TA27-Sperrung bis Silvester? – Video zeigt Ausmaß der Schäden

Die A27 ist für den Verkehr gesperrt. Foto: Sina Schuldt/dpa
Die Autobahn 27 ist bei Uthlede wegen eines rostigen Kanals unter der Fahrbahn auf unbestimmte Zeit voll gesperrt. Das jetzt bekanntgewordene Ausmaß ist erschreckend. In Staumeldeportalen wird verkündet, dass die Sperrung bis Silvester dauert. Was es damit auf sich hat.
Hagen im Bremischen. Die Vollsperrung der A27 zwischen Hagen und Uthlede im Landkreis Cuxhaven wegen eines maroden Kanals unterhalb der Fahrbahn besteht auf unbestimmte Zeit. Doch in verschiedenen Staumeldern wird als Enddatum der 31. Dezember 2024 angegeben. In den Sozialen Netzwerken im Internet wird darauf bereits vielfach reagiert – mit Entsetzen, Hohn, Spott und Bestürzung. „War ja klar“, „typisch Deutschland“ kommentieren die ersten Stimmen.
Doch ist das so klar? Man wisse heute noch nicht, wie lange die Sperrung dauert, sagt ein Sprecher der Autobahn GmbH. „Ich kann entsprechend auch nicht ausschließen, dass es bis Silvester dauert, auch wenn wir nicht davon ausgehen“, sagt der Sprecher im Gespräch mit der „Nordsee-Zeitung“. Aber, die Tatsache, dass dieses Datum in Staumeldern oder in der App der GmbH auftaucht, habe ganz andere Gründe.

Sperrung bis Dezember? Diese Nachricht sorgt für Entsetzen. Foto: Wessolowski/Screenshot
Sie sind technischer Natur: Die Autobahn GmbH darf verkehrsbehördliche Anordnungen wie die Sperrung treffen. Dazu muss ein Formular ausgefüllt werden. Die Software akzeptiert aber keine Einträge, die kein Enddatum haben. „Auf unbestimmte Zeit“ ist nicht vorgesehen. Deshalb habe der zuständige Mitarbeiter das Jahresenddatum gewählt.
Notsanierung der A27 beginnt am Montag
Wie die Autobahn GmbH ankündigt, beginne die Notsanierung am kommenden Montag. Im Internet verbreitet sich ein Video rasant, das den maroden Durchfluss für den Grienenbergsmoorgraben unter der A27 zeigt. Die Autobahn GmbH hat die Echtheit der Aufnahmen bestätigt.
Zu sehen ist, wie jemand mit einem kleinen Hammer leicht gegen völlig durchgerostete Stellen im Schacht schlägt. Dann zeigt sich, wie alarmierend die Lage wirklich ist: Die Stellen brechen sofort auf und es läuft Matsch aus. Der Mann in dem Video schlägt noch auf weitere Stellen - immer wieder mit dem gleichen Ergebnis: Überall läuft der Matsch raus.
Stresstest für Autofahrer
T Gesperrte A27: Lkw verunglücken auf Nebenstraßen
Wie soll der Schaden behoben werden?
Das vorhandene Wellstahlrohr soll durch ein Rohr aus Glasfaser-verstärktem Kunststoff ersetzt werden - und zwar in „offener Bauweise“. Das heißt, dass auf der Autobahn auf kompletter Breite eine Baugrube ausgehoben wird. Die Fahrbahn wird komplett neu aufgebaut. Wie lange das dauert, wurde nicht mitgeteilt. Der Einbau des Kunststoffrohrs ist aber auch nur eine Übergangslösung. Sie hat lediglich einen Zweck zu erfüllen:
Dass bei einem Neubau später jeweils nur eine Fahrtrichtung gesperrt werden muss. Die Autobahn müsse nicht noch einmal voll gesperrt werden.
Das niedersächsische Verkehrsministerium hat in Hannover auch eine Einschätzung, wie lange die A27 dicht bleibt: „Voraussichtlich noch wochenlang“, heißt es da, und weiter: Die Sanierung der betroffenen Stelle werde wahrscheinlich mindestens vier Wochen in Anspruch nehmen.
Wie geht es für die Schwertransporte weiter?
Die Frage, die Spediteure am meisten beschäftigt: Wie schnell werden meine Änderungsanträge vom Landkreis Cuxhaven bearbeitet, damit die Schwertransporte über die neuen Routen laufen können? Allein 180 Anträge sind am Donnerstag eingereicht worden – wie viele sind es jetzt? Wird die Abteilung bei der Kreisverwaltung personell verstärkt?
Auf diese Frage hat der Landkreis Cuxhaven am Freitag keine Antwort geben können. Klar ist aber: Dort, wo die Fahrt beginnen soll, muss auch die Genehmigung beantragt werden. Also: Ein Schwertransport von Cuxhaven nach München wird vom Landkreis Cuxhaven bearbeitet und genehmigt und von dort auch mit allen betroffenen „Lastenträgern“ auf der Strecke abgestimmt - also Bund (Autobahn), Länder (Landesstraßen), Landkreise (Kreisstraßen) und Gemeinden (Gemeindestraßen). Die exakte Wegführung müsse für jeden Transport, der ursprünglich über die A27 führte, neu festgelegt werden.

Nichts geht mehr auf der Ausweichstrecke für die gesperrte A27 zwischen Bremen und Bremerhaven. Ein 60 Tonnen schwerer Kranwagen blockiert die enge Landstraße in beide Richtungen. Foto: Iven
Unbestätigt ist, dass im verantwortlichen Bereich „Ordnung und Straßenverkehr“ in der Kreisverwaltung für die Bearbeitung von Schwertransporten eine einzige Mitarbeiterin zuständig ist.
Rund 3500 Laster nutzen die Autobahn in dem betroffenen Bereich jeden Tag. Wie viele davon Sondertransporte sind, lässt sich nicht benennen, aber im vergangenen Jahr hat sich allein das Bürger- und Ordnungsamt in Bremerhaven mit 12.526 Fahrten beschäftigt, die die Stadt oder den Hafen zum Ziel hatten, zudem wurden 879 Schwertransporte genehmigt, die von hier losfuhren. „Die Anzahl der tatsächlich durchgeführten Transporte wird aber noch höher sein, da es bei den Bescheiden oder Anhörungen oftmals gleich um mehrere Fahrten geht“, sagt Mark Schröder, Pressesprecher.

Nur Absagen (von links): Simone Bialluch, Jessica Löwe und Jasmin Bruns kümmern sich um die Begleitung von Schwertransporten. Foto: Hartmann
Am Deutschen Offshore Industrie Zentrum in Cuxhaven hängen seit Mittwoch gleich mehrere Schwertransporter fest: Allein sechs Lkw sollten in der Nacht abfahren, beladen mit fast 80 Meter langen Rotorblättern für Windkraftanlagen. Die Transporte sind so lang und sperrig, dass sie nur die Autobahn benutzen können. Die Fahrten sollten auf Baustellen in Baden-Württemberg, Hessen und Niedersachsen enden.
„Ein Tag Baustopp summiert sich schnell auf 50.000 Euro Kosten“, sagt Spediteur Peter Schwandner aus Pfreim in Bayern. Sechs seiner Lkw stehen jetzt schon in Cuxhaven, zehn Rotorblätter wollte er die nächsten Tage abholen. Den Überseehafen in Bremerhaven hat jeden Tag mindestens einer von Schwandners 100 Lkw zum Ziel.
Und was ist mit der Ausweichroute für die Schwertransporte?
Die gibt es zwar, aber wie geschildert müssen für bereits genehmigte Transporte die Spediteure nun erst einmal einen Änderungsantrag stellen, um sie auch fahren zu dürfen. Die Ausweichrouten führen von Ihlpohl nach Bremerhaven über die ehemalige Bundesstraße 6, die heutige L135. Deshalb wird auch der Abriss einer Autobahnbrücke in Bremerhaven-Wulsdorf verschoben.
Möglich ist die Fahrt auch aus Richtung Oldenburg durch den Wesertunnel zur Autobahnauffahrt Stotel und weiter nach Bremerhaven oder Cuxhaven. Jeden Tag sind Dutzende solcher Transporte unterwegs zu den Häfen oder von ihnen ins Land hinein.
Was sagen die Wirtschaftsverbände?
Die Handelskammer Bremen mahnt Tempo bei der Reparatur an. Unternehmen, Hafenbetriebe und Umschlagsanlagen seien auf eine funktionierende und leistungsfähige Infrastruktur angewiesen. Um größere wirtschaftliche Schäden zu vermeiden, müsse sofort gehandelt werden, fordert Kammer-Geschäftsführer Dr. Stefan Offenhäuser. „Es ist entscheidend, den Verkehr zwischen Bremen und Bremerhaven für Gütertransporte, Pendlerströme sowie Touristen aufrechtzuerhalten.“
Siegfried Deutsch, Vize-Hauptgeschäftsführer der IHK Stade: „Der Schaden (..) hat starke Auswirkungen auf die Wirtschaft der Region, zum Beispiel auf die Windenergiebranche, die Hafenwirtschaft und den Tourismus. Darum begrüßen wir es, dass die Autobahn GmbH jetzt schnell und konsequent handelt.(...) Zugleich wird deutlich, dass wir dringend Ausgleichsstrecken benötigen, die solche Ereignisse abfedern können. Investitionen in eine zukunftsfähige Infrastruktur sind darum unerlässlich. (...) Wetterextreme wie Starkregen und Überflutungen künftig deutlich häufiger auftreten werden. Dem müssen wir in der Planung unserer Infrastruktur unbedingt Rechnung tragen.“
Was wirft die Bremer Häfensenatorin dem Bund vor?
Der Bund und seine Behörden kümmern sich zu wenig um die Pflege der Infrastruktur. „Ich finde es unverantwortlich, wie in Deutschland mit der Infrastruktur des Landes umgegangen und dann noch weiterhin die schwarze Null zum Mantra erklärt wird“, schimpft Kristina Vogt. Die Autobahn GmbH leiste nun nur Flickarbeit, das reiche nicht. „Wir fordern eine unverzügliche, gründliche und nachhaltige Reparatur der A27, um weitere Beeinträchtigungen zu verhindern“, so Vogt. Sie hält die Auswirkungen der Sperrung auf die Häfen für dramatisch, sie reichten „weit über den regionalen Rahmen hinaus“. Von Verzögerungen sei auch der Containerumschlag betroffen, „wir rechen mit mindestens 20.000 betroffenen Containertransporten in einer Woche.“ Laut Vogt steuerten Reedereien bereits andere Häfen an.
„Der Bund muss endlich seiner Verantwortung für die deutschen Seehäfen gerecht werden“, so Vogt. Dazu gehöre auch die Anbindung per Straße. Es sei inakzeptabel, dass die norddeutschen Bundesländer den größten Anteil der Kosten für die Infrastruktur der Seehäfen tragen müssten, „obwohl sie von nationaler Bedeutung sind.“