TDroht Landgasthäusern im Kreis durch höhere Mehrwertsteuer das Aus?

Restaurantbesuche könnten teurer werden, fürchten Branchen-Experten. Foto: Andreas Arnold/dpa
Die Regierung will die Mehrwertsteuer in Restaurants wieder von 7 auf 19 Prozent anheben. Für den Staat geht es um Milliarden-Einnahmen, doch der Dehoga fürchtet ein Sterben der Landgasthöfe. Wie regionale Branchen-Experten das einordnen.
Landkreis. „Wir geben uns Mühe, servieren umweltfreundlich auf Porzellan, produzieren keine Müllberge und werden dafür bestraft“, erklärt Lutz Feldtmann, Vorsitzender des Kreisverbands des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga). Wer Lieferservice oder Essen to go anbiete, könne dem kommenden Jahr entspannt entgegensehen. Wie vor Corona sollen hier auch weiterhin nur 7 Prozent Mehrwertsteuer anfallen, für Essen im Restaurant ab 2024 aber wieder 19 Prozent.
Feldtmann findet das ökologisch sinnlos und den Restaurants gegenüber unfair. Er fürchtet, dass die Rückkehr der höheren Mehrwertsteuer zu einem Preisschock bei den Kunden führen und letztendlich das Aus für viele Landgasthäuser bedeuten könnte. Der Bundesverband warnt vor etwa 12.000 Betriebsschließungen und durchschnittlichen Preissteigerungen von 18,2 Prozent.
Wohlhabende und Kinderlose geben mehr für Restaurants aus
Ob die Regierung die Erhöhung tatsächlich durchzieht, wird sich Ende des Jahres zeigen, wenn die Steuerschätzungen vorliegen. Dann steht der finanzielle Rahmen für die Haushaltsberatungen im Bundestag. Aus der vorübergehenden Senkung wegen Corona-Krise und Ukraine-Krieg jetzt eine dauerhafte Lösung zu machen, würde laut Wirtschaftsforschern zu Steuerausfällen in Milliardenhöhe führen.
Nach Berechnungen des Wirtschaftsforschungsinstituts ZEW führt der verringerte Satz zu jährlichen Steuerausfällen von derzeit gut drei Milliarden Euro. In den kommenden zehn Jahren wären Gesamtkosten von etwa 38 Milliarden Euro zu erwarten. Diese müssten entweder durch höhere Steuern an anderer Stelle oder Ausgabenkürzungen ausgeglichen werden. Die ZEW argumentiert auch mit sozialer Gerechtigkeit: Der verringerte Steuersatz in der Gastronomie komme vor allem wohlhabenden und kinderlosen Haushalten zugute, da diese im Durchschnitt mehr für Restaurantbesuche ausgeben.
Brief an Habeck: Stader Ökonom fordert Beibehaltung von 7 Prozent
„Für viele Familien ist ein Restaurantbesuch aufgrund der gestiegenen Preise schon zu einem Luxusgut geworden“, gibt dagegen Dr. Hartmut Meyer aus Bützfleth zu bedenken. Er lehrt an der Hamburg-Bremischen Fachhochschule für Ökonomie und Management und berät den Dehoga im Kreis Stade. Er ist auch Bundesvorstand und Vorsitzender der Fachgruppe Gastronomie und Hotellerie des Vereins „DIE KMU-Berater“, der kleine und mittelständische Unternehmen berät. Als solcher hat er einen offenen Brief an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck geschrieben. In diesem fordert er den Erhalt des ermäßigten Steuersatzes von 7 Prozent und argumentiert vor allem mit dem Fachkräftemangel, der Inflation, Preissteigerungen, gestiegenen Personalkosten und der internationalen Wettbewerbsfähigkeit.

Dr. Hartmut Meyer, Ökonom aus Bützfleth. Foto: Anping Richter
„Mich ärgert, dass die Politik denkt, man könne die Gastronomie nach Bedarf an- und ausschalten“, sagt Meyer. Nach drei Krisenjahren seien die Gastronomen immer noch geschafft und die Kunden auch. Für ländlich geprägte Regionen wie den Kreis Stade würde eine Wiedererhöhung der Steuer besonders schwierig, prophezeit er: „Familienfeiern würden noch stärker in Vereinsheime abdriften, weil sich die Leute auch das nicht mehr leisten können.“
Schon jetzt sei Konsumzurückhaltung zu beobachten, die dazu führe, dass viele Gastronomen tageweise schließen. Das wiederum verstärke den Fachkräftemangel: „Wenn ein Restaurant montags, dienstags und mittwochs geschlossen ist, weiß ich ja schon, dass ich am Wochenende nie frei habe.“ Es gebe schon jetzt zu wenige Gasträume für Familienfeiern, sagt Meyer. Er habe das in der Nachbarschaft oft erlebt: „Leute suchen etwas für den 80. oder 90. Geburtstag und sagen mir: Es hat uns keiner mehr genommen.“
Zwischen Stade und Cuxhaven schon jetzt zu wenige Restaurants
Anne Riebau, im IHK-Bezirk Stade zuständig für Gastronomie und Tourismus und Leiterin der Geschäftsstelle in Cuxhaven, sieht die Gastro-Branche auf einem guten Weg, sich zu erholen. Aus ihrer Sicht ist der Fachkräftemangel das größte Problem. Die Personalkosten stiegen zurzeit quer durch alle Branchen, doch in der Gastronomie wurde traditionell schlechter gezahlt, und in der Krise seien viele abgewandert.
Die Forderung der Gastronomen könne sie nachvollziehen: „Höhere Kosten haben Preissteigerungen zur Folge, und das wirkt sich immer auf die Nachfrage aus.“ Sollte die regionale Gastronomie noch mehr geschwächt werden, mache sie sich auch Sorgen um den Tourismus. Zwischen Stade und Cuxhaven, entlang des Elbe-Radwegs, gebe es jetzt schon zu wenige Gasthäuser: „Viele haben Probleme, die Gäste noch irgendwohin zu schicken, auch weil kaum noch jemand einen Mittagstisch anbietet.“