TSpätfolge der Regenflut: 3000 Hektar weniger Winterweizen im Landkreis Stade

Das Wetter spielte mit, es konnte in wenigen Tagen alles gedroschen werden. Hier fährt das Team vom Lohnunternehmen Fitschen aus Oersdorf sogar bis in die Dämmerung hinein. Foto: Fitschen
Die Getreidefelder im Kreis Stade sind weniger geworden. Das hängt mit den extremen Niederschlägen des vergangenen Winters zusammen. Und der Dauerregen hat noch eine andere unangenehme Nebenwirkung für die Landwirte.
Ahlerstedt. Die im Wind wogenden Ähren auf der Stader Geest sind größtenteils verschwunden, an ihrer Stelle sind Stoppelfelder zurückgeblieben. Nur ein paar Schläge stehen noch im Landkreis Stade. Wenn es Anfang kommender Woche warm und trocken wird, könnten die letzten Getreidefelder schnell abgeerntet sein - so früh wie selten zuvor.
Mähdrescher: Neun Meter Schnittbreite und selbstlenkend
Mit dem Wetter in diesen Wochen sind Landwirte und Lohnunternehmer sehr zufrieden. „Das hat zur Ernte super gepasst“, sagt Jens Fitschen, Juniorchef beim Lohnunternehmen Fitschen in Oersdorf. Von dem Ahlerstedter Betrieb wurden im Auftrag von Landwirten Felder abgeerntet, auch mit einem selbstlenkenden Mähdrescher. Der fährt zwar nicht alleine ohne Fahrer über den Acker, aber er ist ein Gerät voller modernster Technik. Das eindrucksvolle Gefährt mit neun Metern Schnittbreite sucht sich selbst die perfekte Außenkante der stehenden Halme und mäht das Getreide satellitengesteuert schnurgrade ab.

Dieser Mähdrescher des Lohnunternehmens Fitschen aus Oersdorf fährt selbstlenkend über den Acker und erwischt dank Sensor und Satellitensteuerung genau die Kante des noch stehenden Getreides. Foto: Fitschen
In einem Arbeitsgang wird es zugleich ausgedroschen und das Korn gereinigt in dem 12.000-Liter-Tank gesammelt. Hinten aus dem Fahrzeug kommt das Stroh zurück aufs Feld. In der Regel einen Tag später ist es getrocknet und kann in Ballen gepresst werden.
4500 Hektar weniger Wintergetreide im Landkreis
Anfang des Jahres sah es gar nicht gut mit dem Getreide im Landkreis Stade aus. Viele Bauern konnten wegen der Regenfluten die Aussaat Anfang November nicht abschließen. Auf nur 2000 statt auf 5000 Hektar Fläche wie im Vorjahr wuchs im Kreis Winterweizen. Beim Winterroggen waren es 2200 statt 3200 Hektar Anbaufläche und bei der Wintergerste 500 Hektar weniger, sagt Andreas Fitschen von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. An seinem Rechner im Büro in Agathenburg sind alle Anbauflächen gelistet - eine Nebenwirkung der Bürokratie, die heute auch die Landwirtschaft betrifft. Alles muss rechtzeitig von den Landwirtschaftsbetrieben gemeldet werden.
Mehr Sommergerste und Verdopplung der Bracheflächen
Was die Landwirte nach dem nassen Winter machen konnten, war im Frühjahr Sommergetreide auszusäen - und das ist geschehen. Statt auf 500 Hektar Fläche wurde in diesem Jahr auf 2000 Hektar Fläche Sommergerste angebaut. Beim Sommerweizen wuchs der Flächenanteil um 350 Hektar.
Dass einige Flächen trotzdem nicht befahrbar waren, lässt sich auch aus der freiwilligen Aufstockung der nichtproduktiven Flächen auf Ackerland ablesen. „Der Anteil der Brache hat sich mehr als verdoppelt“, sagt Andreas Fitschen. Die neue Öko-Regelung gilt jeweils für ein Jahr.
Landwirtschaft
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Weniger Fläche bringt auch weniger Ertrag beim Getreide. Aber das Wetter seit April hatte zwischenzeitlich bei den Landwirten für Optimismus gesorgt. „Bei der Planung vor der Ernte hatten wir schon gesehen, dass weniger Hektar da sind, aber die Wasserversorgung war ganz gut“, sagt Torsten Stehr, Abteilungsleiter Agrarerzeugnisse bei der Raisa in Stade. „Wir hatten die Erwartung, dass wir das etwas ausgleichen können.“
Leicht unterdurchschnittliche Erträge pro Hektar
Diese Erwartungshaltung wurde enttäuscht. Obwohl eingerechnet wurde, dass Wintergetreide ertragreicher ist als Sommergetreide werden wohl am Ende der Ernte statt der noch erhofften 160.000 Tonnen 120.000 bis 125.000 Tonnen bei der Raisa landen. Und da sind noch gute Lagen aus Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern mit dabei.
Das sind insgesamt rund 20 Prozent Einbuße von der erwarteten Gesamtmenge. „Im Landkreis Stade werden wir bei etwa 40 Prozent Einbußen liegen“, schätzt Torsten Stehr. Kurz vor Abschluss der diesjährigen Getreideernte lässt sich deshalb auch sagen: „Wir haben leicht unterdurchschnittliche Erträge pro Hektar“, so Stehr.

160 Liter in der Sekunde kann der Mähdrescher aus seinem 12.000-Liter-Getreidetank auf den Anhänger pumpen. Foto: Fitschen
Im Landkreis Stade landet das Getreide, das allein in diesem Bereich über sieben Erfassungsstellen der Raisa angenommen wird, letztlich in den Lagern von Fredenbeck und Apensen. Brötchen werden aus diesem Getreide nicht gemacht. Im Landkreis Stade werde daraus ausschließlich Tierfutter hergestellt, sagt Torsten Stehr. Ein paar Chargen könnten auch in der Biogasanlage landen. Das liegt aber vor allem am Mutterkorn, und das ist in diesem Jahr im Roggen auf einzelnen Flächen wieder stärker aufgetreten.
Mehr Mutterkorn durch feuchte Witterung zur Blütezeit
Beim schwarz gefärbten Mutterkorn handelt es sich um einen Pilz, der Ergotalkaloide enthält und giftig ist. Ein verstärkter Mutterkornbefall scheint mit feuchter Witterung zur Blütezeit des Getreides Ende Mai bis Juni zusammenzuhängen.
Durch die feuchte Witterung sind nicht genügend Pollen zur Bestäubung der Blüte vorhanden. Die Mutterkornsporen können die noch offene Blüte besetzen und bilden bis zur Ernte die dann deutlich sichtbaren Sklerotien als Sporenträger aus, so das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES).
Futtermittelproben dürfen Grenzwert nicht überschreiten
Weil ein hoher Gehalt an Mutterkorn in Getreide ein Gesundheitsrisiko für Tiere, die Getreide über das Futter aufnehmen, darstellt, dürfen Höchstwerte nicht überschritten werden. Im Futtermittelinstitut Stade des LAVES werden entnommene Futtermittelproben deshalb regelmäßig auf Mutterkorn untersucht.
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Eine erste Sichtung über drei Proben wird bereits bei der Anlieferung durchgeführt. Mit Mutterkorn belastetes Getreide wandert gar nicht erst in ein Silo der Raisa. Entweder wird das farblich gut erkennbare schwarze Mutterkorn verkauft und technisch hochaufwendig aussortiert oder die Ernte wird für die Energiegewinnung genutzt. In beiden Fällen gibt es finanzielle Einbußen.
Gutes Erntewetter: Kaum Trocknungsanlagen eingesetzt
Positiv unterstreicht Torsten Stehr in diesem Jahr die Erntebedingungen. Früh wie selten sei die Getreideernte beinahe abgeschlossen. Und auch der Feuchtigkeitsgehalt des bisher geernteten Getreides war wegen des Wetters gut.
„Die Trocknungsanlage ist nur ganz vereinzelt gelaufen“, sagt Torsten Stehr. Auch dieser zusätzliche Energieaufwand, um das Getreide trocken genug einzulagern, mindert den Gewinn für den Landwirt.
Wenn alles läuft wie geplant, werden Ende der kommenden Woche die Mähdrescher, die auch Raps geerntet haben, nicht mehr gebraucht. Es folgt eine kurze Zeit zum Durchatmen und zur Gras- und Heuernte. Dann bereiten sich Betriebe wie das Lohnunternehmen Fitschen auch schon auf die nächste sprichwörtlich große Erntephase vor: Im September kommt der Mais.