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Warnstreik: U-Bahn-Verkehr in Hamburg lahmgelegt

Eine U-Bahn fährt am frühen Morgen in den Bahnhof Schlump ein. Nach dem Warnstreik der Hamburger Hochbahn-Beschäftigten läuft der Verkehr mit Bussen und U-Bahn wieder.

Eine U-Bahn fährt am frühen Morgen in den Bahnhof Schlump ein. Nach dem Warnstreik der Hamburger Hochbahn-Beschäftigten läuft der Verkehr mit Bussen und U-Bahn wieder. Foto: Christian Charisius/dpa

Ob zur Schule, auf die Arbeit oder zum Arzttermin: Pendler, die auf Bus, Straßenbahn oder U-Bahn angewiesen sind, werden am Donnerstag in Hamburg vergeblich an der Haltestelle warten. Wo gestreikt wird und wo nicht.

Von Redaktion Freitag, 01.03.2024, 06:15 Uhr

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Hamburg. Der Warnstreik der Gewerkschaft Verdi bei den Hamburger Verkehrsbetrieben Hochbahn und VHH wird voraussichtlich zwei Tage lang für kompletten Stillstand im U-Bahn- und Busverkehr in der Hansestadt sorgen. Nach aktuellem Stand gehen beide Unternehmen „davon aus, mit Streikbeginn keinen Betrieb aufnehmen zu können“, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung. Verdi hat die Beschäftigten in den laufenden Tarifkonflikten bei Hochbahn und Verkehrsbetrieben Hamburg-Holstein (VHH) zu einem 48-stündigen Warnstreik aufgerufen, der am Donnerstag um 3 Uhr nachts gestartet ist.

Streik bei Hochbahn und VHH läuft bis Samstagfrüh

„Inwieweit Betriebsleistungen während des Streiks möglich sind, werden die Unternehmen situativ entscheiden“, heißt es in der Mitteilung. „Mit dem Streikende, das Verdi für Samstag, 2. März, 3 Uhr, angekündigt hat, soll der Betrieb wieder planmäßig anlaufen.“ Hintergrund für den absehbaren Stillstand auf Straße und Schiene ist laut Hochbahn und VHH, dass Planbarkeit und Sicherheit oberste Priorität hätten. „Wenn sich Fahrgäste mit der Aussicht auf einen Notfallfahrplan auf den Weg machen und sich in zu volle Fahrzeuge oder auf Bahnsteigen drängeln, ginge damit ein hohes Sicherheitsrisiko einher.“

Hochbahnmitarbeiter demonstrieren hinter einem Transparent.

Hochbahnmitarbeiter demonstrieren hinter einem Transparent. Foto: Markus Scholz/dpa

S-Bahn und KVG sind vom Warnstreik nicht betroffen

Von dem Warnstreik nicht betroffen ist die KVG Stade und auch die S-Bahn, die als Tochter der Deutschen Bahn, deren Tarifverträgen unterliegt. Die Hadag-Fähren sind laut Hochbahn ebenfalls nicht betroffen. Hintergrund des neuerlichen Warnstreiks sind Tarifverhandlungen für die rund 8000 Beschäftigte bei der Hochbahn und VHH, bei denen es vor allem um bessere Arbeitsbedingungen und eine Entlastung der Beschäftigten gehe. Anfang Februar hatte es dort bereits einen 24-stündigen Warnstreik gegeben, der nahezu den gesamten Bus- und U-Bahn-Verkehr lahmgelegt hatte.

Für beide Verkehrsbetriebe gilt jeweils ein Haustarifvertrag. Neue Verhandlungen sind nach Unternehmensangaben für den 5. März bei VHH und für 7. März bei der Hochbahn angesetzt.

Wo in Niedersachsen gestreikt wird

In Göttingen hat bereits am Mittwochmorgen der mehrtägige Warnstreik im öffentlichen Nahverkehr begonnen. Bis Freitag stehen nach Angaben der Gewerkschaft Verdi hier die Busse still.

Am Donnerstag starten außerdem Warnstreiks in Hannover, Wolfsburg, Osnabrück und Braunschweig. In Goslar wird ebenfalls am Donnerstag und Freitag gestreikt.

Die Stimmung bei den Streikenden ist gut, sagte Jan von Alvensleben von der Gewerkschaft Verdi. Immer mehr Kolleginnen und Kollegen beteiligten sich an den Warnstreiks und Aktionen.

Grund dafür sei der große Unmut unter den Beschäftigten über den Verlauf der Tarifverhandlungen. Geplant ist im Rahmen des Warnstreiks nicht nur das Niederlegen der Arbeit, sondern auch Streikwachen, Demonstrationszüge und Kundgebungen.

Arbeit: Warnstreik ist keine Entschuldigung

Generell ist es ratsam, frühzeitig zu prüfen, ob die Bus oder Bahn fährt - etwa über die App des jeweiligen Verkehrsunternehmens. Denn was einem bewusst sein sollte: Dass Bus oder Bahn nicht fahren, hält oft nicht als Begründung für das Versäumen von Terminen und Verpflichtungen stand.

Die wichtigsten Tipps für Pendler, Patienten und Schüler:

„Chefin, die U-Bahn fährt nicht! Ich komm` später!“ Wer kurz vor Dienstbeginn so eine Nachricht absetzt, riskiert eine Abmahnung. Denn Berufstätige dürfen nicht einfach zu spät zur Arbeit kommen. Sie tragen das sogenannte Wegerisiko und sind selbst dafür verantwortlich, rechtzeitig im Betrieb zu erscheinen.

Andernfalls können Gehaltseinbußen oder Sanktionen drohen. „Wenn ich nicht zur Arbeit komme, gilt der Grundsatz: ohne Arbeit kein Geld“, so Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Berlin. Arbeitgeber können Beschäftigte auch abmahnen, wenn diese zu spät oder gar nicht im Unternehmen erscheinen. Das ist zumindest immer dann möglich, wenn der Streik - wie in diesem Fall - rechtzeitig vorher angekündigt worden ist.

Für Pendlerinnen und Pendler heißt das: Nach Alternativen suchen. Dabei muss man in der Regel auch höhere Kosten in Kauf nehmen, etwa weil man mit dem Auto zur Arbeit fährt.

Grundsätzlich lautet die Empfehlung des Fachanwalts: frühzeitig Absprachen mit dem Arbeitgeber treffen. Unter Umständen können auch eine Freistellung, Urlaub oder der Abbau von Überstunden für den Warnstreik-Tag eine Möglichkeit sein. Oder außer der Reihe Homeoffice ist die beste Lösung, wenn es entsprechende Vereinbarungen gibt.

Arzttermin: Im Zweifel lieber absagen

Bei kurzfristigen Absagen verlangen Ärztinnen und Therapeuten mitunter Ausfallhonorare. Wann diese eingefordert werden dürfen und wann nicht und welche Absagefristen dabei gelten, das ist aus rechtlicher Sicht nicht in wenigen Sätzen zu beantworten.

Grundsätzlich gilt aber der Rat: Lieber so früh wie möglich absagen und um eine Verschiebung bitten, wenn man befürchtet, wegen des ÖPNV-Warnstreiks den Termin nicht wahrnehmen zu können. Was dabei nicht schaden kann: den Warnstreik als Grund für die Absage offenzulegen. Gut möglich, dass die Praxis dann ein Auge zudrückt.

Sinnvoll ist, die Absage zu dokumentieren. So hat man etwas in der Hand, sollte es doch Ärger geben. Das geht, indem man die Absage als Mail an die Praxis schickt und somit später nachweisen kann, wann sie herausgegangen ist. „Wenn man telefonisch absagt, sollte man sich den Namen der Person, mit der man gesprochen hat, notieren und auch den Zeitpunkt“, rät der Rechtsanwalt Prof. Martin Stellpflug, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im Deutschen Anwaltverein.

Schule: Erscheinen bleibt Pflicht

Der Schulbus oder die Bahn fährt nicht? Ärgerlich, aber keine Ausrede für einen freien Tag. „Der Streik im Nahverkehr ändert nichts an der Schulpflicht“, sagt Wilhelm Achelpöhler, Anwalt für Verwaltungsrecht aus Münster.

Er vermutet zwar, dass kein Schulträger wegen eines einzelnen Tages ein Problem daraus machen wird. Streng genommen handele es sich aber um eine Ordnungswidrigkeit. Theoretisch könnte also ein Bußgeld verhängt werden.

Der Rat des Juristen an Eltern: Da sie von der Streiksituation nicht alleine betroffen sind, würde er als Erstes in der Schule nachfragen, ob dort nicht vielleicht schon etwas organisiert wurde - etwa Sammeltaxis. Wenn der Weg gerade auf dem Land sehr weit ist und mehrere Schüler betroffen sind, könne man auch selbst Fahrgemeinschaften organisieren.

Wenn alles nicht klappt und es dem Kind unmöglich ist, zur Schule zu kommen, gilt: zumindest rechtzeitig Bescheid geben.

Und was ist mit Entschädigungen?

Kommen der ICE oder die Regionalbahn streikbedingt mehr als eine Stunde zu spät oder fällt aus, stehen Betroffenen Entschädigungen gemäß der europäischen Fahrgastrechte zu. Doch beim ÖPNV sieht das anders aus: Der Nahverkehr wird von diesen Fahrgastrechten nicht erfasst, wie Beatrix Kaschel von der Schlichtungsstelle Nahverkehr erklärt.

Mit Blick auf den ÖPNV-Warnstreik an vielen Orten über die nächsten Tage heißt das: Verpasst man einen wichtigen Termin oder einen Fernzug, weil die U-Bahn oder der Bus nicht kommt? Leider Pech. Auf Entschädigungen braucht man nicht zu hoffen.

Auch Pünktlichkeitsversprechen, die kommunale Verkehrsbetriebe teils geben und wonach man ab gewissen Verspätungen eine Erstattung beantragen kann, gelten laut der Fachfrau in der Regel nicht bei Warnstreiks. (dpa)

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