TWenn die Dunkelheit aufs Gemüt schlägt: Das rät ein Arzt

Ein einsamer Spaziergang unter grauem Himmel: Die frühen Dunkelstunden des Winters können die Stimmung drücken. Ursache ist vor allem der Lichtmangel. Foto: dpa
Viele Menschen kämpfen derzeit mit gedrückter Stimmung, sind müde oder leicht gereizt. Was gegen eine saisonale Depression hilft.
Das graue Wetter zieht durch das Cuxland, viele Menschen haben mit der frühen Dunkelheit zu kämpfen. Es schlägt ihnen auf die Stimmung oder sie entwickeln sogar eine jahreszeitbedingte Depression.
Michel Torres Leyva ist Arzt, in Weiterbildung zum Facharzt für psychosomatische Medizin und arbeitet im medizinischen Versorgungszentrum Timmermann und Partner in Cuxhaven. Im Interview erläutert er den Unterschied zwischen einer saisonalen Depression und einer Depression und gibt Tipps, um durch die dunklen Monate zu kommen.
Wie viele Menschen leiden an einer Depression? Wie viele entwickeln eine saisonale Depression?
Michel Torres Leyva: In Deutschland ist die Anzahl der Menschen, die an Depressionen leiden, in den letzten Jahren gestiegen und hat mehr als zwölf Prozent der Gesamtbevölkerung erreicht. Die saisonale Depression (auch SAD, saisonal affective disorder oder auch Winterdepression) tritt hingegen deutlich seltener auf und betrifft nur etwa ein bis zwei Prozent der Bevölkerung; sie tritt vor allem in den Wintermonaten auf. Als Ursache wird vor allem der Lichtmangel in den dunklen Monaten gesehen, der den circadianen Rhythmus (die innere Uhr) stört und die Produktion von Hormonen wie Melatonin und Serotonin aus dem Gleichgewicht bringt.

Michel Torres Leyva ist Arzt und in Weiterbildung zum Facharzt für psychosomatische Medizin. Foto: MVZ Timmermann und Partner
Worin unterscheiden sich saisonale und reguläre Depressionen?
Während eine reguläre Depression unabhängig von der Jahreszeit auftreten kann, folgt die saisonale Depression einem klaren Muster: Sie beginnt meist im Herbst oder Winter und klingt im Frühling oder Sommer wieder ab. Typische Symptome sind anhaltende Traurigkeit, ein starkes Schlafbedürfnis, Antriebslosigkeit und eine Gewichtszunahme, oft durch ein gesteigertes Verlangen nach kohlenhydratreicher Nahrung.
Besteht die Gefahr, eine reguläre Depression zu entwickeln, wenn man eine saisonale hat?
Ja, Studien zeigen, dass Menschen mit saisonaler Depression ein erhöhtes Risiko haben, auch außerhalb der Wintermonate depressive Episoden zu erleben. Mechanismen wie hormonelle Dysbalancen oder genetische Faktoren, die SAD auslösen können, können auch bei regulären Depressionen eine Rolle spielen. Daher ist es wichtig, eine saisonale Depression ernst zu nehmen und frühzeitig zu behandeln, um chronischen Beschwerden vorzubeugen.
Was kann man tun, und an wen kann man sich wenden, wenn man das Gefühl hat, eine saisonale Depression zu haben? Was raten Sie Patienten und Patientinnen?
Wer sich durch die Symptome einer saisonalen Depression belastet fühlt, sollte frühzeitig Hilfe suchen. Anlaufstellen sind unter anderem Hausärzte, die eine erste Einschätzung vornehmen können, Psychologen und Psychiater, die auf die Behandlung von Depressionen spezialisiert sind, sowie Selbsthilfegruppen wie das „Nürnberger Bündnis gegen Depression e.V.“, die Unterstützung und Austausch ermöglichen.
Zu den bewährten Behandlungsmethoden gehören die Lichttherapie, regelmäßige Sitzungen mit einer speziellen Tageslichtlampe können die Stimmung positiv beeinflussen und die Psychotherapie, besonders die kognitive Verhaltenstherapie, kann dabei helfen, belastende Denkmuster zu erkennen und zu ändern. In schweren Fällen können Antidepressiva zum Einsatz kommen.
Entscheidend ist, offen über die eigenen Symptome zu sprechen und sich nicht davor zu scheuen, Unterstützung in Anspruch zu nehmen.
Haben Sie allgemeine Tipps, um durch die dunkle Jahreszeit zu kommen, auch für die Leserinnen und Leser, die sich niedergeschlagen oder müde fühlen?
Auch wer nicht unter einer diagnostizierten Depression leidet, kann in der Winterzeit mit Niedergeschlagenheit oder Müdigkeit kämpfen. Wenn man ein paar Dinge beachtet, kann man aber sehr gut durch die dunkle Jahreszeit kommen. Ich würde zuerst zu viel Bewegung im Freien raten. Selbst bei grauem Himmel hilft das Tageslicht, die Stimmung zu heben. Regelmäßige Spaziergänge oder andere körperliche Aktivitäten wirken stimmungsaufhellend.
Die Pflege der sozialen Kontakte ist wichtig. Zeit mit Familie und Freunden zu verbringen, kann Isolation vorbeugen und das Wohlbefinden fördern. Achten Sie auf eine gesunde Ernährung. Eine abwechslungsreiche Ernährung mit viel Obst, Gemüse und Omega-3-Fettsäuren stärkt Körper und Geist. Achten Sie darauf, so viel natürliches Licht wie möglich zu tanken. Lichttherapie kann eine zusätzliche Unterstützung sein. Achtsamkeit und Entspannung helfen, das Gleichgewicht zu behalten. Übungen wie Yoga, Meditation oder Atemtechniken können Stress reduzieren und die Lebensqualität verbessern. Und natürlich regelmäßiger, guter und ausreichender Schlaf. Ein fester Schlaf-Wach-Rhythmus hilft, die innere Balance zu halten. Mit diesen einfachen Maßnahmen und Veränderungen können Sie die Winterzeit aktiver gestalten, trüben Gedanken entgegenwirken und schließlich „Licht ins Dunkle“ bringen. Nehmen Sie Ihr Wohlbefinden selbst in die Hand, und zögern Sie nicht, bei Bedarf Unterstützung zu suchen.