TStader Chemie-Park - ein Modell für die ganze Republik?

Bützflethersand mit den Lichtern der Industrie bei Nacht: Skeptiker sehen schwarz für den Chemie-Park an der Elbe in Stade. Optimisten hoffen auf eine rosige Zukunft. Foto: Martin Elsen
Wie geht es weiter mit der Chemie-Industrie auf Bützflethersand? Die Antwort weiß heute keiner. Ein Positionspapier aus der Region soll jetzt die Politik wachrütteln.
Stade. Für die Zukunft des Chemie-Parks an der Elbe sind viele Optionen möglich. Die Bandbreite zwischen Lichter aus und alle Lampen auf grün ist groß. Dow, Olin und AOS kämpfen seit der drastischen Erhöhung der Strom- und Gaspreise ums Überleben. Die Produktion wurde gedrosselt, Umsätze sind drastisch eingebrochen. Auch, weil chinesische Unternehmen auf dem Markt mit Dumpingpreisen agieren. Das ist die eine Seite.
Energieversorgung
T Stade feiert Baustart fürs LNG-Terminal international
Die andere Seite: Im Verbund mit eben diesen drei Unternehmen könnten neue blühende Industrielandschaften entstehen. Der Energiehafen ist bereits für 300 Millionen Euro fertiggestellt worden. Das LNG-Terminal für gut eine Milliarde Euro ist gerade im Bau. Ein großes Holzkraftwerk, Lithum-Produktion für E-Auto-Batterien und grüne Wasserstoffproduktion sind projektiert mit einem möglichen Investitionsvolumen von mehreren 100 Millionen Euro.
Am Stader Chemie-Park hängen 10.000 Arbeitsplätze
Der Standort habe Ausbaureserven, eine Hafenanlage und eine direkte Anbindung an die Energienetze. An dem Industriestandort hängen 10.000 Arbeitsplätze und ein hohes Steueraufkommen. Mit jährlich 50.000 Tonnen verfügt die Dow in Stade über die größte Wasserstoffproduktion in Europa.
Das Vorhandene zu sichern und das Neue zu ermöglichen, das ist die Motivation eines Positionspapiers, das jetzt aus der Region heraus breit gestreut wird und auch in die Koalitionsverhandlungen für eine schwarz-rote Bundesregierung einfließen soll. Dafür setzen die Beteiligten alle Hebel in Gang.
Chemie-Park
T Mega-Investition: Grüner Wasserstoff made in Stade
Dahinter steckt die Standortentwicklung des Chemie- und Industriestandortes Stade mit ihrem Projektkoordinator Stephan Engel, einem ehemaligen Dow-Manager. Dahinter stecken aber auch Parteien, Landkreis, Stadt, IHK, Arbeitgeberverband, Betriebsräte und Geschäftsführungen. Sie alle ziehen an einem Strang. „Das ist einmalig in Deutschland“, sagt Oliver Elsen vom Betriebsrat der AOS.
Lies als Regierungschef - für die Region eine gute Nachricht
Dahinter steckt aber auch die Landesregierung in Hannover mit ihrem Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD). Das Land zahlt größtenteils Engels Stelle bei der Wirtschaftsförderung des Landkreises für drei Jahre. Dass Lies demnächst zum Ministerpräsidenten Niedersachsens gewählt werden soll, wurde in Stade mit Wohlwollen aufgenommen.

Kämpfen für den Chemie-Standort Stade (von links): Landrat Kai Seefried, Oliver Elsen (AOS), Projekt-Koordinator Stephan Engel, Sascha Noormann (Dow) und Landkreis-Wirtschaftsförderer Matthias Reichert. Foto: Beneke/Landkreis
Stade sei eine Schlüsselregion für Niedersachsen, so das Positionspapier. Deutschland sei und könne ein starker Wirtschaftsstandort bleiben, wenn die notwendige Transformation konsequent umgesetzt werde, heißt es weiter. Stade habe das Potenzial, „zum Best-Case der industriellen Transformation in Deutschland zu werden“. Voraussetzung: Politik im Land, Bund oder in der EU müsse die richtigen Weichen stellen.
Netzentgelte senken - Genehmigungen verschlanken
Ein dicker Brocken seien die Energiekosten, sie müssten runter, sagt der Wirtschaftsförderer des Landkreises, Matthias Reichert. Dazu müssten Netzentgelte gesenkt sowie Abgaben und Steuern auf Strom und Gas reduziert werden. „Langwierige Genehmigungsprozesse binden Ressourcen und verhindern Investitionen“, so der Wirtschaftsförderer.
So dürfe eine vollumfängliche, detaillierte Projektplanung nicht bereits für eine Genehmigung vorliegen müssen, sondern entsprechend der Regelungen in anderen EU-Ländern im Laufe der Realisierung erarbeitet werden können. Aktuell ist dies gemäß Bundesgesetzen nicht möglich, hier müsse die neue Bundesregierung für Vereinfachungen sorgen. Dass das geht, zeigten Länder wie die Niederlande oder Dänemark, so Stephan Engel.
Chemie-Industrie
T Dow stellt Standorte auf den Prüfstand – auch in Stade
Ebenso sollte die bereits vorliegende Novelle des Baugesetzbuches zügig verabschiedet werden. Da geht es zum Beispiel um Lärmkontingente, die auch in Bützfleth mit Blick aufs Wohngebiet immer wieder Thema sind. So könnten die Behörden den vielen Anfragen zu Ansiedlungen von Industrieprojekten durch entsprechende Bebauungspläne rechtssicher begegnen, schreibt der Landkreis in einer Pressemitteilung.
Die Vertreter des Stader Chemie-Standorts fordern die Absicherung heimischer Wertschöpfungsketten: Bei vielen kritischen Rohstoffen und Produktlinien nutze insbesondere China seine beherrschende Marktmacht, um Preise zu beeinflussen und Absatzmärkte in Europa zu übernehmen. Die hiesige Industrie gerate da schnell ins Hintertreffen.
Forderung: Bau von Hafen, Autobahnen und Industriegleis
Im Papier werden feste Quoten für in der EU produzierte Grundprodukte gefordert. Zudem müsse Schluss sein mit überbordenden Umweltstandards: EU-Vorgaben dürften nicht zu einem faktischen Produktionsverbot in Europa führen. Dann nämlich müssten eben diese Produkte aus dem Ausland importiert werden. Das mache keinen Sinn.
Speziell für Stade sei der zügige Ausbau der Infrastruktur entscheidend. Die Initiatoren denken an die Nordhafenerweiterung, den Anschluss an das Wasserstoffkernnetz bis 2028/2029, die zügige Fertigstellung der Autobahnen A26 und A20 mit der Elbquerung bei Drochtersen sowie das parallel zur Autobahn A26 geplante Industriegleis mit Anbindung des Chemie-Parks.