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Ehrenamt

TAltländer Kulturvereine funken SOS - und starten Rettungsversuch

Rund 30.000 Besucher zählte die Ausstellung zur Altländer Volkskunst in der Festhalle in Jork im Jahr 1970 - organisiert vom Verein zur Förderung und Erhaltung Altländer Kultur.

Rund 30.000 Besucher zählte die Ausstellung zur Altländer Volkskunst in der Festhalle in Jork im Jahr 1970 - organisiert vom Verein zur Förderung und Erhaltung Altländer Kultur. Foto: Jebramek

Zehntausende stürmten 1970 zur ersten Ausstellung im Alten Land. Jetzt ist die Zukunft der Kulturvereine im Alten Land bedroht. Die Altländer starten einen Rettungsversuch.

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Von Björn Vasel
Dienstag, 18.03.2025, 08:50 Uhr

Jork. „Wir finden keine Nachfolger“, sagt der Vorsitzende des Vereins zur Erhaltung und Förderung Altländer Kultur, Claus Ropers. Davon kann auch Doris Marks vom Kulturverein Steinkirchen und Umgebung ein Lied singen. Die 81-Jährige setzte jüngst im Kulturausschuss der Samtgemeinde Lühe einen Notruf ab.

„Unser Problem ist die Überalterung. Wenn niemand in unsere Fußstapfen tritt, müssen wir uns auflösen“, sagte Marks. Bei der Gründung im Jahr 1989 durch den Pastor Wolf-Dietrich Lochte zählte der Verein rund 100 Mitglieder. Die Wurzeln lagen im Orgelbauverein. Heute seien es noch etwa 50 Mitstreiter - ähnlich wie in Jork. Das Problem: Die Arbeit in den Altländer Kulturvereinen laste auf immer weniger Schultern.

Kulturvereine bewahren das Erbe des Alten Landes

Dabei hatte alles so hoffnungsvoll begonnen. Mehr als 30.000 Menschen strömten 1970 in die Altländer Festhalle in Jork. Fünf Wochen lang zog die Altländer Kulturwoche mit Volkskunst aus drei Jahrhunderten die Massen an. Die Altländer begannen, den Wert ihres kulturellen Erbes wiederzuentdecken.

Dr. Boy Friedrich und Claus Ropers vom Verein zur Förderung und Erhaltung Altländer Kultur im Gespräch (von links).

Dr. Boy Friedrich und Claus Ropers vom Verein zur Förderung und Erhaltung Altländer Kultur im Gespräch (von links). Foto: Vasel

Vieles war in den Jahren zuvor einfach auf dem Sperrmüll gelandet. Fachwerkhäuser wurden in den Jahren nach der Sturmflut 1962 abgerissen. Hinzu kam: Ende der 1960er Jahre steckte der Obstbau in einer tiefen Krise. Die Erzeugerpreise waren im Keller - eine Folge der Importe nach der Marktöffnung im Zuge der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). Vor vielen Bauernhäusern wehte die schwarze Fahne.

Die Altländer rückten zusammen. 1968 gründeten sie die Obsterzeugerorganisation Niederelbe - heute Elbe-Obst. In diese Zeit des wirtschaftlichen Umbruchs und Aufbruchs fiel die Gründung des Vereins zur Förderung und Erhaltung Altländer Kultur durch Carl und Elfriede Röper, Heinrich und Marga Hauschildt, Kurt Kleinert, Peter Richters, Cord Michelsen, Heinz Heerenklage und Walter Peper am 28. August 1970.

Bewahrung: Die großen Ausstellungen, etwa zur Altländer Tracht und zur Sturmflut 1992, im Museum Altes Land waren immer auch ein Manifest.

Bewahrung: Die großen Ausstellungen, etwa zur Altländer Tracht und zur Sturmflut 1992, im Museum Altes Land waren immer auch ein Manifest. Foto: Vasel

„Das Altländer Geschichtsbewusstsein zu pflegen und das kulturelle Erbe des Alten Landes zu wahren“, dieses Ziel von Röper & Co. eine bis heute alle Kulturvereine, so Dr. Boy Friedrich vom Kulturverein Jork. Ropers verweist beispielhaft auf die großen Ausstellungen zu Trachten und Sturmflut. In mehr als fünf Jahrzehnten unterstrichen sie nicht nur mit den Ausstellungen, sondern auch mit Schriften und Büchern den kulturellen Reichtum ihrer Heimat. 1971 veröffentlichten Röpers Mitstreiter mit „750 Jahre Jork-Borstel“ die erste Schrift, zuletzt folgten 2018 das Regionallexikon über das Alte Land und 2022 die „Jorker Bauerngeschlechter und ihre Höfe“.

Doris Marks vom Kulturverein Steinkirchen sucht Nachfolger.

Doris Marks vom Kulturverein Steinkirchen sucht Nachfolger. Foto: Vasel

Und auch Doris Marks leistete mit ihrem Verein einen wichtigen Beitrag. Sie verweist unter anderen auf die zehnbändige Schriftenreihe „Drei Meilen Altes Land“ und die Dorf- und Kirchenchroniken. „Herausragendes Projekt war die Errichtung der Skulptur ‚Priester Heinrich‘ vor der Kirche in Steinkirchen“, sagt Doris Marks und verweist auf die Kontakte in die Niederlande.

Kulturvereine halten Einheit des Alten Landes hoch

„Wer die Vergangenheit nicht kennt, der kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten“, sagte Ropers bereits beim diesjährigen Neujahrsempfang in Jork. Ohne die Kulturvereine werde der Zusammenhalt im Alten Land wieder schwinden.

„Das Alte Land existiert nur noch in seiner Kultur“, ergänzt Boy Friedrich. Die Landesgemeinde Altes Land, später Amt und Kreis Jork, existiere nicht mehr als Klammer. Der Cranzer verweist auf die Kreisreform 1932. Hitler trennte die Region 1937/1938 durch das Groß-Hamburg-Gesetz. Heute liegt ein Teil des Alten Landes in Hamburg.

Das Wort der Kulturvereine hatte Gewicht. Ropers verweist auf die Rettung und den Umbau des Gräfenhofes von 1649/ 1651 zum Rathaus (1971/1980), den Erhalt des Kohlmeier‘schen Hofs von 1711/1825 durch den Umbau zum Museum Altes Land (1980) und die Sicherung des Altländer Archivs. 2022 folgte schließlich die Ausweisung des Alten Landes als Vorranggebiet „Kulturelles Sachgut“ durch das Land Niedersachsen - und damit die Sicherung der Kulturlandschaft.

Die Altländer Kulturvereine wollen stärker zusammenarbeiten (von links): Inge Renzow (Heimatverein von de Est); Hans Herbert Mohr (900 Jahre Neuenfelde); Bernd Sänger (Verein Borsteler Hafen); Doris Marks (Kulturverein Steinkirchen u. Umgebung); Dr. Boy Friedrich (Kulturverein Jork); Jürgen Meyer (Kulturverein Steinkirchen u. Umgebung); Theis Sumfleth (Aue /Lühe- Verein) und Claus Ropers vom Verein zur Erhaltung und Förderung Altländer Kultur Jork.

Die Altländer Kulturvereine wollen stärker zusammenarbeiten (von links): Inge Renzow (Heimatverein von de Est); Hans Herbert Mohr (900 Jahre Neuenfelde); Bernd Sänger (Verein Borsteler Hafen); Doris Marks (Kulturverein Steinkirchen u. Umgebung); Dr. Boy Friedrich (Kulturverein Jork); Jürgen Meyer (Kulturverein Steinkirchen u. Umgebung); Theis Sumfleth (Aue /Lühe- Verein) und Claus Ropers vom Verein zur Erhaltung und Förderung Altländer Kultur Jork. Foto: Tiedemann

So wollen die Kulturvereine das Altländer Erbe retten

Auf Initiative des Vereins zur Förderung und Erhaltung der Altländer Kultur wollen die Vereine und Stiftungen enger zusammenarbeiten - auch, um Nachwuchs zu gewinnen und die Außenwirkung zu verbessern. Mit im Boot:

  • Heimatverein 900 Jahre (Neuenfelde)
  • Arbeitskreis Dorferhalt (Rübke)
  • Heimatverein von de Est (Estebrügge)
  • Kulturverein Steinkirchen und Umgebung
  • Bürgerschaft Twielenfleth
  • Förderverein Aue/Lühe
  • Verein Borsteler Hafen
  • Altländer Volkstanzgruppe (Steinkirchen)
  • Rübker Moorpedders
  • Altländer Kulturstiftung
  • Altländer Kirchenstiftung
  • Heimatverein Francop
  • Altländer Volkstanzgruppe (Jork)
  • Mühlenverein Venti Amica (Twielenfleth).

So wird es am 3./4. Mai im Pfarrgarten beim Altländer Blütenfest einen gemeinsamen Stand geben. Im Herbst soll es mit der Zukunftswerkstatt Altes Land eine Tagung geben. Thema: „Das Alte Land in seinen historischen Grundzügen - Herausforderungen für die Zukunft“. Kontakt: 01575/ 3203691 oder bjr11@outlook.de.

Rund 30.000 Besucher zählte die Ausstellung zur Altländer Volkskunst in der Festhalle in Jork im Jahr 1970 - organisiert vom Verein zur Förderung und Erhaltung Altländer Kultur.

Rund 30.000 Besucher zählte die Ausstellung zur Altländer Volkskunst in der Festhalle in Jork im Jahr 1970 - organisiert vom Verein zur Förderung und Erhaltung Altländer Kultur. Foto: Altländer Archiv/Jebramek

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