TVon Rechten bedroht: Sie war die erste Grünen-Politikerin in Horneburg

Verena Wein-Wilke ist seit 34 Jahren in der Horneburger Kommunalpolitik aktiv. Foto: Buchmann
Verena Wein-Wilke ist fest in der Lokalpolitik verwurzelt. Was sie angehenden Politikerinnen rät und weshalb Busfahren ein Frauenthema ist.
Horneburg. Was muss man können, um Kommunalpolitik zu machen? Verena Wein-Wilke hat darauf eine knappe Antwort: „Lesen und denken.“ Seit mittlerweile 34 Jahren engagiert sich die Horneburger Grünen-Politikerin im Flecken- und Samtgemeinderat, ist zudem Fraktionsvorsitzende ihrer Partei im Kreistag.
Doch die Gemeinderäte haben aus ihrer Sicht ein Problem. „Die Überalterung ist echt gruselig“, sagt Wein-Wilke. Ihre Erfahrung bringt die 70-Jährige als Mentorin beim Landesprogramm „Frauen.Macht.Demokratie“ ein, um ambitionierte Frauen beim Einstieg in die Lokalpolitik zu unterstützen. Angst vor Ratssitzungen brauche niemand zu haben. „Politik ist kein Hexenwerk, das kann jeder“, sagt sie.
Gebürtig stammt Verena Wein-Wilke aus der Heide, studierte Architektur an der Fachhochschule Buxtehude und Stadtplanung an der TU Hamburg. 1980 zog sie mit ihrem Mann nach Horneburg. Nach der Geburt ihres dritten Kindes habe sie 1991 beschlossen, im Fleckenrat mitzuwirken.
„Ich war damals eine Einzelkämpferin“, sagt Wein-Wilke. Sie sei das erste Grünen-Ratsmitglied in Horneburg gewesen. Mangels eigener Fraktion habe sie damals eine Gruppe mit der SPD gebildet. Sozialdemokraten waren ihr nicht fremd: Sie stamme nämlich aus einem SPD-Haushalt, wie Wein-Wilke verrät.
Zeit beim Bahnfahren effizient nutzen
Um zwischen Sitzungsmarathons und Bergen von komplexen Unterlagen zu bestehen, habe sie eine wichtige Erfahrung gemacht: „Man darf alles sagen und fragen“, sagt Wein-Wilke. Besonders das Pendeln mit der Bahn nach Hamburg habe sie zu schätzen gelernt. „Da hat man genügend Zeit, um Sitzungsvorlagen zu lesen“, sagt sie und schmunzelt. Sich gut vorzubereiten, passe nicht immer in den Tagesablauf, sei jedoch immens wichtig.

Die Grünen-Politikerin bringt sich bei vielen Themen ein, zum Beispiel bei den Verkehrswegen. Foto: Lohmann (Archiv)
Dass der Frauenanteil in den Räten der Samtgemeinde teils sehr niedrig ist, finde sie bedenklich. Besonders bei Listenplätzen sieht sie Frauen im Nachteil. „Ich habe generell den Eindruck, dass das persönliche Engagement für das Allgemeinwohl nachlässt“, sagt Wein-Wilke.
Aus eigener Erfahrung wisse sie, dass gerade Frauen sich häufig in mehreren Ehrenämtern engagieren - sei es in der Elternvertretung, in der Kita oder im Sportverein. Sie habe selbst als Elternvertreterin an der Stader Waldorfschule einiges mitgenommen, was ihr als Politikerin hilft.
Man kann auch mal einen Abend nicht zu Hause sein.
Verena Wein-Wilke, Horneburger Lokalpolitikerin
„Man braucht einen vernünftigen Partner, der da mitgeht“, sagt Wein-Wilke. Dass in der Kommunalpolitik so viele Abendtermine anfallen, störe sie hingegen nicht. „Man kann auch mal einen Abend nicht zu Hause sein“, sagt sie. Kosten für eine Kinderbetreuung können sich Ratsmitglieder erstatten lassen.
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Dass Frauen häufig nur Kompetenzen in sozialen Themen zugeschrieben werden, findet Wein-Wilke überholt. Eines ihrer Themen ist der ÖPNV. „Das ist ein sehr weibliches Thema“, sagt sie. „Überlegen Sie mal“, legt sie nach, „wer nimmt denn meistens das Familienauto und wer muss mit dem Bus fahren?“
Auch gegen Rechtsextremismus macht sich Verena Wein-Wilke seit jeher stark. Dass sie und ihre Familie deswegen mal bedroht werden würden, konnte sie nicht ahnen.
Von Nazis am Telefon bedroht
„In den 90er-Jahren spielte Jonny Kröger regelmäßig zum Herbstmarkt bei Stechmanns“, erinnert sich Wein-Wilke. Der Musiker aus Brest kandidierte damals für die NPD und spielte bei Auftritten nationalsozialistische Lieder. Die Politikerin sei erschrocken gewesen, dass in Horneburg so viele Menschen zu dieser Musik feierten, und habe es im Rat angesprochen. Unterstützer habe sie nach eigener Aussage außer im damaligen Samtgemeinde-Direktor jedoch nicht gefunden. „Ich habe mich sehr allein gefühlt“, sagt Wein-Wilke heute.
Immer wieder sei sie damals von anonymen Anrufern beleidigt oder bedroht worden, in ihre Haustür habe jemand sogar ein Hakenkreuz geritzt. „Das war eine große Belastung für meine Familie“, sagt Wein-Wilke. Sie habe jedoch beschlossen, weiterzukämpfen und weiterhin kontroverse Dinge anzusprechen: „Man darf sich nicht mundtot machen lassen.“