TWarum Äpfel aus dem Alten Land gut fürs Klima sind

Klimaschützer müssen Altländer Äpfel kaufen: Dr. Dirk Köpcke (Foto) und sein Kollege Dr. Tim-Pascal Schlie vom Obstbauzentrum Esteburg in Jork-Moorende haben die Klimabilanzen von regionalen Äpfeln und Überseeware verglichen. Foto: Vasel
Die Apfelernte steht vor der Tür. Und immer wieder kommt die Frage auf, ob Verbraucher durch den Konsum von Äpfeln aus dem Alten Land zu Klimaschützern werden. Das beantworten zwei Experten.
Jork. Dr. Dirk Köpcke und Dr. Tim-Pascal Schlie vom Obstbauzentrum Esteburg in Jork-Moorende sind sich einig: Deutsche Äpfel „weisen zu jedem Zeitpunkt einen deutlich kleineren CO2-Fußabdruck als Überseeware auf“.
Sie verweisen unter anderem auf zahlreiche Studien. Und: Die fast 500 Familienbetriebe an der Niederelbe sowie die Erzeugerorganisationen und der Fruchthandel bauen ihren Vorsprung gegenüber den Äpfeln aus Neuseeland, Südafrika & Co. sogar weiter aus.

Auf den Dächern der Lager sind Photovoltaikanlagen längst Standard, jetzt werden Agri-PV-Anlagen in den Obstplantagen erprobt. Foto: Vasel
Köpcke verweist auf den steigenden Anteil von regenerativem Strom aus Solar- und Windkraft in Niedersachsen. Hinzu komme, dass die neue Lagertechnik helfe, Energie und Kosten zu sparen. Des Weiteren hätten viele Obstbauern auf den Dächern ihrer Hallen bereits unzählige Photovoltaikanlagen montiert.
Verzehr von Altländer Äpfeln ist aktiver Klimaschutz
Im vergangenen Jahr hatte der Chefökonom der Welthandelsorganisation (WTO), Ralf Ossa, die Klimafreundlichkeit der Altländer Äpfel in Zweifel gezogen. Er hatte in einem Interview mit der Deutschen Presseagentur (dpa) behauptet: Äpfel aus Neuseeland seien im Winter grüner als die Äpfel aus Deutschland. Ossa ruderte aufgrund der Proteste des Obstbaus zurück und gestand seine Falschaussage ein.
Im Zuge der Diskussion hatte sich Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) auf die Seite der rund 7000 deutschen Apfelbauern geschlagen. Obst aus der Region gehöre nicht nur zu einer gesunden und ausgewogenen Ernährung, „sondern ist auch noch aktiver Klimaschutz“.
Obstbau profitiert bei der Klimabilanz von Öko-Strom
Vor der Apfelernte geben die Esteburg-Experten den Erzeugern die Fakten zur Klimabilanz an die Hand, denn immer wieder greifen Verbraucher- und Naturschützer, aber auch Politiker und Medien das Thema auf. Köpcke und Schlie machen deutlich: Nicht nur der Schiffstransport führe zu einem höheren CO2-Fußabdruck der Überseeware. In den Studien werden für eine bis zu achtmonatige Lagerung deutscher Äpfel durchschnittlich bis zu 96 Kilowattstunden pro Tonne (kWh/t) veranschlagt. Allein der Schiffstransport von Südafrika schlage mit 1560 kWh/t bis 2500 kWh/t zu Buche.
Hinzu komme, dass beispielsweise der Energieaufwand für die Abkühlung der Äpfel auf Lagertemperatur bei der südländischen Ware um bis zu 40 Prozent höher sei als bei deutscher Ware. Des Weiteren werden die Äpfel in den Apfellangzeitlagern (CA/Ulo) an der Niederelbe bei 1,5 bis 4 Grad Celsius deutlich wärmer gelagert als auf der Südhalbkugel.
Entscheidend seien bei der Klimabilanz letztlich die CO2-Emissionen. Bis 2030 strebt der Bund einen Anteil von 80 Prozent regenerativ erzeugten Stroms beim Verbrauch an. „Das macht klar, dass der CO2-Fußabdruck für die Lagerung deutscher Äpfel weiter abnehmen wird - und deutsche Äpfel noch klimafreundlicher werden“, sagt Köpcke.

Blick in ein Apfellangzeitlager (CA/Ulo) auf dem Herzapfelhof in Jork. Foto: Vasel
2022 und 2023 kam Öko-Strom in Niedersachsen rechnerisch insbesondere dank der Windkraft auf 92 bis 100 Prozent. „Damit dürfte die Obstlagerung in Niedersachsen fast klimaneutral sein“, sagt Dr. Dirk Köpcke. Er verweist auch auf die vom Bundesumweltministerium geförderte Untersuchung des Instituts für Energie- und Umweltforschung (ifeu) in Heidelberg. Die ifeu-Wissenschaftler hatten 2020 den Klimaeffekt über den CO2-Fußabdruck ermittelt - von der Produktion bis zur Supermarktkasse.
Ergebnis: Deutsche Äpfel werden auch nach mehrmonatiger Lagerung im Apfellangzeitlager deutlich klimafreundlicher bewertet als importierte neuseeländische Äpfel. Der CO2-Fußabdruck der Altländer Äpfel liege bei 0,4 im April (Lagerung), neuseeländische Äpfel hingegen hatten mit 0,8 Kilogramm CO2-Äquivalent pro Kilogramm Apfel einen doppelt so großen CO2-Fußabdruck. 28 Tage sind die Äpfel aus Neuseeland mit dem Schiff unterwegs.
Öko-Strom in Eis für Apfel-Lagerung speichern
Doch die Altländer Obstbauern setzen nicht nur auf den Ausbau der Photovoltaik, sondern auch auf Innovationen. Im Zuge des geplanten neuen Forschungsprogramms Kermit will das Obstbauzentrum Esteburg mit der Universität Hamburg und dem Fraunhofer Institut auf ihren digitalen Zukunftsbetrieben unter anderem den Klimaschutz und die Treibhausgasminderung vorantreiben. Erste Ideen: Ungenutzte Flächen an den Wegrändern und in Bereichen zur Abdriftminderung im Pflanzenschutz in den Obstplantagen werden aktiviert, um PV-Module zu installieren, so Esteburg-Leiter Dr. Karsten Klopp.
Diese sollen erneuerbare Energie für die Umsetzung von Eisspeichern in den klassischen Lagersystemen und für elektrobasierte Feldgeräte generieren. Der Öko-Strom könnte in sonnenreichen Monaten in Form von Eis in den Apfellangzeitlagern (CA/Ulo) gespeichert werden, erklärt Köpcke. Diese „Kühl-Akkus“ könnten an den Wänden der CA/Ulo-Lager stehen und nach dem Einlagern nach der Ernte „wie früher in Eiskellern und Lagerhäusern“ zur Kühlung der Äpfel genutzt werden. Ziel müsse es sein, die Energiekosten zu reduzieren. Das könnte laut Esteburg-Vize Dr. Matthias Görgens auch dazu beitragen, die Produktionskosten zu senken - und den Obstbau im Wettbewerb zu stärken.