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Küstenschutz

TDeiche im Kreis Stade sicher: Trotzdem muss Ministerpräsident Weil ein Machtwort sprechen

Im Bereich des LNG-Terminals in Stade entsteht bereits ein neuer Deich, rechts ist die Energos Force zu sehen.

Im Bereich des LNG-Terminals in Stade entsteht bereits ein neuer Deich, rechts ist die Energos Force zu sehen. Foto: Vasel

Die Deiche an der Niederelbe sind sicher. Das ist ein Ergebnis der Frühlingsdeichschauen. Das TAGEBLATT gibt einen Überblick über Probleme, vom Wolf bis zum Öko-Ausgleich, und den Stand der Baumaßnahmen. Eine gute Nachricht aus Hannover gab es auch.

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Von Björn Vasel
Donnerstag, 16.05.2024, 00:07 Uhr

Jork. Die Deiche an der Elbe und an den Nebenflüssen Este, Aue/Lühe, Schwinge und Oste sind „in einem guten, wehrhaften Zustand“, erklärte Landrat Kai Seefried (CDU) nach dem Abschluss der zwölf Deichschauen. „Trotz der vielen Niederschläge im Winterhalbjahr gab es lediglich nur punktuell einen Wühlmaus- oder Maulwurfsbefall“, sagt Kreisbaurätin Madeleine Pönitz.

Insgesamt 223 Deichkilometer waren in Augenschein genommen worden. Die Haupt- und Schutzdeiche seien sicher. Insbesondere in Nordkehdingen habe es ein sehr hohes Aufkommen an Treibsel nach der letzten Sturmflutsaison gegeben. Seefried dankte Ehrenamtlichen aus den Reihen von Deichverbänden, Feuerwehr, DLRG und THW, die bei den Sturmfluten und dem Lühe-Hochwasser um Weihnachten 2023 im Einsatz waren.

Schäfer im Alten Land gibt im nächsten Jahr auf

Der Landrat lobte auch das Engagement der Deichschäfer. „Der gute Zustand der Deiche ist auch ihnen zu verdanken“, sagte Pönitz. Sie war sich mit der neuen Leiterin der Unteren Deichbehörde beim Kreis Stade, Simone Ilse, einig, dass sie „unverzichtbar sind“. Die Deichschafe sorgen für eine dichte Grasnarbe, diese ist der Panzer der Deiche.

Der Deichschäfer der I. Meile Altenlandes will 2025 aufgeben.

Der Deichschäfer der I. Meile Altenlandes will 2025 aufgeben. Foto: Vasel

Der Kreis bedauert, dass der Schäfer der I. Meile Altenlandes zum 31. März 2025 gekündigt habe. Die Kündigung habe dieser mit dem Wolfsrisiko und der Tatsache, dass er mit seinen 1000 Tieren kein Geld verdiene, begründet. Laut Oberdeichrichter Dierk König gibt es einen potenziellen Nachfolger.

Abschuss des Wolfes wird vorbereitet

Landrat Kai Seefried teilte mit, dass der Landkreis Stade sich auf den Abschuss des Hahnöfersand-Wolfes vorbereite. 20 tote Schafe gebe es mittlerweile. In Kürze soll die DNA-Probe vorliegen. Wenn diese mit der Probe vom ersten Wolfsriss im März übereinstimmt, darf der Kreis den Wolf durch Jäger töten lassen.

Seefried kritisierte das Vorgehen des Landes. Dieses habe - am Tag der zweiten Attacke - eine Falle aufgestellt, um den Wolf mit einem Sender auszustatten. Der Wolf habe im Alten Land und Kehdingen nichts zu suchen, der Schutz von 100.000 Menschen hinter den Deichen und der Schafe müsse absoluten Vorrang haben.

Großbaustelle an der Elbe mit Anti-Vogel-Stacheln

Im Bereich des Anlegers für verflüssigte Gase auf Bützflethersand in Stade wird aktuell der Hauptdeich neu profiliert. Das war eine Auflage für den Bau des Flüssiggas-Terminals. Der Deich wird auf 9,50 Meter Normalhöhennull erhöht, sagt die Geschäftsführerin des Deichverbands Kehdingen-Oste, Stephanie Wischkony. Aktuell wird der Sandkern des kleiummantelten Bauwerks aufgeschüttet. „Es ist die größte Baustelle im Kreis Stade“, sagt ihre Nachfolgerin im Kreishaus, die Wasserbauingenieurin Simone Ilse.

Baustelle hinter einem Sicherheitszaun und Kameraüberwachung: Auf rund 1200 Metern wird am LNG-Terminal in Stade ein neuer Deich angelegt.

Baustelle hinter einem Sicherheitszaun und Kameraüberwachung: Auf rund 1200 Metern wird am LNG-Terminal in Stade ein neuer Deich angelegt. Foto: Vasel

Damit sich keine Wiesenbrüter niederlassen, sollen Vögel mit Flatterband vergrämt werden.

Die Holzpfähle mit dem weiß-roten Plastikstreifen sehen wie die Stachel eines Igels aus, so Ilse. Außerdem sollen kreisende Plastik-Raubvögel auf Riesenstangen alle 50 Meter die Wiesenbrüter auf Abstand halten.

Im September 2024 soll der neue, rund 1200 Meter lange Deich - zwischen dem Flüssiggas-Terminal und dem Stadersand-Deichschart - fertig sein.

Auslaufbauwerk soll im Herbst fertig sein

Als weitere Baumaßnahme werde noch in diesem Jahr der Bau des Auslaufbauwerks für das neue Siel in Hinterbrack im Außendeich in Angriff genommen, so Simone Ilse. Vor der Sturmflutsaison im Herbst 2024 soll das Bauwerk fertig sein. 2025 könnte der neue acht Millionen Euro teure Klimadeich in Angriff genommen - inklusive Fertigstellung des Siels im Deichkörper - und auf einer Länge von 2000 Metern auf 9,50 Meter Normalhöhennull erhöht werden. In der K39 war das Rohr für das Siel zur Entwässerung der Obstplantage im Bereich der Hinterbracker Wettern bereits verlegt worden. Der Landkreis Stade ermöglicht den Weiterbau des Siels über eine deichrechtliche Genehmigung, damit nicht noch mehr Zeit verloren geht.

Das Auslaufbauwerk im Deich in Hinterbrack.

Das Auslaufbauwerk im Deich in Hinterbrack. Foto: Vasel

Des Weiteren laufen aktuell Untersuchungen auf den Elbdeichen. Mitarbeiter des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz bestimmen die Kleimächtigkeit und -qualität für die Fortschreibung des Generalplans Küstenschutz.

An der Oste bei Gräpel werden Grunderwerb und Planung für die nächste große Schutzdeichverstärkung vorbereitet. Der Deichverband Kehdingen-Oste arbeitetet an den Kompensationsmaßnahmen für die Hauptdeicherhöhung.

Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) greift ein

Kritisch sieht Landrat Kai Seefried (CDU) weiterhin, dass das Umweltministerium den Start der Deicherhöhung verzögert. Konkret geht es um die Umsetzung der Neuregelung des Niedersächsischen Naturschutzgesetzes. Die SPD/CDU-Koalition hatte das Gesetz vor der Landtagswahl 2022 geändert. Küsten- und Menschenschutz sollten über dem Naturschutz stehen. Lediglich für zusätzlich in Anspruch genommene Flächen sollte es einen Öko-Ausgleich geben. Damit hätte beispielsweise der Deichverband der II. Meile Alten Landes lediglich 1,68 Hektar - geplant ist ein Weidengürtel im Auwald - nachweisen müssen. Diese Regelung gibt es auch in Hamburg und Schleswig-Holstein.

Doch in Hannover legt das Umweltministerium unter Minister Christian Meyer (Grüne) das Gesetz anders aus. Die Ministerialen wollen weiterhin auch für die Inanspruchnahme der heutigen Deichflächen eine Kompensation. Schließlich verschwänden die schützenswerten Gräser beim Bau des Klimadeiches vorübergehend. Die Folge: Die Planfeststellungskommissarin beim Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz in Lüneburg will den Planfeststellungsbeschluss für die Deicherhöhung in Hinterbrack erst unterschreiben, wenn der Verband die neue Gesetzesinterpretation akzeptiert. Der Beschluss war für September 2024 angekündigt worden.

Der Deich in Hinterbrack soll 2025 erhöht werden. Das artenreiche Gras ist ein Problem.

Der Deich in Hinterbrack soll 2025 erhöht werden. Das artenreiche Gras ist ein Problem. Foto: Vasel

Die Altländer müssten 15 Hektar für 2000 Meter in Hinterbrack nachweisen. Damit wäre fast die gesamte Fläche für die Deichbau-Kompensation im Alten Land aufgebraucht. Die Jorker wollten einen Weidengürtel am Auwald anlegen. Hochgerechnet für den gesamten Landkreis Stade müssten 580 Hektar für 76 Kilometer Elbdeich bereitgestellt werden, sollte es nicht zu einem Kurswechsel kommen.

Beim Europatag in Jork hatte der Oberdeichrichter der II. Meile Alten Landes, Wilhelm Ulferts, den niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) am 20. April eingeschaltet. Auch Landrat Kai Seefried (CDU) hatte sich wiederholt an Umweltminister Christian Meyer (Grüne) gewandt. Antworten auf die Schreiben vom 25. März und 23. April gab es nicht. Doch jetzt tut sich etwas, Weil habe offenbar einen Gesprächskanal geöffnet. Um Punkt 5 vor 12 Uhr klingelte am vergangenen Freitag im Kreishaus in Stade das Telefon. „Im Juni wird es ein Gespräch in Hannover geben“, sagte Seefried.

Rund 16 Millionen Euro gibt es in diesem Jahr vom Land für Küstenschutz im Landkreis Stade. Mehr als 575 Millionen Euro werden die Ertüchtigung der Deiche, sprich eine Erhöhung um zwei Meter, und der Neubau von sieben Sperrwerken den Steuerzahler in den nächsten Jahrzehnten bis 2050 voraussichtlich kosten.

Flatterband soll verhindern, dass sich Wiesenbrüter auf dem Deich niederlassen und die Bauarbeiten stören.

Flatterband soll verhindern, dass sich Wiesenbrüter auf dem Deich niederlassen und die Bauarbeiten stören. Foto: Vasel

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