-Landtagsabgeordnete hatte das Expertengespräch zum zweiten Mal organisiert. Unter den Teilnehmern waren unter anderem auch Lars Kappel, Leiter der Bahntochter Start Unterelbe, und Falk Fehsenfeld, Leiter des Bereichs Angebot bei der Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG).

Die CDU-Landtagsabgeordnete Birgit Butter aus Hedendorf hat den Runden Tisch S-Bahn organisiert. „Ich fahre mit der Bahn, wenn ich Zeit habe.“

Die CDU-Landtagsabgeordnete Birgit Butter aus Hedendorf hat den Runden Tisch S-Bahn organisiert. „Ich fahre mit der Bahn, wenn ich Zeit habe.“ Foto: Sulzyc

Sie fahre mit der Bahn, wenn sie Zeit habe, sagte Birgit Butter. „Wenn ich es eilig habe und pünktlich sein muss, nehme ich das Auto.“ Kein gutes Zeugnis also, das die Politikerin den Bahnbetreibern ausstellt.

Die S-Bahn Hamburg ficht das nicht an: Laut dem Unternehmen fahren die Züge auf der neuen Linie S5 zu 95,6 Prozent pünktlich, berichtete Schwarz. Das bedeute eine Steigerung in der Pünktlichkeit um mehr als einen halben Prozentpunkt im Vergleich zum Vorjahr.

„Das neue Liniennetz ist auch in Niedersachsen erfolgreich“, lautet das Fazit von Schwarz. Im gesamten neu eingerichteten Netz der S-Bahn Hamburg fahren die Züge laut dem Unternehmen zu 96,1 Prozent pünktlich. Das sei deutlich über der Zielvorgabe von 94,0 Prozent.

Wie kommt es dann, dass Bahngäste aus dem Landkreis Stade das Gefühl haben, regelmäßig von Unregelmäßigkeiten betroffen zu sein? Zugausfälle sind in der Pünktlichkeitsquote nicht berücksichtigt. Die mathematische Logik dahinter: Fährt ein Zug gar nicht erst ab, kann er nicht unpünktlich sein.

„Ein Zugausfall ist doch die schlimmste Form der Unpünktlichkeit“, sagt Birgit Butter dazu. Und die Zahl der nicht gefahrenen Kilometer auf der Strecke zwischen Stade, Buxtehude und Hamburg-Hauptbahnhof ist deutlich gestiegen.

Die Ausfallkilometer auf diesem Streckenabschnitt haben laut der S-Bahn Hamburg aufgrund von externen, also nicht von der Bahn verschuldeten Ursachen im Jahr 2024 stark zugenommen. In diesem Jahr gab es demnach im Vergleich zu 2023 insgesamt 116 Prozent mehr Zugausfallkilometer. Die Gründe: Personen im Gleis (insbesondere zwischen den Haltestellen Elbbrücken und Wilhelmsburg), umgestürzte Bäume und Äste auf dem Gleis zwischen Neugraben und Stade sowie Störungen durch extreme Kälte.

Störungen an den Bahnübergängen

Ein großes Thema im Süden Hamburgs seien Störungen des Bahnverkehrs an den Bahnübergängen. Die Deutsche Bahn habe deshalb in die Modernisierung investiert. Radsensoren und Kabelanlagen seien deshalb zum Beispiel erneuert worden. Die Störanfälligkeit der Bahnübergänge sei dadurch deutlich reduziert worden, sagte Kristina Thaiß. Das wirke sich auf den Verkehrsfluss aus - gut für die Bahngäste.

Beim ersten Runden Tisch S-Bahn in Buxtehude im vergangenen Jahr hatte Andre Schwarz die Schließung von Bahnübergängen zwischen Neugraben und Buxtehude in Aussicht gestellt. Passiert ist bisher nichts. Möglicherweise dürfte sich das jetzt aber ändern.

„Unser Ziel ist es, die Bahnübergänge Adamczak und Landscheide zu schließen“, sagte Kristina Thaiß. Die beiden Bahnübergänge würden jeweils lediglich landwirtschaftlich genutzt. Die Umwege, die Traktoren fahren müssten, seien den Landwirten zumutbar.

Damit einverstanden müsste sich die Straßenverkehrsbehörde der Hansestadt Buxtehude erklären. Buxtehudes Erster Stadtrat Ralf Dessel deutete Zustimmung an. Grundsätzlich halte er es in einer ersten Einschätzung für sinnvoll, diese beiden Bahnübergänge zugunsten eines besser fließenden Bahnverkehrs aus der Nutzung zu nehmen. „Ein bin ein Freund davon“, sagte Birgit Butter, die auch dem Buxtehuder Stadtrat angehört.

Start-Züge enden länger als geplant in Harburg

Das Expertengespräch brachte eine schlechte und eine gute Neuigkeit für Bahngäste aus dem Kreis Stade. Die schlechte: Ein weiteres Mal verzögert sich die geplante Weiterfahrt der Regionalzüge der Bahntochter Start Unterelbe (RE5) bis zum Hamburger Hauptbahnhof. Seit Ende 2022 enden die Start-Züge in Hamburg-Harburg. Der Grund sind Bauarbeiten bei der Modernisierung des Gleisnetzes.

Ursprünglich sollten die Start-Regionalzüge ab dem 29. Juli wieder bis zum Hauptbahnhof fahren. Daraus wird nichts, sagte Unternehmensleiter Lars Kappel. Wie lange die Verzögerung andauert, werde die Deutsche Bahn in der nächsten Woche mitteilen. „Es geht nicht nur um Monate“, sagte Kappel lediglich.

Kristina Thaiß (Deutsche Bahn) ist zuständig für die Instandhaltung im Hamburger Bahnnetz: ""Wir sind palliativ unterwegs."

Kristina Thaiß (Deutsche Bahn) ist zuständig für die Instandhaltung im Hamburger Bahnnetz: ""Wir sind palliativ unterwegs." Foto: Thomas Sulzyc

Grund für die erneute Verzögerung: Die Modernisierung des Gleisnetzes im Umfeld des Hamburger Hauptbahnhofs erweist sich zäher als erwartet. Brücken seien total überaltert, sagte Kristina Thaiß. „Wir sind dort palliativ unterwegs.“ In der Medizin bedeutet palliativ die Versorgung schwerkranker Menschen mit einer nicht heilbaren Grunderkrankung.

Geplante S6 als Express nach Stade

Die gute Nachricht für Bahnnutzer im Landkreis Stade: Die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG) plant frühestens ab 2030 oder später eine S-Bahnline S6 als Express bis nach Stade in Ergänzung zum Regionalzug RE5.

Das ist die Idee: Ein S-Bahnzug würde auf dem Gleis der Linie RE5 in Stade, Horneburg und Buxtehude halten und sich in Neugraben in das S-Bahnnetz eingliedern. Die Finanzierung steht allerdings noch nicht.

Die Teilnehmer am Bahngipfel im Stadthaus Buxtehude: Birgit Butter und Kristina Thaiß (vorne von links); Mitte: Lars Kappel (links) und Karsten Leist; hinten: Andre Schwarz (von links), Dirk Thamm und Falk Fehsenfeld.

Die Teilnehmer am Bahngipfel im Stadthaus Buxtehude: Birgit Butter und Kristina Thaiß (vorne von links); Mitte: Lars Kappel (links) und Karsten Leist; hinten: Andre Schwarz (von links), Dirk Thamm und Falk Fehsenfeld. Foto: Thomas Sulzyc

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