TSklaven gegen Silber: Besondere Wikinger-Münzen der Kalifen als Währung
Sensationsfund an der Niederelbe: Der arabische Dirham wurde 798/799 im heutigen Iran geprägt und bei Oldendorf gefunden. Foto: Vasel
Im Schloss Agathenburg lagern archäologische Schätze. Einer davon ist ein Dirham, eine bedeutende Silbermünze der Wikinger. Eine Spur führt nach Teheran.
Agathenburg. Kreisarchäologe Daniel Nösler hält einen Dirham eines Prinzen aus Tausendundeiner Nacht in seinen Fingern. Die Wikinger-Silbermünze ist ein außergewöhnlicher Fund. „Sie ist ein echter Kracher“, entfährt es Nösler.
Schließlich seien arabische Münzen aus der Wikingerzeit in Niedersachsen selten.
Der Schatz ruht heute im Magazin auf Schloss Agathenburg. Sondengänger Thobias Busse hat den Dirham bei Oldendorf entdeckt. Die islamischen Münzen waren die Handelswährung der Wikinger.
Sensationsfund an der Niederelbe: Der arabische Dirham wurde 798/799 im heutigen Iran geprägt und bei Oldendorf gefunden. Foto: Vasel
Diese waren mit ihren Schiffen nicht nur als blutrünstige Krieger unterwegs, die Städte und Klöster brandschatzten und ihre Bewohner versklavten, sondern auch als erfolgreiche Fernhändler und begnadete Seeleute. Unzählige arabische Silbermünzen gelangten aus Asien in den Norden - über Flusssysteme von Don, Wolga und Dnjepr.
Dort hatten die Waräger das Sagen. Diese gründeten nicht nur das Großreich der Rus, sondern verdienten über Jahrhunderte prächtig an dem Handel zwischen Asien und Europa.
Auch die Leibgarde der Kaiser von Byzanz stellten skandinavische Krieger. „Auf den Marmorbrüstungen der Hagia Sophia haben sie sogar ihre Runen eingeritzt“, sagt Nösler.
Wikinger tauschten Silber gegen Sklaven
Sklaven, Honig und Wachs, aber auch Häute, Geweihe und Pelze tauschten Nordmänner gegen Silbermünzen. Ihre Handelsrouten reichten von Nordeuropa bis ins islamische Kalifat. Ab 800 bis um 950/960 begannen die Silberströme aus Asien in den Norden zu fließen.
Doch nicht nur an Orten wie Haithabu im heutigen Schleswig-Holstein waren die Münzen der Kalifen das Zahlungsmittel. So gab es in Freiburg an der Niederelbe bis in das 11. Jahrhundert einen Handelsplatz, den auch die Wikinger - wie Münzfunde beweisen - ansteuerten.
In der Kehdinger Erde schlummerte ein Fragment eines Miniaturankers aus Blei. Dieser wird als Gildeabzeichen der Kaufleute, als Amulett oder als Zollmarke gedeutet.
Herr der Münzstätte war ein späterer Kalif von Bagdad
Der Dirham aus sehr reinem Silber hatte ein Gewicht von 2,56 Gramm. „Dieser muss durch wikingische Aktivitäten aus dem Ostseeraum hierher gelangt sein“, so Nösler.
Die Numismatiker Sebastian Hanstein und Ralf Wiechmann haben herausgefunden, dass es sich um eine Prägung des Abbasiden-Prinzen Al-Amin (787-813) handelt, um 798/799 in einer Prägestätte in Al-Muhammadiya nahe Teheran geschlagen.
Das Großreich der Abbasiden mit der Hauptstadt Bagdad umfasste im 9. Jahrhundert die Arabische Halbinsel, Persien, Irak, Syrien, Teile Kleinasiens, Ägypten, die nordafrikanische Küste mit Ausnahme Marokkos, Kreta und die westliche Hälfte Siziliens. Der spätere sechste Kalif der Abbasiden-Dynastie ist aus den Erzählungen aus Tausendundeiner Nacht bekannt: In einer der Geschichten eignete sich Al-Amin eine Sängersklavin gegen den Willen seines Cousins an.
„Der Dirham-Fund steht für die im Ostseeraum übliche Gewichtsgeldwirtschaft der Wikingerzeit“, sagt Nösler. Arabische Münzen aus der Wikingerzeit seien in Niedersachsen äußerst selten. Der Grund: Nördlich und östlich der Elbe existierte in den Territorien der Wikinger und der Slawen eine Silberökonomie.

Vergoldet: Skandinavische Scheibenfibel im Borre-Stil aus Horneburg mit einer Nachbildung. Der Borre-Stil steht für den in Skandinavien letzten Abschnitt paganer (heidnischer) Kunst, bevor durch die Christianisierung Einflüsse aus dem Süden zur Herausbildung neuer Kunststile führten. Foto: Kohnen
In dieser Gewichtsgeldwirtschaft habe allein der Materialwert des Edelmetalls eine Rolle gespielt. Krieger, Händler und Handwerker der Wikinger hatten immer eine Feinwaage dabei, denn Münzen und Schmuckstücke seien - je nach Bedarf - als Kleingeld zerteilt worden. Westlich der Elbe bestand eine Münzwirtschaft, in der nur die Nominale gezählt haben.
Wikinger gehen als Nasen-Abschneider in Annalen ein
Klebt Blut an der Münze? Der Kreisarchäologe weiß es nicht. Immer wieder gab es Raubzüge, so auch 944, als die Wikinger die Stader heimsuchten. Diesem Überfall verdankt die Stadt ihre erste schriftliche Erwähnung.
Sven Gabelbart, Sohn von König Harald Blauzahn, musste sich im dänischen Thron-Streit seinen Lebensunterhalt zeitweise als „pirati“ verdienen. Auf dem Weg ins reiche London wollte er seine Reisekasse in Stade aufbessern.
Der bei der Seeschlacht vor Stade gefangene und als Geisel genommene Grafen-Bruder Siegfried füllte seine Bewacher mit Wein ab und floh in die Burg Harsefeld. Während der Graf der Udonen in Sicherheit war, drangen seine Verfolger in die Siedlung Stade ein.

Tierrhombenfibel aus Ohrensen. Foto: Nösler
Die Rache der Wikinger war schrecklich. „Als sie ihn nicht fanden, raubten sie den Frauen gewaltsam die Ohrringe und kehrten niedergeschlagen um. In ihrer Wut schnitten sie dem Priester ... und allen übrigen Geiseln Nasen, Ohren und Hände ab und warfen die Verstümmelten in den Hafen. Dann machten sie sich davon. Es erhob sich unendlicher Jammer“, heißt es in der im Jahr 1014 von Thietmar von Merseburg verfassten Chronik.

Vergoldet: Skandinavische Scheibenfibel im Borre-Stil aus Horneburg mit einer Nachbildung. Der Borre-Stil steht für den in Skandinavien letzten Abschnitt paganer (heidnischer) Kunst, bevor durch die Christianisierung Einflüsse aus dem Süden zur Herausbildung neuer Kunststile führten. Foto: Vasel
Die rückwärtige Lage vieler frühmittelalterlicher Hauptorte wie Bremen, Stade oder Hamburg zeuge von einem Schutzbedürfnis vor den plötzlichen Überfällen von See, erklärt Nösler. Die Elbe und ihre Nebenflüsse waren nicht nur Einfalltore für Raubzüge der Wikinger, sondern auch Handelsrouten. Das zeigen die Funde nahe der Oste, Schwinge und Aue - wie der Dihram oder prächtige Fibeln aus Ohrensen und Horneburg. Kurzum: Die Niederelbe war ein wichtiges Kontaktgebiet zwischen sächsischem Süden und wikingischem Norden - im Guten wie im Bösen.
Lesetipp: Mehr zum Frühmittelalter in Niedersachsen gibt es im neuen 192 Seiten starken Jahrbuch Archäologie in Niedersachsen 2025. ISBN: 978-3-7308-2238-8; Isensee-Verlag; 12,90 Euro.
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