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Notaufnahmen

TMediziner warnen: Diese Infektwelle breitet sich jetzt wieder aus

Bei Kindern unter vier Jahren werden zunehmend schwere Atemwegserkrankungen durch Infektionen mit RSV verzeichnet.

Bei Kindern unter vier Jahren werden zunehmend schwere Atemwegserkrankungen durch Infektionen mit RSV verzeichnet. Foto: Marijan Murat/dpa

Der Zulauf in den Notaufnahmen ist deutlich spürbar, die Versorgungslage verschlechtert sich. Dabei rollt die Welle mit dem für Kinder nicht ungefährlichen RS-Virus erst an.

Von Maren Reese-Winne und Birgitta von Gyldenfeldt Montag, 04.12.2023, 12:30 Uhr

Hamburg/Cuxhaven/Landkreis. Bei Kindern unter vier Jahren in Deutschland werden seit mehreren Wochen zunehmend schwere Atemwegserkrankungen durch Infektionen mit RSV verzeichnet. Die Dynamik sei jedoch schwächer als bei der früher als üblich einsetzenden Welle in der vergangenen Saison, heißt es im aktuellen Bericht der Arbeitsgemeinschaft Influenza des Robert Koch-Instituts (RKI). RSV ist die Abkürzung für Respiratorisches Synzytial-Virus. „Insbesondere Kinder unter zwei Jahren sind von einer Krankenhauseinweisung mit RSV-Infektion betroffen“, berichtet das RKI.

Der deutliche Anstieg dieser Diagnosen bei Kleinkindern könnte, so heißt es im Report, auch auf vermehrte Tests nach Einführung einer bundesweiten RSV-Meldepflicht zurückzuführen sein. Insgesamt spricht das RKI erst von „Anzeichen“ einer sich verstärkenden Zirkulation von RSV. Hinweise auf eine beginnende Grippewelle gebe es hingegen nach wie vor nicht. Die Situation bei Atemwegserkrankungen in Deutschland ist laut Bericht weiter geprägt von einer relativ hohen Zahl an Covid-19-Fällen und den für die Jahreszeit typischen Erkältungen durch Rhinoviren.

Kliniken spüren Zulauf kranker Kinder in Notaufnahme

Angesichts der Engpässe in vielen Kinderarztpraxen steigt der Run auf die Notaufnahmen in Kliniken. Die Konsequenzen aus Infektwelle und Fachkräftemangel bekommt etwa die Helios-Klinik Cuxhaven gerade deutlich zu spüren.

Erste Anlaufstelle der Eltern mit kranken Kindern ist dort die Zentrale Interdisziplinäre Notaufnahme. Angeschaut werden sie dann von Dr. Bettina Loza, Chefärztin der Pädiatrie, und ihrem Team. „Wir verzeichnen derzeit rund um die Uhr einen spürbaren Anstieg von Kindern, die von verschiedenen Kinderärzten der Region zu uns überwiesen werden. Zudem stellen wir fest, dass zunehmend Kinder aus dem Bremerhavener Umkreis zu uns kommen“, heißt es aus der Klinik.

Viele der Kinder seien jedoch nicht so krank, dass eine Notfallversorgung in der Kinderklinik erforderlich wäre, sondern sie nach eingehender Untersuchung nach Hause entlassen werden könnten. Zwangsläufige Folge: „Wartezeiten in unserer Notaufnahme, da wir zunächst die Versorgung der schwerkranken stationären Patientinnen und Patienten gewährleisten müssen, bevor wir uns den Kindern zuwenden können, die eigentlich den Kinderarzt aufsuchen könnten. Wir appellieren an die Eltern, im Falle leichterer Beschwerden zunächst den Weg zum Kinderarzt oder Hausarzt zu wählen, um die Ressourcen der Notaufnahme effektiver nutzen zu können“, so eine Sprecherin.

Verlegungen von außerhalb verstärken Engpass

Die Kinderklinik verfüge derzeit über ausreichende Kapazitäten, um die stationär zu versorgenden Kinder zu behandeln, heißt es weiter auf Nachfrage aus unserem Medienhaus. „Dennoch nimmt die Verfügbarkeit freier Betten deutlich ab, insbesondere durch vermehrte Verlegungen aus Bremen und Bremerhaven zu uns.“

Mit Blick auf eine anhaltende Welle schwerer Atemwegsinfektionen, vor allem durch das RS-Virus, die sich von Süden nach Norden ausbreitet, sei zu erwarten, dass die Lage weiter angespannt bleibe. Die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte stießen dabei an ihre Grenzen. „Das hohe Aufkommen in der ambulanten Versorgung stelle für das Team der Kinderklinik und der Notaufnahme eine große Herausforderung dar.“

Welche Erreger gerade besonders häufig umgehen, weiß die Chefärztin Dr. Bettina Loza: „Derzeit sehen wir uns in der Kinderklinik mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert, hervorgerufen vor allem durch die Verbreitung von RS-Viren, SARS-CoV-2 und Adenoviren.“

Fieber ist auch eine Abwehrreaktion des Körpers

Wie schnell muss dann ein Arzt hinzugezogen werden? Grundsätzlich müsse Fieber an sich nicht immer als gefährlich eingestuft werden, selbst wenn die Temperatur über 40 Grad liege: „Fieber ist ein natürlicher Abwehrmechanismus des Körpers, der dazu beiträgt, dass viele Viren bei Temperaturen über 38,5 Grad nicht mehr überlebensfähig sind. Selbstverständlich können fiebersenkende Mittel, insbesondere Paracetamol, verabreicht werden, wenn das Kind sich unwohl fühlt. Die Entscheidung dafür sollte jedoch nicht ausschließlich von der Fieberhöhe abhängen, sondern vom Wohlbefinden des Kindes.“ Unbedingt müssten kranke Kinder genügend trinken.

Dringend ratsam sei es jedoch, das Kind einem Kinderarzt vorzustellen, wenn

  • Fieber über 38,5 Grad über mehr als vier Tage anhält
  • sich das Allgemeinbefinden zunehmend verschlechtert
  • die Trinkmenge und die Urinproduktion deutlich abnehmen (trockene Windeln)
  • Fieber ohne klare Ursache und ohne begleitende Symptome wie Husten, Schnupfen, Durchfall auftritt und
  • bei Atemnot.

Die Expertin weiter: „Es gilt zu beachten: Je jünger das Kind ist, desto eher sollte ein Kinderarzt aufgesucht werden. Säuglinge bis zu einem Alter von zwei Monaten sollten bei Erkältungssymptomen, Fieber und Trinkschwäche frühzeitig dort vorgestellt werden.“

Versorgungslage schwerkranker Kinder verschlechtert sich

Angesichts der andauernden Belastungen auf Kinderintensivstationen schlagen Kinderärzte Alarm. Die Versorgungslage schwerkranker Kinder in Deutschland verschlechtere sich weiterhin spürbar, teilte die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) in Hamburg.

Im vergangenen Winter sorgte das RS-Virus für viele kranke Kinder und volle Kliniken. Zahlreiche Kinderintensivstationen waren überlastet, schwer kranke Kinder mussten über Hunderte Kilometer in andere Kliniken transportiert werden. In Notaufnahmen warteten Eltern und Kinder teils stundenlang.

Über den gesamten Winter kam es in der Konsequenz zu Absagen geplanter Operationen, Patienten aus anderen Kliniken konnten nicht übernommen beziehungsweise nur mit viel Organisationsaufwand in andere Häuser verlegt werden, wie die stellvertretende Sprecherin der Divi-Sektion Pädiatrische Intensiv- und Notfallmedizin, Ellen Heimberg, sagte. Auch kam es zu Verzögerungen bei Behandlungen wegen Personalmangels. „Unser Hauptproblem ist der Pflegepersonalmangel.“ Dies sei der Hauptgrund für Bettensperrungen gewesen.

Flexiblere Arbeitszeitmodelle in der Pflege?

Um die Patienten mit immer weniger Personal versorgen zu können, müsse zudem etwa über flexiblere Arbeitszeitmodelle und eine bessere Bezahlung nachgedacht werden, sagte Hofmann. Es brauche auch mehr Geld für Kinderkliniken. Die vom Bund finanzierten jeweils 300 Millionen Euro zusätzlich für die Kinderkliniken 2023 und 2024 seien „ein Tropfen auf dem heißen Stein“.

Des Weiteren fordert die Divi den Aufbau telemedizinischer Strukturen auch im Bereich der Kindernotfallmedizin, den Aufbau spezialisierter Transportteams für Kinder sowie die Schaffung einer überregionalen Koordinierungsstelle für Kinder-Intensivtransporte. Zudem müssten die Zentren für Intensivmedizin um die Kindermedizin erweitert werden, sagte der Vertreter der Pädiater im Divi-Präsidium, Sebastian Brenner.

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