T Industriestrompreis: Was Dow, Synthopol und AOS dazu sagen

Der Stader Seehafen mit Blick auf das Gelände von Dow und AOS bei Nacht. Foto: Martin Elsen
Lange wurde um den Industriestrompreis gestritten. Jetzt haben Scholz, Habeck und Lindner sich auf ein Paket geeinigt, das die energieintensive Industrie wettbewerbsfähiger machen soll. Klappt das? Was Dow, Synthopol und AOS dazu sagen.
Landkreis. Die chemische Industrie ist durch die stark gestiegenen Energiepreise seit dem Beginn des Ukrainekriegs besonders belastet. Dow Chemical ist nach eigenen Aussagen eines der stromintensivsten Unternehmen in Deutschland. Der Verbrauch der Dow in Stade entsprach mit 4,5 Terawattstunden im Jahr 2021 etwa 0,8 Prozent des gesamten deutschen Stromverbrauchs.
Die Strompreise in Deutschland sind zudem etwa drei Mal so hoch wie in den USA, wo die Konzernleitung des Chemie-Riesen sitzt. Eigentlich ist es deshalb nicht verwunderlich, dass das Unternehmen auf Nachfrage mitteilt, die Einigung der Bundesregierung auf das Strompreispaket sei „ein guter Schritt“. Von Euphorie ist die Dow allerdings weit entfernt.
Ein Cent pro Kilowattstunde weniger
Die Stromsteuer für alle Unternehmen des produzierenden Gewerbes in Deutschland wird mit dem Strompreispaket auf den EU-weit zulässigen Mindestwert gesenkt: 0,5 Cent pro Kilowattstunde. Vorher waren es für Industrieunternehmen 1,54 Cent. Zum Vergleich: Für Haushalte beträgt die Stromsteuer 2,05 Cent pro Kilowattstunde. Zum Paket gehören außerdem ein Zuschuss zu den Netzentgelten sowie die sogenannte Strompreiskompensation, die rund 350 Unternehmen von Kosten durch den EU-Emissionshandel entlastet und für fünf Jahre verlängert wird.
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„Nach erster Einschätzung gehen wir aber davon aus, dass sich die angekündigten Maßnahmen nur minimal positiv auf uns als energieintensives Unternehmen auswirken werden“, teilt Dow Stade mit. Sie hätten sich eher einen zeitlich begrenzten Brückenstrompreis gewünscht. Der hätte aus Sicht der Dow „den Industriestandort Deutschland international wettbewerbsfähig gemacht und der Transformation zu einer CO2-neutralen Wertschöpfungskette einen Schub versetzt“. Dieser entscheidende Hebel bleibe nun aus. Die Dow hoffe jetzt auf den von Bundeskanzler Scholz zum Ende des Jahres angekündigten „Chemiepakt“.
Synthopol der größte Gasverbraucher in Buxtehude
Dr. Henning Ziemer, Sprecher und Geschäftsführer von Synthopol in Buxtehude, reagiert auf das Strompreispaket mit verhaltener Zustimmung. Ordnungspolitisch findet er die Senkung der Stromsteuer, von der auch der Mittelstand profitiert, angemessener als einen Industriestrompreis nur für Großunternehmen.
Die etwa acht Gigawattstunden Strom, die Synthopol jährlich verbraucht, sind allerdings nicht der größte Energieposten. Für die Produktionsprozesse werden 30 Gigawattstunden Gas benötigt. Synthopol ist Buxtehudes größter Gasverbraucher und Kunde der Stadtwerke. Die Stromkosten seien im Vergleich zum vergangenen Jahr um 30 Prozent gestiegen, die Gaskosten aber um fast 80 Prozent.

In einem Reaktorkessel bei Synthopol in Buxtehude wird flüssiges Kunstharz gerührt. Foto: Richter
Der größte Posten seien ohnehin die Rohstoffe. Bei 150 Millionen Euro Umsatz betrage der Anteil der Energie nur etwa 2,5 Millionen Euro. Aufgrund der abgeschlossenen Verträge sei bereits klar, dass es 2024 noch mehr werden. Unterm Strich werde das neue Paket darum wenig bringen, aber: „Ohne den Industriestrompreis müssten wir auf jeden Fall mehr bezahlen.“ Letzten Endes schätzt Ziemer die Ersparnis auf ungefähr 150.000 Euro.
AOS könnte Industrie-Gaspreis besser gebrauchen
„Wir könnten eher einen Industrie-Gaspreis gebrauchen“, sagt Volker Richter, Geschäftsführer bei der Aluminium Oxid Stade (AOS), über das Strompreispaket. Wie Synthopol benötigt auch die AOS für viele ihrer Prozesse Gas. „Viele unserer Anwendungen benötigen vor allem eines: Wärme, Wärme, Wärme“, erklärt Richter. Bei AOS wird aus importierter Erde aus Westafrika Aluminiumhydroxid gewonnen, und zwar unter hohem Druck und Hitze. Je nach Prozessstufe werden 270 bis 1000 Grad benötigt.
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Das Unternehmen erzeugt Strom aus Gas, hat vor zehn Jahren eine hocheffiziente Kraft-Wärme-Kopplungsanlage installiert und nutzt die Abhitze als Dampf. Es sei richtig, strategisch auf erneuerbare Energien zu setzen. Fossiles Gas wolle keiner mehr, sagt Volker Richter: „Aber Wasserstoff steht eben noch nicht zur Verfügung.“ Und es werde noch einige Jahre dauern, bis es soweit sei. Bis dahin müsse überbrückt werden: „Ich kann jetzt nicht zum Strom zurück.“ Das Strompreispaket sei auf fünf Jahre befristet, da fehle die Perspektive. Die Gaspreise in Deutschland seien im internationalen Vergleich ziemlich hoch. „Ein Industrie-Gaspreis würde der ganzen chemischen Industrie helfen“, sagt Richter.